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Schließlich fand Dodger die Sprache wieder und fragte: »Klar was?«

»Sie lernen schnell, Mister Dodger. Übrigens, Sie scheinen keinen anderen Namen zu haben als Dodger, Mister Dodger. Ich weiß, dass Sie in einem Waisenhaus aufgewachsen sind, und dort müsste man Ihnen doch einen Namen gegeben haben, oder?«

Mehr als nur einen Namen, dachte Dodger, und ich wette, Sie kennen ihn bereits, Mister Peel. Dann sagte er: »Ja, das stimmt. Man nannte mich Pip Stick! Sind Sie jetzt zufrieden? Ich bin es nicht! Wie kann man jemandem einen solchen Namen geben? Stellen Sie sich vor, wie sehr ein kleiner Junge mit einem solchen Namen gehänselt wird. Und sie haben mich gehänselt, Mister Peel, das haben sie. Es steht ganz offiziell im Buch des Armenhauses geschrieben. Mister Pip Stick, ist das zu fassen? Pech gehabt.« Dann fuhr er fort: »Obwohl, wenn ich so darüber nachdenke … Mister Pip Stick lernte zu kämpfen. Und flink zu sein wie ein richtiger Dodger. Und zu treten und zu beißen. Und zu laufen. Oh, und wie er laufen konnte, und klettern und kriechen.« Er zögerte. »Eigentlich war es gar kein schlechter Name, sondern ein guter, wenn man’s so betrachtet.«

Das Essen war fast vorbei, als Dodger an seinen Platz zurückkehrte, und wenige Minuten später klopfte Angela mit einem Löffel an ein Weinglas und verkündete: »Meine Freunde, heutzutage ist es Brauch und Sitte, dass die Damen das Gesellschaftszimmer aufsuchen, während die Herren zurückbleiben. Wie Sie wissen, finde ich das ein wenig ärgerlich, da ich mich gern mit einigen Gentlemen unterhalten möchte, und ich bin sicher, dass die Gentlemen auch gern mit einigen Damen sprächen. Immerhin sind dies moderne Zeiten, und wir alle sind Leute von Welt. Ich wage zu behaupten, dass niemand von uns eine Anstandsdame braucht. Ich begebe mich in den Salon und erwarte dort alle, die mir Gesellschaft zu leisten wünschen.«

Dann ergriff eine der reichsten Frauen der Welt Dodger zu seiner großen Überraschung am Arm. »Nun, Mister Dodger«, sagte sie, »ich möchte mit Ihnen über das Lesen sprechen. Von Solomon weiß ich, dass Sie nur selten einen Leseversuch unternehmen und kaum etwas anderes entziffern können als Ihren Namen. Das genügt nicht, mein Lieber! Ein Mann Ihres Kalibers darf kein Analphabet sein. Eigentlich müsste ich vorschlagen, dass Sie eine meiner Lumpenschulen besuchen, aber ich schätze, dafür halten Sie sich für zu alt. Deshalb habe ich mir etwas anderes überlegt, um die Liebe für Worte und wie man sie verwendet in Ihnen zu wecken: Ich möchte, dass Sie morgen Abend mich und die junge Simplicity ins Theater begleiten, wo wir uns William Shakespeares neues Stück Julius Cäsar ansehen werden.«

Miss Burdett-Coutts hob den Kopf und fügte hinzu: »Ich würde mich freuen, wenn sich Mister Cohen entschließen könnte, uns ebenfalls zu begleiten. Sie müssen nach Höherem streben, Mister Dodger, denn kein Mensch sollte sein Leben damit vergeuden, durch die Kanalisation zu stapfen, wenn er durch Literatur und Theater segeln kann. Streben Sie nach Höherem, Mister Dodger, steigen Sie empor! Greifen Sie nach den Sternen!« Sie bemerkte Dodgers Gesichtsausdruck und unterbrach sich. »Sie starren mich mit offenem Mund an. Haben Sie meine Worte vielleicht nicht verstanden?«

Dodger zögerte, aber nicht lange. »Ja, Miss. Ich bin ziemlich beschäftigt, aber ich ginge gern mit Ihnen ins Theater und bin auch bereit, nach Höherem zu streben. Doch die Sterne, fürchte ich, sind zu weit oben, da braucht man eine lange Leiter.«

»Irgendwann sollten Sie Solomon einmal fragen, was eine Metapher ist, Dodger.«

»Ich möchte Sie noch etwas anderes fragen, Miss«, sagte Dodger. »Wie können Sie sicher sein, dass Miss Simplicity im Theater nicht irgendetwas Schlimmes zustößt? Immerhin sind Theater große Gebäude mit vielen Menschen drin.«

Angela lächelte. »Manchmal kann man sich am besten dort verstecken, wo niemand nach einem sucht. Aber wenn doch jemand erscheinen sollte, der auf der Suche ist … In dem Fall sollten wir einem zufriedenstellenden Abschluss dieser Angelegenheit einen Schritt näher sein, meinen Sie nicht? Simplicity wird nicht in Gefahr geraten – ich habe Mittel und Wege und werde dafür sorgen, dass wir alle den Abend ungestört genießen können, das versichere ich Ihnen. Meine Bediensteten verfügen über … verborgene Talente, könnte man sagen. Aber vielleicht erleben wir mehr als nur einen Abend mit guter Unterhaltung.«

Sie führte Dodger in einen anderen prachtvoll eingerichteten Raum, wo bequeme Sessel standen und alles andere ebenfalls im Übermaß vorhanden war. In Solomons Mansarde befand sich kein Stück, das keinen praktischen Zweck erfüllte. Der alte Mann hatte seinen Arbeitstisch und ein sehr schmales Bett, und hinter dem Vorhang verfügte Dodger über die Matratze und mehrere Decken, und im Winter war es manchmal ziemlich kalt, auch für Onan, dessen Geruch ziemlich schlimm werden konnte. Aber dieser Raum war ausgestattet mit … Dingen, die, soweit Dodger feststellen konnte, nur dazu dienten, um gesehen zu werden oder damit man andere Dinge darauf abstellen beziehungsweise darin unterbringen konnte. Hinzu kamen große Vasen mit üppigen Blumensträußen – man hätte meinen können, in Covent Garden zu sein. Er fragte sich, warum manche Leute so viel brauchten, während er seinen ganzen Besitz in einem kleinen Beutel tragen konnte, die Matratze nicht mitgezählt. Das schien mit dem Reichtum zusammenzuhängen – wie im Haus der Mayhews, nur dass der Überfluss hier noch viel deutlicher ins Auge fiel.

Dann aber schob er diesen Gedanken beiseite, um Platz für den Plan zu schaffen. Es war ein guter, ein glänzender Plan, und die letzten Lücken darin hatten sich gefüllt, weil Mister Disraeli versucht hatte, sich über ihn lustig zu machen. Den ganzen Abend über war er mit den letzten Einzelheiten beschäftigt gewesen, von denen einige recht unkompliziert waren, wie zum Beispiel die Hose. Bei anderen musste er dem Glück vertrauen – und natürlich der Lady.

Am kommenden Tag gab es viel zu tun.

Dodger sah sich nach Solomon um, als ihm jemand auf die Schulter klopfte und sagte: »Bitte entschuldigen Sie, aber ich habe gehört, dass Sie oft in der Kanalisation unterwegs sind.«

Der ungebetene Fragesteller war ein junger Mann, etwa zehn Jahre älter als Dodger und mit dem schüchternen Beginn eines gezwirbelten Schnurrbarts, wie es der neuesten Mode entsprach. Die Art und Weise, wie er die Frage stellte, deutete darauf hin, dass er so etwas wie ein Enthusiast war, wenn es um Abwasserkanäle ging. Er war ein Gentleman, der über die Kanalisation reden wollte, und Dodger musste höflich sein, weshalb er lächelte und sagte: »Ich bin kein Experte, Sir, aber da Sie schon fragen: Ich gehe toshen und schätze, dass ich in jedem Abwasserkanal gewesen bin, den es unter der Quadratmeile gibt, und die anderen kenne ich ebenfalls. Und Sie, Sir, sind …?« Er lächelte erneut, um seine freundlichen Absichten zu bekunden.

»Oh, wie nachlässig von mir! Bazalgette, Joseph Bazalgette. Hier ist meine Karte, Sir. Ich möchte Ihnen sagen: Falls Sie einen weiteren Ausflug in die Kanalisation unternehmen, wäre es mir eine große Ehre, Sie begleiten zu dürfen.«

Dodger drehte die Karte hin und her, gab nach und erwiderte: »Ich habe eine … Expedition mit Mister Disraeli und Mister Dickens geplant. Sie wird übermorgen stattfinden, denke ich. Ein weiterer Teilnehmer sollte eigentlich kein Hindernis sein.« Und es passte gut zu seinem Plan, insbesondere wenn einer der eben erwähnten Herren seine Meinung änderte und plötzlich anderweitig zu tun hatte, wie man so etwas nannte.