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Angela lachte. »Ihr Ruf eilt Ihnen voraus, Mister Dodger. Sie gelten als ein mutiger und auch verständnisvoller Mann. Aber mir scheint, Sie können auch ein guter Stratege sein – und frischer Wind obendrein!« Sie legte ihm die Hand auf den Arm und fragte: »Sind Sie ein Kirchgänger, Mister Dodger?«

»Nein, Miss. Das mit dem Glauben erledigt Solomon für uns beide, Miss, verlassen Sie sich drauf! Ich schätze, er sagt dem Allmächtigen, was er tun und lassen soll. Aber keine Sorge, ich habe gehört, dass Jesus über das Wasser gegangen ist, also weiß er vielleicht ein bisschen was übers Toshen, obwohl ich ihn da unten nie gesehen habe. Womit ich ihm nicht zu nahe treten möchte, denn im Dunkeln sieht man nicht jeden.«

Er bemerkte, dass Angelas Lächeln ein wenig gezwungen wirkte, bevor sie ihre Natürlichkeit zurückgewann und sagte: »Nun, Mister Dodger, offenbar kann ein Ungläubiger so manchen Gläubigen beschämen.« Aus diesen Worten schloss er, dass er erneut damit durchgekommen war, obwohl er nicht genau wusste, womit.

Endlich konnte Dodger seine Aufmerksamkeit auf den Inhalt seines Tellers richten. Es schien eine recht gute Gemüsesuppe zu sein, noch besser als das Zeug, das Solomon kochte, und darauf wies er auch hin, kaum dass er damit fertig war. Wobei er feststellte, dass niemand sonst die Suppe mit solchem Eifer gegessen hatte wie er.

»Es ist eine sogenannte Juliennesuppe«, erklärte Angela. »Warum sie so heißt, weiß ich leider nicht. Ich beneide Sie um Ihren Appetit.«

Von diesen Worten ermuntert, fragte Dodger: »Kann ich noch mehr bekommen?« Aus den Augenwinkeln entdeckte er in Charlies Miene den Ausdruck eines Mannes, der seinen Spaß hatte.

Angela folgte seinem Blick. »Wussten Sie, dass Charlie Bücher schreibt? Ich frage mich oft, woher er alle seine Einfälle nimmt. Was die Suppe betrifft … Ich bin sicher, dass es noch mehr davon gibt, aber es folgt ein sehr schmackhafter Steinbutt, und danach gibt es Hammelrücken, gefolgt von gebratenen Wachteln. Wenn Sie bis dahin noch nicht geplatzt sind, junger Mann, können Sie sehr süßes Kirschkompott kosten. Wie ich sehe, haben Sie Ihren Wein nicht angerührt. Es ist ein sehr guter Sauvignon blanc, und ich bin sicher, dass er Ihnen schmecken würde.« Als Dodger nach dem Glas griff, wandte sich Miss Burdett-Coutts zur anderen Seite, um eine Frage von Sir Robert Peel zu beantworten.

Dodger mochte den Wein, und weil er Dodger war, dachte er: Oh, dieser Wein ist ziemlich gut, und deshalb werde ich ihn ganz langsam trinken. Immerhin trank er nur selten Wein, obwohl Solomon manchmal welchen zum Passahfest kaufte. Der war so süß, dass er Zahnschmerzen davon bekam. Gewöhnlich bevorzugte Dodger Bier oder Stout, im Winter vor allem Stout. Es waren einfache Getränke für einfache Leute, und Dodger wollte kein komplizierter Mensch werden, und in den würde er sich zweifellos verwandeln, wenn er mehr als ein Glas von diesem Wein trank.

Solomon hatte ihn zuvor darauf hingewiesen, dass vielleicht für jeden Gang ein anderer Wein ausgeschenkt wurde – man fragte sich, wie die Gäste unter solchen Umständen nach Hause kamen. Während Angela also mit Sir Robert Peel sprach und Simplicity auf zarte Weise ihren Suppenteller leerte, hielt Dodger das Glas Wein in der Hand und trank jeweils nur einen kleinen Schluck. Oh, er war gelegentlich betrunken gewesen, und so angenehm sich das auch zunächst anfühlen mochte – wenn man später aufwachte, sah die Sache ganz anders aus. Außerdem fiel das Toshen schwer, wenn man keinen klaren Kopf hatte, und sich nicht dauernd übergeben zu müssen, war natürlich auch hilfreich. Mehr als alles andere wollte er vermeiden, sich vor diesen Leuten zu blamieren, noch dazu während Simplicity zusah. Und sie beobachtete ihn.

Das schien auch für den Steinbutt zu gelten, der auf einem silbernen Tablett vorbeigetragen wurde, bevor ihn die Kellner an die Gäste verteilten. Er war groß und dick, aber nie zuvor hatte Dodger ein so trauriges Gesicht bei einem Fisch gesehen. Hätte er erfahren, dass er nicht nur mit einer recht pikanten Soße serviert wurde, sondern auch köstlich schmeckte, wäre seine Stimmung vielleicht ein wenig gestiegen. Inzwischen war Dodger etwas ruhiger geworden. Das Essen verlief gut, die Leute redeten miteinander, und alles schien ganz nett zu sein. Die heitere Stimmung dauerte an, als die Kellner den Hammelrücken servierten, der ein wenig gelb und ziemlich fettig war und eine reine Wonne für einen so tatkräftigen jungen Burschen wie Dodger, obwohl er sich nicht daran erinnerte, jemals so viel gegessen zu haben. Die von Solomon in der Mansarde zubereiteten Mahlzeiten waren … bekömmlich und stillten den Hunger. Fleisch gab es in kleinen Stücken, war mehr Beilage als Hauptgang und befand sich für gewöhnlich in einer dicken Suppe oder in nahrhaftem Brei. Dodger merkte, dass im Bereich seines Bauchs alles ziemlich straff geworden war, aber gutes Hammelfleisch war die Speise der Götter, und es wäre ganz und gar unangemessen gewesen, etwas so Köstliches zurückzuweisen.

Dodger kam gut zurecht. Er hatte sich Solomons Hinweise in Bezug auf die Verwendung von Messer und Gabel bei den einzelnen Gängen zu Herzen genommen und auch die Serviette an den Hals gesteckt, und es wäre ihm durchaus recht gewesen, sich jeden Abend einer solchen Zeremonie zu unterziehen. Aber er wusste, dass er Simplicity vernachlässigt hatte – wie konnte er? –, ausgerechnet Simplicity, die gerade höflich einer von Solomons Geschichten lauschte und ihm dabei ihre volle Aufmerksamkeit schenkte, was nur recht und billig war, denn Solomon verstand seine Zuhörer immer wieder zu überraschen.

Sie richtete den Blick auf ihn, gerade als er den Kopf wandte und sie ansah, und fragte: »Ist es nicht seltsam, Dodger, dass du wie eine kleinere Version von Sir Robert gekleidet bist?« Sie senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Aber du bist viel hübscher und blickst nicht so oft finster drein. Ansonsten aber ähnelt ihr euch wie ein Ei dem anderen.«

»Er ist viel größer und älter als ich«, erwiderte Dodger.

Diese Worte veranlassten Simplicity zu einem Lächeln, und sie sagte: »Ich glaube, manchmal denken die Engländer nicht darüber nach, was sie sagen. Wenn man zwei Eier betrachtet, so wird man feststellen, dass es Unterschiede zwischen ihnen gibt.«

Er starrte sie mit offenem Mund an. Erstens, weil er oft Eier gesehen und nie auf ihre Unterschiede geachtet hatte, und zweitens, weil Simplicity ihm etwas Neues erzählte. Und nicht zum ersten Mal, erinnerte er sich. Nein, Simplicity war nicht einfach gestrickt, keineswegs.

Sie lachte leise. »Du weißt gar nichts über mich, Dodger.«

»Darf ich hoffen, eines Tages mehr herauszufinden?«

»Ich habe sehr dicke Beine«, verkündete sie.

Die Gefahr, in den schmutzigen Vierteln von London dick zu werden, wo auch immer, war nicht sonderlich groß, aber Dodger hatte noch nie von einer jungen Frau gehört, die ihre Beine zu dünn nannte, und so sagte er in der Stille, die Simplicitys Worten folgte: »Ich möchte nicht taktlos sein, aber das ist bestimmt Ansichtssache, und leider konnte ich mir in dieser Hinsicht noch keine Meinung bilden.«

Was folgte, war nicht unbedingt ein Aufruhr, vielleicht eher ein kleiner Tumult. Dodger hörte verschiedene Variationen von »Na, so was!« und Geräusche, die Menschen von sich gaben, wenn sie etwas empörend fanden, in Wirklichkeit aber amüsiert und vielleicht sogar erleichtert waren. »Exzellent!«, sagte jemand, vermutlich Charlie. »Des berühmten Beau Brummel würdig!«