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»Jared«, sagte die Frau, »die andere Stimme eben gehörte Ethan.«

»Ethan?«

»Du hast ihn als Kleinen Lauscher gekannt, bevor wir seinen Namen änderten. Er war auf der Jagd, kommt aber eben zurück.«

Jareds Verwirrung wuchs.

Mehr, um ihn zu beruhigen, als aus irgendeinem anderen Grund, wie Jared spürte, sagte die Frau: »Ich kann noch gar nicht glauben, daß du nach so langer Zeit den Weg hierher gefunden hast.«

Er wollte etwas erwidern, aber sie unterbrach ihn: »Erkläre nichts. Ich habe alles aus deinen Gedanken erfahren — was du in den Tunnels getan hast, wie du gebissen worden —«

»Della!« rief er, als die Erinnerung zurückkehrte.

»Du brauchst dich um sie nicht zu sorgen. Ich habe euch rechtzeitig gefunden.«

Schlagartig begriff er, daß er wach war, und daß die letzten Worte der Guten Frau gesprochen waren.

»Nicht ›Gute Frau‹, Jared — Lea.«

Er staunte über den Höreindruck dieser Frau. Er betastete ihr Gesicht, ihre Schultern und Arme. Sie war ja überhaupt nicht alt!

»Was hast du erwartet — so etwas wie den Ewigen Mann?« schickte sie ihre Gedanken zu ihm. »Ich war ja praktisch noch ein Kind, als ich dich zu besuchen pflegte.«

Er lauschte angestrengter. Hatte sie ihm nicht einmal erzählt, daß sie seine Gedanken nur zu erreichen vermochte, wenn er schlief?

»Nur wenn du sehr weit weg bist und schläfst«, stellte sie klar. »Bei dieser Nähe brauchst du nicht zu schlafen.«

Er studierte die Echos. Sie war vielleicht etwas größer als Della. Aber ihre Figur konnte jeden Vergleich mit Della aushalten, trotz der neun oder zehn Schwangerschaftsperioden Altersunterschied. Sie hielt die Augen geschlossen und trug das Haar an den Seiten schulterlang, während es vorne bis zu den Brauen hinabreichte.

Dann wandte er seine Aufmerksamkeit der Umgebung zu und erkannte eine kleine, schäbige Welt mit vereinzelten heißen Quellen, jede von Mannapflanzen umgeben; ein Flußarm kam aus der Felswand, kehrte wieder in sie zurück; in der Nähe noch eine Schlafbank — Della, schlafend. Alle diese Eindrücke gewann er aus den Echos des klopfenden Fingers des — des Ewigen Mannes?

»Richtig«, bestätigte Lea.

Er stand auf, fühlte sich nicht so schwach, wie er erwartet hatte, und machte sich auf den Weg.

»Wir stören ihn nicht, bis er mit dem Klopfen aufhört«, sagte Lea.

Jared kehrte um, blieb vor der Frau stehen, glaubte immer noch nicht, daß er sich wirklich hier befand, in dieser lächerlichen Traumwelt. »Woher wußtest du, daß ich draußen im Tunnel lag?«

»Ich habe euch kommen hören.« Und er vernahm die unausgesprochene Erklärung, daß ›hören‹ in diesem Fall nichts mit Schall zu tun hatte.

Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Und ich höre auch aus deinen Gedanken, daß Della zu den Zervern gehört.«

»Sie hält mich auch für einen.«

»Ja, ich weiß. Und ich habe Angst. Ich begreife nicht, was du vorhast.«

»Ich —«

»Oh, ich weiß, was du denkst. Aber ich verstehe es trotzdem nicht. Du willst in die Zerverwelt, um dort nach der Dunkelheit zu suchen.«

»Auch nach Licht. Und nur durch Della kann ich jemals hineinkommen.«

»Das höre ich. Aber woher willst du ihre Pläne kennen? Ich traue ihr nicht, Jared.«

»Das kommt nur davon, daß du nicht hören kannst, was sie denkt.«

»Kann sein. Vielleicht bin ich so sehr daran gewöhnt, Gefühle und Absichten zu hören, daß ich hilflos bin, wenn ich nur nach äußeren Eindrücken gehen muß.«

»Du wirst Della aber nicht sagen, daß ich nicht wie sie bin?«

»Wenn du es nicht willst, bitte. Wir lassen sie einfach in dem Glauben, daß du der einzige Zerver bist, in dessen Gedanken ich eindringen kann. Aber hoffentlich weißt du auch, was du tust.«

Der Kleine Lauscher stürmte herein, und es war bemerkenswert, daß seine überschwengliche Begrüßung Della nicht weckte und von dem Alten ignoriert wurde, der sein Klopfen nicht unterbrach.

»Jared! Wo bist du?«

»Hier herüben!« Jared wurde plötzlich von Erregung befallen, als es eine Bekanntschaft zu erneuern galt, die er nicht einmal für wirklich gehalten hatte.

»Er kann dich nicht hören — erinnerst du dich?« sagte Lea.

»Aber er läuft doch geradewegs auf uns zu!« Dann zerbrach er sich den Kopf über den Geruch — nach Grillen? —, der vom Kleinen Lauscher ausging.

»Ethan«, korrigierte Lea. »Und es sind wirklich Grillen. Er hat immer einen Beutel voll Grillen bei sich: Unhörbare Grillenlaute liefern ihm ebensogute Echos wie dir deine Echosteine.«

Inzwischen war der andere herangekommen und umarmte Jared stürmisch, schwenkte ihn so mühelos herum, wie ein Bündel Mannahalme.

Jareds Freude über die Begegnung wurde etwas gedämpft durch sein Staunen über Ethans riesige Gestalt. Es war ganz gut, daß man ihn schon wegen seines ungewöhnlichen Hörvermögens aus dem Oberen Schacht verbannt hatte, sonst wäre er sicherlich später wegen seiner beinahe unmenschlichen Größe vertrieben worden.

»Du Sohn eines Vampirs!« lachte Ethan. »Ich hab' doch gewußt, daß du einmal auftauchen würdest!«

»Beim Licht, ich freue mich —« Jared verstummte plötzlich, als zitternde, starke Finger sanft seine Lippen berührten.

»Laß ihn«, sagte Lea. »Nur auf diese Weise kann er erfahren, was du sprichst.«

Sie verbrachten den größten Teil der Periode damit, sich über ihre Kindheitsbegegnungen zu unterhalten. Und Jared mußte ihnen von den Welten der Menschen berichten, erklären, wie es war, wenn man mit vielen Leuten zusammenlebte, die letzten Streiche der Zerver erzählen.

Einmal unterbrachen sie ihr Gespräch, um Nahrung aus einem Kochkrater zu holen und dem Ewigen Mann davon zu bringen. Aber das alte Geschöpf ignorierte sie immer noch.

Später sagte Jared auf eine Frage Leas: »Warum ich in die Zerverwelt möchte? Weil ich das Gefühl habe, daß dort der richtige Ort ist, nach Dunkelheit und Licht zu forschen.«

Ethan schüttelte den Kopf. »Vergiß das. Du bist hier; bleib bei uns.«

»Nein. Ich muß es einfach versuchen.«

»Großer Vampir!« fluchte der andere. »Solche Ideen hast du doch früher nie gehabt!«

In diesem Moment bemerkte Jared, daß Della sich rührte.

Er eilte hinüber und kniete vor der Bank. Er berührte ihr Gesicht, aber es war kühl und trocken. Sie hatte also das Fieber überwunden.

»Wo sind wir?« fragte sie mit schwacher Stimme.

Er begann es ihr zu erklären, aber bevor er halbwegs zu Ende kam, war sie wieder eingeschlafen.

Während der nächsten Periode machte Della ihre Untätigkeit in der vergangenen mehr als wett. Daß sie bei Jareds Erklärungen und dem Zusammentreffen mit Lea nachdenklich geschwiegen hatte, ließ ahnen, daß sich in ihr etwas vorbereitete.

Als sie später allein neben einer heißen Quelle knieten und frische Umschläge auf ihre Spinnenbißwunde legte, erfuhr er den Grund ihrer Zurückhaltung.

»Wann bist du zum letztenmal hier gewesen?« fragte sie.

»Oh, vor so vielen —«

»Ach, hör doch auf!« Sie wandte sich ab. »Ich muß sagen, deine Gute Frau ist eine große Überraschung.«

»Ja, sie —« Dann begriff er erst, worauf sie anspielte.

»Gute Frau — sie wird schon recht gut gewesen sein!«

»Du glaubst doch nicht etwa —«

»Warum hast du mich mitgenommen? Du hast wohl gedacht, dieser tölpelhafte Riese ist an einer Partnerin interessiert?«

Dann schlug ihre Stimmung plötzlich um. »Oh, Jared, hast du denn die Zerverwelt schon vergessen?«

»Natürlich nicht.«

»Dann wollen wir auch weiterziehen.«

»Du verstehst das nicht. Ich kann nicht einfach davonlaufen. Lea hat uns beiden das Leben gerettet. Wir sind bei Freunden!«

»Freunde!« Sie räusperte sich. »Du und deine Freunde!«