»Mmm«, erwiderte Solomon. »Das liegt daran, dass mmm Regierungen meist an das ganze Volk denken – einzelnen Personen schenken sie keine besondere Aufmerksamkeit. Zweifellos glauben manche, Simplicitys Rückkehr werde die Spannungen zwischen zwei Ländern abbauen. Und tatsächlich, obwohl ich das nicht gern sage, wäre es eine christliche Tat, denn immerhin ist sie eine Ehefrau vor Gott. Obwohl Gott manchmal wegsieht, worauf ich ihn mehrmals hingewiesen habe. Viele sind der Ansicht, dass die Wünsche des Ehemanns mmm wichtiger sind als die der Ehefrau.«
»Der Kerl gestern Abend arbeitete für einen Mann namens Schlauer Bob, der (autsch!) an Simplicity und mir interessiert ist«, sagte Dodger zwischen mehreren hammerharten Schlägen. »Er will wissen, wo sie ist, also muss Geld für ihn drin sein. Kennst du ihn? Ich habe gehört, er ist Anwalt oder so.«
»Schlauer Bob«, murmelte Solomon. »Mmm, ich glaube, ich habe von ihm gehört. Und ja, er ist Anwalt – für Kriminelle, könnte man sagen. Ich meine nicht, dass er sie vor Knast und Galgen bewahrt oder so. Das macht er natürlich auch, aber er ist eher mmm ein Mittelsmann, um es mal so auszudrücken. Jemand tritt an ihn heran und sagt zum Beispieclass="underline" ›Ich möchte, dass dem oder jenem in unserer Stadt etwas zustößt.‹ Niemand redet von Mord oder vom Abschneiden eines Ohrs, und trotzdem wird eine solche Botschaft übermittelt – mit einem Blick oder einer kurzen Berührung der Nase. Etwas in der Richtung, damit der Schlaue Bob behaupten kann, nichts von der Sache zu wissen und keine Ahnung zu haben, warum ein Esszimmer voller Blut ist.« Solomon seufzte. »Du glaubst, seine Leute haben Miss Simplicity verprügelt?«
»Ja, und nun muss ich ihn finden«, erklärte Dodger. »Sobald wir die Angelegenheit heute Abend hinter uns gebracht haben. Der Bursche (autsch!) hätte mir gestern Abend sagen sollen, wo ich den Schlauen Bob finde. Aber ich hab ihm zwischen die Beine getreten und darüber alles andere vergessen. Außerdem hab ich ihm ordentlich eins auf den Zinken gegeben und die Nase im Gesicht verteilt, sodass er nur noch grunzen konnte.«
»Lass dir das eine Lehre sein«, sagte Solomon. »Gewalt ist nicht immer das angemessene Mittel.«
»Solomon, du hast einen sechsschüssigen Revolver zu Hause«, erwiderte Dodger.
»Mmm, ich habe nicht immer gesagt.«
»Wenn du weißt, wo ich ihn finde, dann verrat es mir, denn morgen mache ich mich ohnehin auf die Suche nach ihm«, verkündete Dodger. »Vielleicht glaubt er, dass jemand Simplicitys Tod begrüßen würde. Nicht weil dieser Jemand sie hasst, sondern weil sie (au!) im Weg ist.«
Diese Worte brachten Dodger ein langes Mmm von Solomon ein, und er führte es zunächst auf ein besonders festes Kneten durch den Masseur zurück. Dann sagte Solomon leise: »Nun, Dodger, vielleicht hast du dich gerade einer Lösung des Problems angenähert. Sorg dafür, dass der Fremde oder die Fremden Simplicity für tot halten. Niemand jagt einem Toten hinterher. Mmm, es ist natürlich nur so ein Gedanke. Es gibt keinen Anlass, ihn ernst zu nehmen.«
Dodger drehte den Kopf und sah, dass Solomons Augen glänzten. »Wie meinst du das?«
»Ich meine, Dodger, dass du ein einfallsreicher junger Mann bist, und ich habe dir einen Anstoß gegeben, über den es nachzudenken gilt. Überleg es dir gut! Bekanntlich sehen die Menschen nur das, was sie sehen wollen.«
Eine Faust donnerte auf Dodger herab, aber er bemerkte es kaum, denn in seinem Kopf geriet allerlei in Bewegung und verlangte seine Aufmerksamkeit. Er sah Solomon noch einmal an und nickte.
Solomon kam wie ein Wal nach oben und klopfte seinem Freund auf die Schulter. »Zeit zu gehen, junger Mann! Man kann auch zu sauber werden.«
Als sie sich abgetrocknet hatten und vor ihren Spinden standen, sagte Solomon: »Wir sollten uns hier für eine Weile hinsetzen und etwas trinken. Es ist nicht ratsam, nach einer gründlichen Massage sofort auf die Straße zu gehen – wir könnten uns eine Erkältung holen. Anschließend bringe ich dich in die Savile Row, wo alle wichtigen Männer ihre Garderobe kaufen. Die Zeit ist knapp, aber gestern Abend habe ich einen Jungen zu meinem Freund Izzy geschickt, der sich um dich kümmern wird. Sein Geschäft ist alles andere als ein Gebrauchtladen, und ich bin sicher, dass er etwas Geeignetes für den Freund eines Freunds hat, der ihn in Sicherheit schleppte, als er von den Kosaken angeschossen wurde.« Er fügte hinzu: »Das will ich ihm raten. Ich bin mit ihm eine Meile weit durch den Schnee gelaufen, und keiner von uns dreien trug Stiefel, weil wir mitten in der Nacht aus dem Bett mussten. Danach trennten sich unsere Wege, aber ich werde mich immer an den jungen Karl erinnern – ich glaube, ich habe ihn schon einmal erwähnt, nicht wahr? –, der mir sagte, alle Menschen seien gleich, aber unterdrückt, wobei sie das Drücken manchmal selbst übernehmen. Wenn ich darüber nachdenke … Er sagte noch viel mehr. Hatte den schlimmsten Haarschnitt, den ich je gesehen habe, und auch Feuer in den Augen. Erinnerte mich an einen hungrigen Wolf.«
Dodger hörte nicht zu. »Die Savile Row liegt in West End«, sagte er wie einer, der vom Ende der Welt spricht. Er fuhr fort: »Brauche ich wirklich feine Klamotten? Mister Disraeli und seine Freunde … Sie wissen doch, wer ich bin, oder?«
»Mmm, oh, und wer mmm bist du genau, mein Freund? Ihr Untergebener? Ihr Angestellter? Oder ein Gleichgestellter, wie ich meine? Das hätte zweifellos der junge Karl gesagt, und vermutlich sagt er es noch immer. Es sei denn, er lebt nicht mehr.« Dodger richtete einen fragenden Blick auf Solomon, der rasch erklärte: »Mmm, wenn man den Menschen immer wieder sagt, dass sie unterdrückt werden, bekommt man meiner Erfahrung nach Feinde auf beiden Seiten: die Unterdrücker, die das Unterdrücken nicht lassen wollen, und die Unterdrückten, die nicht hören möchten, dass sie unterdrückt sind. In dieser Hinsicht können sie ziemlich unangenehm werden.«
Fasziniert fragte Dodger: »Bin ich unterdrückt?«
»Du? Wahrscheinlich nicht, mein Junge, und du scheinst auch deine Mitmenschen nicht nach unten zu drücken, was eine begrüßenswerte Einstellung ist. Aber an deiner Stelle dächte ich nicht zu viel an Politik, das könnte dich krank machen. Was die Leute betrifft, denen wir heute Abend begegnen werden … Ich nehme an, dass viele von ihnen, wenn nicht alle, beträchtlich reicher sind als du. Aber nach allem, was ich über die Gastgeberin weiß, bedeutet das noch lange nicht, dass sie sich für wesentlich besser halten als dich. Geld macht Menschen reich, aber die Annahme, dass es sie auch besser macht – oder schlechter –, ist ein Trugschluss. Menschen sind, was sie tun und was sie hinterlassen.« Solomon leerte seine Kaffeetasse. »Da es ein weiter Weg ist und mir die Beine wehtun, nehmen wir eine Kutsche und verhalten uns wie die Gentlemen, die wir sind.«
»Aber das kostet viel Geld!«
»Und? Soll ich den ganzen weiten Weg durch den Regen zu Fuß gehen? Wer bist du, Dodger? Du bist ein König unendlichen Raums, vorausgesetzt, der betreffende Raum ist unterirdischer Natur. Du bist ein Mann, der seinen Lebensunterhalt bestreitet, indem er verlorenes Geld findet, und da du ein gutes Auge dafür hast, steckt etwas von einem ewigen Kind in dir. Ohne Verantwortung macht das Leben Spaß, aber nun übernimmst du Verantwortung. Du hast Geld, Dodger – dein neues Sparbuch beweist es. Und du hoffst, eine junge Dame für dich zu gewinnen, mmm ja? Das ist gut für einen Mann, denn Verantwortung ist der Amboss, auf dem ein Mann geschmiedet wird.«
Kaum hatten sie das Gebäude verlassen, musste Solomon eine ältere Frau retten, die Onan hatte streicheln wollen. Er half ihr, sich abzuklopfen, und als ihr Kleid etwas sauberer und sein Taschentuch wesentlich schmutziger war, rief er eine Kutsche, die anhielt, ohne dass der Kutscher es wollte – die Hufe des Pferds schlugen Funken auf dem Kopfsteinpflaster.