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In den Händen der Lady
Die Uhr tickte noch immer, und diesmal bedeutete ihr Ticken, dass es nicht mehr lange dauerte, bis es sieben wurde. Dodger überprüfte seine Vorbereitungen ein weiteres Mal und verließ die Kanalisation ein Stück entfernt, damit man ihn sah, wie er fröhlich zum Pub The Lion schlenderte.
Es überraschte ihn nicht, dort bereits Mister Bazalgette anzutreffen – er saß draußen auf einer Bank, gekleidet auf eine Art, die für eine Reise durch die Welt unter der Stadt geeignet erschien. Der junge Mann sah aus wie ein Kind, das auf den Beginn des Kasperletheaters wartete, und war mit verschiedenen Instrumenten und einem sehr großen Notizbuch ausgestattet. Darüber hinaus hatte er daran gedacht, eine eigene Laterne mitzubringen, obwohl Dodger bereits drei Laternen geliehen hatte, wofür es notwendig gewesen war, den einen oder anderen Gefallen einzufordern. Aber dazu waren Gefallen schließlich da.
Der junge Ingenieur trank ein Pint Ingwerbier und begann sofort ein Gespräch mit Dodger, bei dem es um das Wesen der Kanalisation ging, in Bezug auf die Menge des Wassers, die Dodger darin gesehen hatte, die Verbreitung von Ratten, die Gefahren des Aufenthalts und andere bedeutsame Einzelheiten für einen so begeisterten Gentleman wie Bazalgette.
»Freuen Sie sich darauf, Ihrer Lady zu begegnen, Mister Dodger?«, fragte er.
Dodger dachte: Ja, ihnen beiden. Aber er lächelte und sagte: »Ich habe sie nicht gesehen, kein einziges Mal. Aber manchmal, wissen Sie, wenn ich dort unten ganz allein bin, dann habe ich so ein Gefühl, als sei gerade jemand vorbeigegangen, und es gibt eine Veränderung in der Luft, und wenn ich dann den Blick senke, sehe ich die Ratten ganz schnell an mir vorbeilaufen, alle in dieselbe Richtung. Bei anderen Gelegenheiten sehe ich nichts weiter als ein altes Mauerstück, aber etwas scheint mir zu sagen, dass es sich vielleicht lohnt, hinter die zerbröckelnden Backsteine zu tasten. Also werfe ich einen Blick dorthin, und was finde ich? Einen Goldring mit zwei Diamanten! So ist es mir einmal passiert.« Er fügte hinzu: »Einige Tosher behaupten, die Lady gesehen zu haben, aber das soll passieren, wenn man stirbt, und ich habe noch nicht vor zu sterben. Allerdings, Sir, hätte ich nichts dagegen, sie jetzt zu sehen, wenn sie mir den Weg zu einem Tosheroon weist.«
Es folgte ein Gespräch über die legendären Tosheroone und wie sie entstanden. Zum Glück kam zu diesem Zeitpunkt eine Kutsche, die Charlie und Mister Disraeli absetzte, der ein wenig beunruhigt wirkte, wie viele vernünftige Bürger in der Nähe von Seven Dials. Charlie setzte ihn auf eine Bank, verschwand im Pub und kehrte kurze Zeit später mit einem Mann zurück, der ein Tablett mit zwei Pints trug, und Mister Bazalgette rieb sich die Hände und fragte: »Nun, meine Herren, wann brechen wir auf?«
»Sehr bald, Sir«, erwiderte Dodger. »Aber es gibt eine kleine Planänderung. Miss Burdett-Coutts möchte, dass uns einer ihrer Bediensteten begleitet, damit er Erfahrungen sammelt und sich verbessern kann.« Er fügte munter hinzu: »Vielleicht wird er eines Tages zu einem Ingenieur wie Sie, Sir.«
Dodger unterbrach sich, denn eine weitere Kutsche traf ein, mit zwei sehr kräftig gebauten Männern auf dem Kutschbock. Die Tür schwang auf, und es stieg der gerade erwähnte junge Mann aus, der an manchen Stellen etwas rundlicher erschien als andere junge Männer, und am Kiefer – ja, dachte Dodger – Rasierspuren aufwies. Simplicity und vielleicht auch Angela nahmen diese Sache sehr ernst; alle anderen zeigten sich gelassen.
Es war keine schlechte Verkleidung, und angesichts der vielen Essensreste neigten nicht wenige Bedienstete zu einer gewissen Molligkeit, aber wer Simplicity in einem Kleid gesehen hatte, wusste sofort, dass sie es sein musste. In Dodgers Augen hätte sie in dieser Aufmachung auch dann noch gut ausgesehen, wenn sie einen Bart getragen hätte. Aber in einem Punkt konnte er ihr nicht recht geben: Ihre Beine waren keineswegs dick! Nein, für Dodger waren es wundervoll geformte Beine, und er musste sich zwingen, den Blick von ihnen abzuwenden und sich ganz der bevorstehenden Aufgabe zu widmen.
Er wusste nicht, was Joseph Bazalgette dachte, aber vermutlich befand er sich im Geist schon in der Kanalisation, und bei der Dinnerparty hatte er von Simplicity ohnehin nicht viel gesehen. Und weil Angela zugegen war, sahen Charlie und Disraeli das, was sie sehen sollten. Es ist, so dachte Dodger, eine Art politischer Nebel.
Miss Coutts beugte sich aus dem Kutschenfenster und sagte: »Ich hole meinen jungen Bediensteten in anderthalb Stunden ab, meine Herren. Bitte geben Sie gut auf ihn acht, denn ich möchte seiner armen Mutter nicht mitteilen müssen, dass ihm etwas zugestoßen ist. Roger ist ein guter Junge und ziemlich scheu; er spricht nicht viel.« Bedeutungsvoll fügte sie hinzu: »Wenn er vernünftig ist.«
Das Fenster der Kutsche schloss sich wieder, und dann war Miss Angela verschwunden. »Nun, meine Herren«, sagte Charlie, »lassen sie uns gehen! Unser Schicksal liegt in deinen Händen, Dodger.«
In den schmutzigen Vierteln mussten alle Pläne besonders gründlich durchdacht sein, wusste Dodger. Deshalb warf er, kurz bevor sie aufbrachen, einige Viertelpennys auf den Boden, damit die Gassenkinder Besseres zu tun hatten, als ihnen zu folgen – die Möglichkeit, plötzlichen Reichtum zu ergattern, lenkte sie ab.
Dodger ging mit ausgreifenden Schritten, verlängerte den Weg durch einige schmale Gassen und kehrte in die Richtung zurück, aus der sie kamen, bis sie schließlich den zuvor ausgesuchten Gully erreichten, wo er seinen Begleitern in die Unterwelt von London verhalf, zuerst dem jungen Bediensteten, den Miss Burdett-Coutts ihnen geschickt hatte.
Als alle versammelt waren und auf die bröckeligen Ziegel und seltsamen Gewächse an den Wänden starrten, hob Dodger den Zeigefinger an die Lippen und bedeutete seinen Begleitern, leise zu sein. Dann legte er einige Schritte zurück und stieß seinen aus zwei Tönen bestehenden Pfiff aus, der weit durch den Tunnel hallte. Er wartete, bekam jedoch keine Antwort. Er rechnete an diesem Tag nicht mit anderen Toshern, aber wenn Kollegen unterwegs gewesen wären, hätten sie geantwortet, denn es war ganz allgemein vernünftig zu wissen, ob andere in der Nähe arbeiteten.
»Und nun, meine Herren …«, sagte er flott. »Willkommen in meiner Welt! Wie Sie sehen, erscheint sie in diesem Licht manchmal geradezu golden. Es ist erstaunlich, wie der Sonnenschein seinen Weg hierher findet, nicht wahr? Was halten Sie davon, Mister Disraeli?«
Disraeli, der sich mit sehr passenden und nützlichen Stiefeln ausgestattet hatte, wie Dodger zu seinem Bedauern feststellte, rümpfte die Nase und sagte: »Den Geruch kann ich nicht unbedingt empfehlen, aber es ist nicht ganz so schlimm, wie ich dachte.« Das stimmte vermutlich, denn während der vergangenen Stunden hatte sich Dodger bemüht, diesen speziellen Abwasserkanal so gründlich sauber zu machen, wie er nie zuvor gewesen war. Nicht ohne Grund. Schließlich würde Simplicity darin entlanggehen.
»Früher war es besser, als die Leute noch keine Löcher von ihren Häusern aus gebohrt haben«, erklärte er fröhlich. »Achten Sie gut auf Ihre Schritte! Und eins ist wichtig: Wenn ich Sie bitte, etwas zu tun – tun Sie es sofort und ohne Fragen zu stellen!« Auf die letzten Worte war er stolz, denn sie fügten dem Unternehmen jene geheimnisvolle Dramatik hinzu, die er für angemessen hielt. Er ließ seine Begleiter eine Zeit lang weitergehen und sagte dann im schleimigen Ton eines Würfelspielers: »Hier haben wir eine bemerkenswerte Stelle, die manchmal recht freundlich zu Toshern ist.« Er wich zurück. »Mister Disraeli, sind Sie bereit, Ihr Glück als Tosher zu versuchen? Wie ich sehe, haben Sie den Blick auf ein Gebilde dort drüben bei dem Rinnsal gerichtet, das man großzügigerweise Sandbank nennen könnte. Eine gute Wahl, Sir, wenn ich das sagen darf, und ich möchte Ihnen nun diesen Stock reichen, damit Sie Ihr Glück versuchen.«