Eines Morgens, als sie am Fluss entlangwanderten, sagte er zu Simplicity: »Ich habe dich nie zuvor danach gefragt. Warum hattest du das Quartett Glückliche Familie dabei?«
Der Somerset-Akzent geriet ein wenig ins Wanken, als Simplicity antwortete: »Mein Mutter hat es mir gegeben, und ich habe mir immer etwas gewünscht, das ganz allein mir gehört. Ich habe mir die Karten angesehen und gedacht, dass eines Tages alles besser würde. Und jetzt, nach all dem Leid, glaube ich, dass tatsächlich alles besser geworden ist.«
Ihr Strahlen und der kleine Vortrag erfreuten Dodgers Herz. Die Freude blieb, als sie den Weg fortsetzten.
Etwa um diese Zeit in London – einer Stadt, in der die Menschen so schnell sprachen, dass man nie sah, wohin das Geld verschwand – stieg eine Dame namens Angela in Seven Dials aus einer Kutsche, die von zwei kräftig gebauten Lakaien bewacht wurde, als besagte Dame die Treppe hinaufstieg und an die Tür der Mansarde klopfte.
Solomon öffnete und sagte: »Mmm, ah, Miss Angela, danke, dass Sie gekommen sind! Darf ich Ihnen grünen Tee anbieten? Ich fürchte, Sie müssen so mit uns vorliebnehmen, wie Sie uns hier antreffen, aber ich habe so gut wie möglich sauber gemacht, und am besten achten Sie nicht auf Onan. Nach einer Weile bemerkt man den Geruch nicht mehr, glauben Sie mir.«
Angela lachte und fragte: »Haben Sie Neuigkeiten?«
»In der Tat, mmm«, entgegnete Solomon. »Ich habe einen erstaunlich gut geschriebenen Brief von Dodger bekommen, aus York, wohin er sich zurückgezogen hat, weil ihn dort nichts an die arme Simplicity erinnert.«
Angela nahm die makellos saubere Tasse Tee entgegen und sagte: »York, was Sie nicht sagen. Durchaus angemessen, wie mir scheint. Hat sich sonst noch jemand nach Dodgers Aufenthaltsort erkundigt, wenn ich fragen darf?«
Solomon füllte vorsichtig die Tasse und erwiderte: »Diese Tassen stammen aus Japan, wissen Sie? Ich finde es erstaunlich, dass sie so lange durchgehalten haben wie ich.« Er sah auf und sagte mit unbewegter Miene: »Sir Robert war so freundlich, mir vor zwei Tagen zwei seiner Constables zu schicken, und natürlich musste ich ihnen alles erzählen, was ich weiß, wie es meine Pflicht als rechtschaffener Bürger ist.« Sein Lächeln wuchs in die Breite. »Ich denke immer, dass man Polizisten belügen sollte. Es ist so gut für die Seele und auch für die Polizisten.«
Angela schmunzelte und sagte: »Mister Cohen, es überrascht Sie vielleicht – oder auch nicht –, dass ich eine Nachricht von einer namenlosen Person bekommen habe, die mir eine Örtlichkeit in London und – ist das nicht aufregend? – auch einen Zeitpunkt nennt. Klingt nach Spaß, nicht wahr?«
»Ja«, bestätigte Solomon. »Obwohl ich sagen muss, dass es in meinem Leben zu viel von solcherlei Spaß gab, weshalb ich lieber hier oben in meinen weichen Pantoffeln arbeite, wo ich nicht damit rechnen muss, dass Spaß meine Konzentration stört. Du liebe Zeit, was ist nur mit meinen Manieren? Ich habe hier köstliche Reiswaffeln, meine Teure. Sie stammen von Mister Chang und schmecken lecker. Bitte, bedienen Sie sich!«
Angela nahm eine Waffel und sagte: »Wenn Sie dem jungen Mister Dodger noch einmal begegnen sollten, so richten Sie ihm bitte aus, ich hätte Grund zu der Annahme, dass die Obrigkeit noch einmal mit ihm sprechen möchte, nicht weil er irgendetwas falsch gemacht hat, sondern weil er ihrer Meinung nach imstande ist, das eine oder andere sehr richtig zu machen, und das zum Wohle des Landes. Es steht ihm frei, das Angebot anzunehmen.« Sie zögerte einen Moment lang, bevor sie hinzufügte: »Wenn ich hier von Obrigkeit spreche, so meine ich die höchste aller Obrigkeiten.«
Solomon zeigte sich ungewöhnlich überrascht und fragte: »Und wenn Sie von der höchsten aller Obrigkeiten sprechen, meinen Sie …?«
»Nicht den Allmächtigen«, entgegnete Angela. »Zumindest nicht dass ich wüsste, aber fast: eine Dame, die Dodger gewisse Bereiche seines Lebens erleichtern könnte. Ich glaube, es handelt sich um eine Einladung, die nicht wiederholt wird, sollte sie unbeachtet bleiben.«
»Mmm, tatsächlich? In dem Fall sollte ich besser meinen guten Anzug von Jacob holen und ihn reinigen lassen, nicht wahr?«
Von Apfelwein, frischer Luft, Käse und Sternen einmal abgesehen: Das junge Paar freundete sich mit allen Bewohnern von Axbridge an und kostete auch Mauerfrüchte, die nach Auskunft der jungen Frau im Französischen escargot genannt wurden, während sie in Somerset Schnecken waren und nichts anderes zu sein versuchten.
Im Großen und Ganzen stellte das Paar für die Dorfbewohner ein liebenswertes Rätsel dar; jeder wusste etwas darüber zu erzählen, und jeder spekulierte auf seine oder ihre eigene Art und Weise. Die Frau, die sich um die Kirchenblumen kümmerte, hatte die beiden offenbar beim Fluss beobachtet, wie sie einigen Kindern ein Spiel zeigten, dass sie Glückliche Familie nannten. Ein Bauer hatte sie auf einem Tor sitzen sehen und berichtete davon, dass die junge Frau dem junge Mann offenbar das Lesen beibrachte, dabei immer wieder seine Aussprache und alles andere korrigierte, wie eine Schullehrerin, und der Bauer wies darauf hin, dass der junge Mann allem Anschein nach großen Spaß daran gefunden hatte. Dann sagte ein Kumpel des Bauern im Pub, er habe den jungen Burschen jeden Abend im weichen Gras liegen gesehen, wie er zu den Sternen hinaufblickte. Er sagte: »Man hätte meinen können, der arme Kerl sähe sie zum ersten Mal.«
Als sie sich am letzten Tag verabschiedeten, brachte sie einer ihrer neuen Freunde, der ein Pony und einen Pferdewagen besaß, die Straße hinauf zum Pub von Star. Er machte einen kleinen Umweg und zeigte ihnen eine Wiese mit einem Stein, der den Leuten zufolge – vermutlich den Leuten, die den vielen Apfelwein tranken – des Nachts manchmal lebendig wurde und tanzte.
Nachdem sie den Stein für den Fall, dass er einen kleinen Tanz für die Touristen aufführen wollte, eine Zeit lang beobachtet hatten, wandte sich Dodger an seine Freundin und sagte im besten rustikalen Ton von Somersetshire: »Ich schätze, wir sollten uns auf den Weg machen, meine Liebe.«
Sie lächelte wie die Sonne und erwiderte: »Wohin, mein Lieber?«
Dodger erwiderte das Lächeln und sagte: »London.«
Und sie sagte: »Wo die Leute so seltsam sind, nicht wie wir hier.«
Dann küsste sie ihn, und er küsste sie, und dann, mehr im Tonfall eines Londoners, fragte Dodger: »Glaubst du, dieser Stein kann tatsächlich tanzen?«
»Nun, Dodger«, entgegnete sie, »wenn es jemanden gibt, der einen Stein zum Tanzen bringen kann, so bist du das.«
Später trafen zwei junge Leute aus Somerset, die erstaunlicherweise genug Geld hatten, um mit der Kutsche zu reisen, von Bristol kommend in London ein. Völlig unbemerkt verschwanden sie in der Menge, und die junge Frau kam in einer Pension unter, während sich der junge Mann auf den Weg nach Seven Dials machte.
Am folgenden Morgen brach Dodger zu einem Spaziergang mit Onan auf und verschwand in der Kanalisation. Einem Beobachter wäre aufgefallen, dass er recht ernst wirkte und einen Beutel trug. Aber die einzigen Beobachter waren Ratten, und es ist fraglich, ob sie beurteilen können, wie ernst ein Mensch aussieht, oder ob sie überhaupt die Bedeutung von ernst kennen. Später wären sie vielleicht überrascht gewesen, ein Paar glänzender neuer Schuhe zu entdecken, versteckt hinter Unrat, an einer ausreichend hohen Stelle, um nicht vom Wasser erreicht zu werden.