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Der Fremde redete nicht mehr. Ohne den Atem, der über Dodgers Ohr strich, hätte er glauben können, dass niemand da war. All dies schoss Dodger mit hoher Geschwindigkeit durch den Kopf. Der Mann genoss es, dass Dodger hilflos war, ihm völlig ausgeliefert. Wer Zeit mit so etwas vergeudete, durfte nie hoffen, zu einem richtigen Geezer zu werden. Wenn ein richtiger Geezer einen tot sehen wollte, so war man sofort tot, ohne irgendwelche Umschweife.

Offenbar wollte der Fremde sein Opfer noch etwas mehr quälen, denn er sagte: »Ich mag es, wenn sich jemand Zeit lässt. Inzwischen dürfte Ihnen klargeworden sein, dass Sie sich aus meinem Griff nicht befreien können, Mister Dodger, und dass ich in der Lage wäre, einige Scheußlichkeiten mit Ihrem Hals anzustellen, bevor Ihr Köter Gelegenheit erhält, nach mir zu schnappen. Natürlich käme es zu einer kleinen Auseinandersetzung zwischen ihm und mir, aber mit Hunden wird man leicht fertig, wenn man sich mit ihnen auskennt und die richtige Kleidung trägt. Oh, ich habe nicht Jahre im Ring verbracht, ohne zu lernen, wie man selbst schwierige Kämpfe übersteht! Und ich weiß auch, dass Sie weder an Ihren Schlagring kommen noch an die Brechstange – nicht wie beim letzten Mal.« Der Mann lachte leise. »Nach unserer kleinen Begegnung während des Unwetters werde ich es richtig genießen. Vielleicht haben Sie gehört, dass inzwischen jemand Maßnahmen ergriffen hat, die dazu führten, dass mein Kollege seit jener Nacht nicht mehr unter den Lebenden weilt. Und Sie werden ihm gleich Gesellschaft leisten, schätze ich. Geben Sie mir die Information, die ich brauche, oder ich mache es so ungemütlich für Sie, dass es richtig ungemütlich wird.«

Dodger rang nach Luft. Dies war also einer der Männer, die Simplicity geschlagen hatten! Und der Schlaue Bob steckte dahinter! Er hatte von dem Mann gehört, ein Anwalttyp, sehr respektiert von den Leuten, die keinen Respekt verdienten. War er der Geezer, der mit Marie Jo geredet hatte?

Zorn stieg in ihm auf, eine schreckliche Wut, die sich zu einer glänzenden, schimmernden Gewissheit verdichtete, als ihm das Messer des Mannes trügerisch sanft über den Hals strich. Sie flüsterte: Der Bursche kommt nicht davon.

Niemand befand sich in der Nähe. Gelegentlich ertönte ein Schrei oder ein Ruf in der Dunkelheit, und manchmal drang ein geheimnisvolles Seufzen aus der Finsternis – die Musik der Nacht in den Slums. Aber derzeit waren Dodger und der Mann hinter ihm allein. »Sieht ganz so aus, als wäre ich in die Hände eines Profis geraten«, sagte Dodger.

»O ja«, bestätigte der Mann. »Ich schätze, das könntest du sagen.«

»Gut«, sagte Dodger, warf den Kopf zurück und hörte ein zufriedenstellendes Knirschen, das auf brechende Knochen hinwies. Einen Moment später fuhr er herum und trat. Es spielte keine große Rolle, wonach er trat und worauf. Ziele gab es genug, und in seinem Zorn trat er nach und auf praktisch alles. Bei einem Kampf um Leben und Tod ging es vor allem darum, am Leben zu bleiben, und wenn der Gegner mit einem Messer bewaffnet war, standen die Aussichten nicht sonderlich gut. Besser er mit blutiger Nase und reichlich blauen Flecken als man selbst nichts weiter als eine Erinnerung. Und lieber Himmel, der Kerl hatte getrunken, bevor er ihm aufgelauert hatte – keine gute Entscheidung, wenn man schnell sein musste. Aber dies war einer der Männer, die Simplicity geschlagen hatten, und dafür konnte es gar nicht genug Tritte geben.

Das Messer war zu Boden gefallen, und Dodger hob es auf und betrachtete den Mann im Rinnstein. »Die gute Nachricht lautet: In ein paar Monaten wirst du dich kaum mehr an diese Begegnung erinnern. Und die schlechte Nachricht: In etwa zwei Wochen musst du dir die Nase noch einmal von jemandem brechen lassen, damit du wieder wie dein altes hübsches Selbst aussiehst.«

Der Mann schniefte, und so wie er in der Düsternis aussah, schien sein Gesicht jetzt besser dran zu sein als vorher – es bestand aus Narben. Die Leute hielten ein lädiertes Gesicht für das Markenzeichen eines Boxers, doch da irrten sie. Ein lädiertes Gesicht wies auf einen Amateurboxer hin. Gute Boxer waren gern hübsch; es überraschte und verunsicherte ihre Gegner.

Dodger trat dem Liegenden mit aller Kraft zwischen die Beine und nutzte sein hingebungsvolles Stöhnen, um die Taschen zu durchsuchen, was ihm fünfzehn Shilling, ein Sixpence und mehrere Pennys einbrachte. Dann trat er den Burschen noch einmal, als Zugabe. Er zog ihm auch die Schuhe aus und sagte: »Ja, Mister, ich bin der Geezer, der dir beim Unwetter eine Abreibung verpasst hat. Der Geezer, der Sweeney Todd Auge in Auge gegenüberstand, und weißt du was? Ich habe sein Rasiermesser. Es spricht zu mir, o ja. Richte dem Schlauen Bob aus, dass er selbst kommen und mir seine Fragen stellen soll, klar? Ich bin kein Mörder, aber das brauche ich auch gar nicht zu sein, um dich windelweich zu prügeln, wenn ich dich noch einmal in dieser Gegend sehe oder wenn ich höre, dass du erneut eine Frau geschlagen hast. Dann könnte ich zum Mörder werden und dich ohne Schiff den Fluss hinunterschicken, und das meine ich verdammt ernst.«

Ringsum waren die Geräusche von Fenstern zu hören, die vorsichtig geöffnet wurden – vorsichtig deshalb, weil die Leute das Geschehen auf der Straße vielleicht gar nicht mitbekommen wollten, insbesondere wenn es sich um ein Geschehen handelte, über das die Peeler später Fragen stellten. In diesen schäbigen Vierteln brauchte man eine Blindheit, die man nach Belieben ein- und ausschalten konnte.

Dodger wölbte die Hände um den Mund und rief fröhlich: »Macht euch keine Sorgen, Leute, ich bin’s, Dodger, und jemand von außerhalb der Stadt, der mir dummerweise über den Fuß gestolpert ist!«

Mit dem Ausdruck von außerhalb der Stadt wies er darauf hin, dass sozusagen der Heimatboden verteidigt wurde – der größtenteils aus Dreck und den Resten von Onans letzten Mahlzeiten bestand –, und es schadete sicher nicht, alle in Kenntnis zu setzen, dass Dodger der Verteidiger war.

Im grauen Licht empfing er verhaltenen Applaus von allen bis auf Mister Slade, der Kahnführer von Beruf und nicht für seine freundlichen Worte bekannt war, denn immerhin musste er morgens sehr früh aufstehen. Offenbar lag ein schlechter Tag hinter ihm, denn er rief: »Na gut, und jetzt hau ab und geh ins Bett!«

Dodger hingegen beschloss, noch nicht ins Bett zu gehen. Er zog den Mann von seinem Heimatboden, wie es das Protokoll verlangte, und verbrachte die nächsten zehn Minuten damit, ihn noch etwas weiter zu ziehen, ein ganzes Stück weg von dem Gebäude, in dem er wohnte, für den Fall, dass die Peeler Ermittlungen anstellen wollten. Er lehnte den Burschen an eine Mauer und flüsterte: »Du kannst wirklich von Glück sagen. Wenn du dich noch einmal blicken lässt, verpasse ich dir eine hübsche Rasur, mein Lieber – mit dem Rasiermesser von Sweeney Todd! Verstanden? Ich nehme an, das war ein Ja.« Dann pfiff Dodger Onan zu sich, aber erst nachdem der Hund an das Bein des Mannes gepinkelt hatte. Das war nicht geplant gewesen, aber Dodger hielt es für einen guten Abschluss der ganzen Angelegenheit.

Und dann … Dort stand Dodger, und er hatte das Gefühl, dass die Ereignisse des Abends einen letzten Schliff brauchten, ein kleines zusätzliches Detail, zu dem ein Geezer zurückblicken und auf das er stolz sein konnte – ein Detail, das seinem Ruf noch etwas mehr Glanz hinzufügte. Nach kurzem Nachdenken ließ er die erbeuteten Münzen klimpern, kehrte zu seiner Straße zurück, trat dort zu einer kleinen Tür und klopfte mehrmals.

Nach einer Weile öffnete eine Alte im Nachthemd und spähte argwöhnisch nach draußen. »Wer ist da? Ich hab kein Geld im Haus, musst du wissen.« Und dann: »Oh, du bist’s, der junge Dodger! Potz Blitz, ich habe dich an den Zähnen erkannt. Niemand hat so weiße Zähne wie du.«