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»Jared, es ist herrlich!« rief Della; sie drehte den Kopf nach allen Seiten. »Ich habe noch nie so etwas gezervt!«

»Wir müssen möglichst schnell die andere Seite erreichen«, erwiderte er gelassen. »Wo der Fluß in die Felswand strömt, müßten wir einen Tunnel finden.«

»Der Vampir?« fragte sie voller Besorgnis.

Ohne zu antworten führte er sie schnell am Fluß entlang. Viele Atemzüge später stürmten sie durch die Tunnelmündung in der gegenüberliegenden Wand — gerade als die Bestien aus dem hinter ihnen liegenden Tunnel schossen und durch die hohe Felskammer flatterten.

»Wir müssen uns verbergen!« rief Jared. »Sie holen uns binnen eines Herzschlags ein!«

Sie stapften durch den Fluß, und die Echos verrieten eine Öffnung in der Felswand zur Linken, die eben groß genug war, sie aufzunehmen. Er folgte Della durch den Spalt und fand sich in einer Nische, die kaum größer war als eine Wohngrotte. Della sank erschöpft zu Boden; Jared setzte sich neben sie und lauschte dem Kreischen der Fledermäuse, die sich draußen versammelt hatten.

Della lehnte ihren Kopf an seine Schulter. »Glaubst du, daß wir die Zerverwelt jemals finden werden?«

»Warum willst du denn um jeden Preis dorthin?«

»Ich — nun, vielleicht aus demselben Grund wie du.«

Sie konnte natürlich seinen wirklichen Beweggrund nicht kennen — oder doch? »Wir gehören einfach in diese Welt, nicht wahr?«

»Mehr als das, Jared. Bist du sicher, daß du dort nicht doch — auch Leute findest?«

»Was für Leute?«

Sie zögerte. »Deine Verwandten.«

Er runzelte die Stirn. »Ich habe dort keine Verwandten.«

»Dann mußt du wohl ein Originalzerver sein.«

»Bist du denn das nicht auch?«

»O nein. Weißt du, ich bin — unehelich geboren.« Und schnell fügte sie hinzu: »Ändert das irgend etwas — zwischen uns, meine ich?«

»Aber nein.« Das klang noch zu förmlich. »Bei der Strahlung, nein!«

»Ich bin so froh, Jared.« Ihre Wange berührte seinen Arm. »Natürlich wußte niemand als meine Mutter davon.«

»Sie war auch Zerver?«

»Nein. Mein Vater.«

Er horchte nach draußen. Die kreischenden Vampire begannen sich enttäuscht zurückzuziehen.

»Aber das verstehe ich nicht«, meinte er.

»Es ist doch ganz einfach.« Sie zuckte die Achseln. »Als meine Mutter wußte, daß sie mich erwartete, ging sie eine Verbindung mit einem Überlebenden vom Oberen Schacht ein. Man dachte allgemein, ich sei nur ein bißchen zu früh gekommen.« — »Du meinst«, fragte er vorsichtig, »deine Mutter und — ein Zerver —?«

»Oh, so war es nun auch nicht. Sie wollten offiziell eine Verbindung eingehen. Zufällig begegneten sie einander einmal in einem Tunnel — und danach noch sehr oft. Schließlich beschlossen sie, davonzugehen, eine kleine Welt für sich allein zu finden. Auf dem Weg dorthin stürzte sie in einen Krater, und er kam ums Leben, als er sie rettete. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als zum Oberen Schacht zurückzukehren.«

Jared empfand starkes Mitgefühl mit dem Mädchen. Er konnte verstehen, wie sehr sich Della nach der Zerverwelt gesehnt haben mußte. Er hatte seinen Arm um sie gelegt und sie zu sich herangezogen. Aber jetzt ließ er sie los, weil ihm die Verschiedenheit allzu deutlich zum Bewußtsein kam. Es lag nicht nur am körperlichen Unterschied zwischen Zerver und Nicht-Zerver. Eine große Kluft anderen Denkens mit eigenen Werten und Maßstäben lag dazwischen. Und er konnte beinahe begreifen, daß der Zerver mit Verachtung auf jeden herabsah, für den Zerven eine unverständliche Funktion blieb.

Im Korridor hielten sich keine Vampire mehr auf. Er sagte: »Wir machen uns am besten wieder auf den Weg.«

Aber sie blieb sitzen, starr und atemlos. Er glaubte, in diesem Augenblick schwache, raschelnde Laute zu vernehmen. Um sicherzugehen, holte er seine Echosteine hervor. Sofort gewann er Eindrücke vieler kleiner, bepelzter Formen. Jetzt hörte er auch das federleichte Tappen von Insektenfüßen auf Gestein.

Della schrie auf und sprang in die Höhe. »Jared, das ist eine Spinnenwelt! Gerade hat mich eine in den Arm gebissen!«

Als sie auf den Ausgang zurannten, taumelte sie schon. Sie brach zusammen, und er fing sie auf, schob sie in den Tunnel hinaus und kroch hinter ihr nach. Aber zu spät. Eines der winzigen, haarigen Wesen hatte sich auf seine Schulter fallen lassen. Bevor er es abschütteln konnte, spürte er den heißen, scharfen Stich des giftigen Stachels.

Ohne seine Speere loszulassen, stemmte er Della auf seine Schulter und wankte den Tunnel entlang. Das Gift verbreitete sich in seinem Arm, griff in die Brust, in den Kopf.

Aber er quälte sich aus mehr als einem zwingenden Grund weiter: Er durfte hier nicht das Bewußtsein verlieren — die Vampire konnten jederzeit zurückkommen; er durfte auch nicht stehenbleiben, bevor sie eine heiße Quelle erreichten, wo er dampfende Umschläge herstellen und sich um die Wunden kümmern konnte.

Er stieß gegen einen Felsblock, taumelte, stand eine Weile schwankend da und stolperte dann weiter. Nach der nächsten Biegung watete er durch einen Flußarm und brach zusammen, als er wieder trockenen Boden unter den Füßen hatte.

Der Fluß strömte durch die Felswand davon, und vor ihnen erstreckte sich ein breiter, trockener Tunnel. Er zog sich mit der Hand vorwärts, die noch die Speere umklammert hielt, und zerrte Della mit sich. Dann blieb er liegen und lauschte einem tropfenden Geräusch, das mit melodiöser Monotonie immer wiederkehrte. Seine Speerspitze berührte Fels, und das Echo vermittelte einen Eindruck des Tunnels.

Er schien seltsam vertraut, mit dem schlanken, hängenden Stein, von dem kaltes Wasser in den kleinen Teich tropfte, nicht allzuweit von einem einzelnen, scharf abgezeichneten Krater entfernt. Jared fühlte, daß er schon oft hiergewesen war, daß er neben der feuchten Felsnadel gestanden und sie mit den Händen berührt hatte.

Und im letzten Augenblick, bevor er das Bewußtsein verlor, erkannte er alle Einzelheiten des Ganges aus der geträumten Welt der Guten Frau.

10

Jared zuckte vor den absurden Eindrücken, den widersprechenden Bildern der physischen Orientierung zurück. Er spürte, daß er immer noch im Korridor nahe der tropfenden Felsnadel lag. Gleichzeitig wußte er aber mit derselben Sicherheit, daß er sich woanders befand.

Das Tropfen verwandelte sich in müdes Klopfen und wieder zurück. Die rauhe Härte des Gesteins unter seinem fiebernden Körper wurde zeitweise zur Weichheit von Mannahalmen, auf einer Schlafbank aufgeschüttet.

War dieser Mann aber alt! Ohne die Bewegung seiner Hand hätte man ihn für ein Skelett halten können. Der Kopf, zitternd vor Altersschwäche, glich einem Totenschädel. Und der Bart, dünn und ungepflegt, schleifte am Boden, verbarg sich in der Unhörbarkeit.

Klopf-klopf-klopf… platsch-platsch…

Jared war wieder im Tunnel. Und wie Laute, die ineinander verschmelzen, hatte sich der Bart in den feuchten, hängenden Stein verwandelt.

»Beruhige dich, Jared. Alles ist in Ordnung.«

Beinahe wäre er aus seinem Traum aufgeschreckt. »Gute Frau!«

»Es ist vielleicht weniger peinlich, wenn du mich einfach Lea nennst.«

Er zerbrach sich den Kopf über diesen Namen und dachte dann: »Ich träume wieder.«

»Im Augenblick, ja.«

Eine andere, besorgte Stimme meldete sich: »Lea! Wie geht es ihm?«

»Er kommt langsam zu sich.«

»Ich höre es. — Jared?«

Jared jedoch war in den Tunnel zurückgekehrt — wenn auch nur für einen Moment. Bald befand er sich wieder auf der Mannafasermatratze in einer kleinen Welt, wo sich die verschwommenen Umrisse einer Frau erkennen ließen, die sich über ihn beugte. An der Wand saß ein unfaßbar alter Mann und klopfte mit dem Finger an einen Stein.