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»Mauern im Viereck?«

»Sie hatten wahrscheinlich eine Vorliebe für die Geometrie.« Owen wich zurück. »Verschwinden wir lieber! Es heißt, die Strahlung ist nicht allzuweit von der Ursprungswelt.«

»Vielleicht sagt man das nur, um uns fernzuhalten.«

»Ich komme langsam auf den Gedanken, daß du überhaupt nichts glaubst.«

»Selbstverständlich glaube ich — an das, was ich hören, fühlen, schmecken oder riechen kann.« Jared drehte sich zur Seite, und die Echos richteten sich nach einer Öffnung in einer der Wohnungen aus.

»Fledermaus!« flüsterte er, als der Echostrom das Bild des in der Kammer hängenden Tieres zurücktrug. »Nimm du den Speer. Diesmal entwischt sie uns nicht!«

Vorsichtig näherte er sich dem Gebäude auf Pfeilschußweite. Die Echosteine verstaute er in seiner Tasche. Er brauchte sie jetzt nicht — solange das Atmen des Tieres so deutlich wie das Schnauben eines wütenden Stiers zu ihm drang.

Er legte einen Pfeil auf die Sehne, steckte einen zweiten in den Gürtel, um ihn gleich bei der Hand zu haben. Hinter sich hörte er Owen den Speerschaft in den Boden rammen. Dann fragte er: »Fertig?«

»Los«, erwiderte Owen. Und seine Stimme zitterte nicht. Das letzte Echo war verklungen, die Entscheidung gefallen.

Jared zielte auf das zischende Geräusch und ließ die Bogensehne los.

Der Pfeil pfiff durch die Luft und prallte gegen etwas Massives — zu massiv, als daß es ein Tierleib hätte sein können. Kreischend vor Wut fegte die Fledermaus auf sie zu. Jared setzte den zweiten Pfeil an, ließ ihn davonschnellen und duckte sich.

Die Bestie schrie gellend auf. Dann stürzte sie zu Boden, und fauchend zischte zum letztenmal die Luft aus den großen Lungen.

»Im Namen des Lichts!« rief Owen. »Befrei' mich von der stinkenden Kreatur!«

Grinsend klopfte Jared mit dem Bogen auf den Felsboden und empfing die Lauteindrücke eines seltsamen Durcheinanders — Fledermaus, Mensch, zerbrochener Speer, herausragender Pfeilschaft.

Owen kroch mühsam unter dem riesigen Tier hervor. »Na, jetzt haben wir das verdammte Ding. Können wir jetzt endlich heimgehen?«

»Sobald ich hier fertig bin.« Jared brach bereits die Fangzähne heraus.

Fledermäuse und Zerver. Die Leute im oberen und unteren Schacht konnten hoffen, daß die ersteren eine nach der anderen beseitigt wurden. Aber was half gegen die anderen? Was könnte gegen Wesen nützen, die keine Echosteine gebrauchten, trotzdem aber alles über ihre Umgebung wußten? Eine unheimliche Fähigkeit, die niemand zu erklären vermochte, wenn man nicht wie die anderen wiederholen wollte, daß sie von Kobalt oder Strontium besessen waren.

Nun ja, dachte Jared, es war prophezeit, daß der Mensch alle seine Feinde niederringen würde. Das galt also wohl auch für die Zerver, obwohl er glaubte, daß auch diese menschlich waren — in gewisser Weise.

Er stemmte den ersten Fangzahn heraus, und aus irgendeinem Winkel seines Gehirns drangen Erinnerungen an die Lehren der Kindheit zur Oberfläche.

›Was ist Licht?

Licht ist ein Geist.

Wo ist Licht?

Ohne das Böse im Menschen wäre Licht überall.

Können wir Licht fühlen oder hören?

Nein, aber im Jenseits werden wir es alle sehen.‹

Unsinn! Im übrigen konnte niemand das Wort ›sehen‹ erklären. Was täte man mit dem Allmächtigen Licht, wenn man es sähe?

Er verstaute die Fangzähne in seiner Tasche, stand auf und lauschte. Hier gab es etwas, wovon weniger vorhanden sein mochte als in den anderen Welten — etwas, das der Mensch ›Dunkelheit‹ nannte und als Sünde und das Böse definierte. Aber was war es?

»Jared, komm her!«

Er benützt die Echosteine, um Owens Position auszumachen. Die Echos zeigten seinen Freund neben einer dicken Stange stehen, die sich so geneigt hatte, daß sie beinahe auf dem Boden lag. Er fühlte ein Objekt, das von dem hochragenden Ende herabbaumelte — etwas Rundes, Sprödes, das klare, hallende Töne zurückwarf.

»Es ist eine Birne!« rief Owen. »Genau wie die Reliquie des Allmächtigen Lichts beim Kustos!«

Jareds Gedächtnis förderte weitere Glaubenssätze zutage:

›Das Allmächtige Licht war so mitleidig, daß es bei der Verbannung des Menschen aus dem Paradies Teile seiner selbst zu uns sandte. Und es verweilte in vielen kleinen Gefäßen wie dieser heiligen Birne.‹

Irgendwo aus den Wohnungen kam ein Geräusch.

»Licht!« fluchte Owen. »Riechst du das?«

Jared roch es. Der Geruch war so entsetzlich fremdartig, daß ihm die Haare zu Berge standen. Verzweifelt klapperte er mit den Echosteinen und trat den Rückzug an.

Die Echos brachten ein unglaubliches, durcheinandergeratenes Lautmuster — Eindrücke von etwas Menschenähnlichem und doch nicht Menschlichem; unfaßbar böse, weil es andersartig war, dennoch bannend, weil es zwei Arme und Beine und einen Kopf zu haben schien, weil es mehr oder weniger aufrecht ging. Es näherte sich, versuchte sie zu überraschen.

Jared griff in seinen Köcher. Aber er hatte alle Pfeile verschossen. Entsetzt warf er den Bogen fort und wandte sich zur Flucht.

»Oh, Licht!« stöhnte Owen und hastete zum Ausgang. »Was ist es denn?«

Aber Jared konnte nichts erwidern. Er brauchte seine ganze Kraft dazu, den Ausgang zu finden, während er das Unheimliche belauschte. Es stank bestialischer als tausend Fledermäuse.

»Es ist Strontium in Person!« entschied Owen. »Die Legenden sind wahr! Die beiden Teufel sind hier!« Er drehte sich um und rannte zum Ausgang, mit seinen eigenen Schreien die leitenden Echos liefernd.

Jared stand wie angewurzelt, gelähmt von einer unbegreiflichen Erfahrung. Sein Höreindruck von der monströsen Gestalt war deutlich: Es schien, als bestünde der ganze Körper des Wesens aus flatternden Fleischstreifen. Aber da war noch etwas anderes — eine vage, doch lebhafte Brücke geräuschloser Echos, die Entfernung bis zu dem Wesen überspannend und hinabtauchend in die Tiefen seines Bewußtseins.

Laute, Gerüche, der Druck der Felsen und aller Dinge um ihn — alles schien in sein Wesen zu dringen, Schmerz mit sich zu führen. Er preßte die Hände aufs Gesicht und rannte Owen nach.

Über seinem Kopf zischte etwas dahin, und einen Augenblick später schrie Owen entsetzt auf. Dann hörte Jared, wie sein Freund zusammenbrach, am Eingang zur Ursprungswelt.

Er erreichte die Stelle, an der Owen lag, warf den Bewußtlosen über die Schulter und hastete weiter.

Wieder das surrende Zischen.

Etwas streifte ihn am Arm, hinterließ tropfende Flüssigkeit. Im nächsten Augenblick stolperte er, stürzte, raffte sich wieder auf und raste mit seiner schweren Last weiter. Plötzlich überfiel ihn eine unerklärliche Schwäche.

Er taumelte gegen die aufgetürmten Felsblöcke und tastete sich den Weg um die Gesteinswand. Dann wankte er in einen Spalt und stürzte mit Owen zu Boden, im selben Augenblick verlor er das Bewußtsein.

2

»Allmächtiges Licht! Verschwinden wir!«

Owens Flüstern weckte Jared. Er richtete sich auf. Dann, als er sich an die Ursprungswelt und ihre Schrecken erinnerte, wich er zurück.

»Es ist schon verschwunden«, beruhigte ihn der andere.

»Bist du sicher?«

»Ja. Ich habe es überall lauschen hören. Dann verschwand es. Was, im Namen der Strahlung war es nur — Kobalt? Strontium?«

Jared kroch zwischen den Felsblöcken hervor und suchte nach einem Paar seiner Echosteine. Er verzichtete aber dann lieber darauf, Lärm zu machen.

Owen schauderte. »Dieser Geruch! Und diese Gestalt!«

»Und das andere Gefühl!« Jared fluchte. »Es war wie — man kann es nicht beschreiben!«

Er schnippte leise mit den Fingern, wertete die reflektierten Laute aus und umschritt einen großen, hängenden Stein, der in graziösen Kaskaden herabsank und sich mit einem aufstrebenden Hügel verband.