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Und dann, in der Düsternis kurz vor Mitternacht, sagte Charlie: »Dodger, ich glaube, es gibt da ein Spiel, das man Kümmelblättchen oder auch Die Rote gewinnt nennt, aber ich bitte dich nicht darum, es mit mir zu spielen. Ich möchte nur wissen, ob es hier eine Rote zu finden gibt, die bei guter Gesundheit ist und von einem jungen Mann entdeckt werden kann, der durch den Nebel zu sehen vermag. Übrigens, Dodger, als Journalist und als ein Mann, der über Artikel und Leute schreibt, die gar nicht existieren, frage ich mich: Was hättest du getan, wenn der Ausländer überhaupt nicht erschienen wäre?«

»Du hast mich die ganze Zeit über beobachtet, Charlie«, erwiderte Dodger. »Das habe ich bemerkt. Habe ich mir irgendetwas anmerken lassen?«

»Erstaunlich wenig. Darf ich annehmen, dass die junge Dame, die wir alle auf so nachdrückliche Weise tot sahen, nicht durch deine Hand starb, wenn du mir meine Offenheit gestattest?«

Und Dodger wusste, dass das Spiel aus war, aber noch nicht unbedingt vorbei, und er sagte: »Sie war eins der Mädchen, die sich von einer Brücke stürzen, um im Fluss zu ertrinken, eine der jungen Frau, um die sie niemand kümmert. Sie wird ein anständiges Begräbnis auf einem anständigen Friedhof bekommen, und das ist mehr, als sie unter anderen Umständen zu erwarten gehabt hätte. Und das ist die Wahrheit. Mein Plan war ganz einfach. Simplicity hätte sich mit einem gewissen Bedürfnis entschuldigt, aber sie wäre nicht sofort zurückgekehrt, und ich hätte sie suchen müssen, und dann wäre es in der Dunkelheit der Kanalisation plötzlich zu einem lauten Durcheinander gekommen. Ich wäre einem unbekannten Mann begegnet, einem Fremden, der von unserem Ausflug gehört haben musste, und ich hätte tapfer gegen ihn gekämpft. Anschließend wäre ich zu dir und den anderen zurückgekehrt und hätte euch angefleht, der sterbenden Simplicity und bei der Verfolgung des Mörders durch die Abwasserkanäle zu helfen. Bedauerlicherweise wäre die Verfolgungsjagd ohne Ergebnis geblieben.«

»Und wo befindet sich die lebende Simplicity, wenn ich fragen darf?«, fragte Charlie.

»Sie ist versteckt. An einer Stelle, wo nur ein Tosher sie findet. Wir nennen diese Stelle Kessel, weil das strömende Wasser sie sauber spült. Sie hat dort ein wasserdichtes Paket mit Käsebroten und einer Flasche, die abgekochtes Wasser mit einem Schuss Brandy enthält, um die Kälte fernzuhalten.«

»Du hättest uns also alle zum Narren gehalten, Dodger.«

»Nein, keineswegs! Ihr wärt ungemein heldenhaft gewesen. Denn weder ich noch Simplicity hätten irgendjemandem davon erzählt, und eines Tages wäre der Name Charlie Dickens überall bekannt gewesen.«

Dodger gewann den Eindruck, dass Charlie streng auszusehen versuchte, in Wirklichkeit aber war er ziemlich beeindruckt und fragte: »Woher hast du die Pistole?«

»Solomon besitzt einen Nock-Bündelrevolver. Eine sehr gefährliche Waffe. Ich dachte, an alles gedacht zu haben. Bis auf dich.«

»Oh«, sagte Charlie. »Mir sind die etwas helleren Ziegelsteine aufgefallen, und ich habe mich gefragt, warum sie etwas heller sind als die anderen. Ich frage mich auch, warum du noch hier bist. Hilft es, wenn ich sage, dass ich nicht mit Dritten über meinen Verdacht sprechen werde? Denn ich bezweifle, dass mir jemand glauben würde.« Er lächelte, als er Dodgers Unbehagen bemerkte. »Dodger, du hast dich selbst übertroffen, womit ich meine, dass du ausgezeichnete Arbeit geleistet hast, und jetzt verabschiede ich mich von dir. Natürlich bin ich kein Mitglied der Regierung, dem Himmel sei Dank dafür. Ich schlage vor, du suchst Miss Simplicity auf, der inzwischen ein bisschen kalt sein dürfte.«

Davon ließ sich Dodger überrumpeln und erwiderte: »Eigentlich kann es dort unten in der Nacht recht warm sein. Die Abwasserkanäle halten die Wärme, weißt du.«

Charlie lachte laut und sagte: »Ich muss los, und du solltest dich ebenfalls auf den Weg machen.«

»Danke«, sagte Dodger. »Und danke auch dafür, dass du mir das mit dem Nebel erklärt hast.«

»O ja, der Nebel. So ungreifbar er auch sein mag, so hat er doch große Macht, nicht wahr, Dodger? Ich werde deinen Weg mit größter Aufmerksamkeit verfolgen – und auch mit einer gewissen Sorge.«

Als er gänzlich sicher war, dass sich keine Beobachter in der Nähe befanden, kletterte Dodger in die Kanalisation zurück, näherte sich dem Versteck, in dem Simplicity auf ihn wartete, und pfiff leise. Niemand sah sie gehen, niemand sah, wohin sie gingen, und der Schleier der Nacht senkte sich über London, auf die Lebenden wie die Toten.

16

Ein Brief kommt aus York, und das Geschick des Dodger gewinnt in höchsten Kreisen Anerkennung

Nebel, o ja, Nebel, der Nebel von London, für Dodger schien er zu einem bestimmten Zweck geformt zu werden, wenn Charlie und Sir Robert Peel miteinander sprachen. Es fanden einige Treffen bei Whitehall statt, und man stellte Dodger Fragen über seinen kleinen Ausflug in die Botschaft und die Unterlagen, die er mitgenommen hatte. Man hörte ihm aufmerksam zu, und es wurde gelegentlich genickt, als er erklärte, dass es ihm einfach nur darum gegangen war, demjenigen eins auszuwischen, der Simplicity und auch ihm das Leben so schwer gemacht hatte.

Den Schmuck, der mittlerweile in Solomons Schatullen lag – beziehungsweise jenen Teil, der noch nicht den Weg in die ihn willkommen heißenden Finger von Solomons Juwelierfreunden gefunden hatte –, erwähnte er nicht. Er wollte vermeiden, in Schwierigkeiten zu geraten, und erstaunlicherweise deutete alles darauf hin, dass er wegen nichts in Schwierigkeiten geraten würde.

Ein freundlich wirkender Typ mit weißem Haar und großväterlichem Gesicht schenkte ihm an einer Stelle ein strahlendes Lächeln und sagte: »Mister Dodger, offenbar haben Sie sich Zugang zur gut bewachten Botschaft einer fremden Macht verschafft und ihre Flure und Zimmer durchstreift, ohne bemerkt zu werden. Wie in aller Welt ist Ihnen das gelungen? Wären Sie vielleicht so gütig, uns das zu erklären? Und darf ich fragen, ob Sie die Möglichkeit hätten, diese ungewöhnliche Meisterleistung zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort zu wiederholen, wenn wir Sie darum bitten?«

Es dauerte eine Weile – und Charlie musste immer wieder erläuternd eingreifen –, die Voraussetzungen und Vorgehensweise eines Snakesman zu erklären. Die Darlegung endete damit, dass Dodger Charlie seine Uhr zurückgab, die er ihm nur zum Spaß gestohlen hatte, und sagte: »Möchten Sie, dass ich ein Spion werde?«

Diese Worte lösten bei den Anwesenden eine gewisse Unruhe aus, und alle Blicke richteten sich auf den weißhaarigen Herrn, der sagte: »Junger Mann, die Regierung Ihrer Majestät spioniert nicht, sie interessiert sich nur für dieses und jenes, und da sowohl Sir Robert als auch Mister Disraeli darauf hingewiesen haben, dass Sie zwar ein Schlingel sind, aber die richtige Sorte von Schlingel, von der wir mehr gebrauchen könnten, wäre der Regierung Ihrer Majestät möglicherweise daran gelegen, hin und wieder Ihre Dienste in Anspruch zu nehmen. Obwohl, das möchte ich hinzufügen, sie leugnen würde, Ihnen jemals irgendwelche Aufträge erteilt zu haben.«

»Oh, das verstehe ich, Sir«, erwiderte Dodger fröhlich. »Es ist eine Art Nebel, nicht wahr? Über Nebel weiß ich Bescheid, Sir, das versichere ich Ihnen.«

Der weißhaarige Gentleman wirkte zuerst ein wenig gekränkt, doch dann lächelte er. »Mir scheint, Mister Dodger, was den Nebel betrifft, kann Ihnen niemand etwas beibringen.«

Dodger winkte frech und sagte: »Ich habe mein ganzes Leben im Nebel verbracht, Sir.«