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Dämonen der Strahlung gab es in großer Anzahl, wie er sich jetzt entsann. Und man schrieb ihnen die Fähigkeiten schleichenden Eindringens, einfallsreicher Vermummung und völliger, andauernder Verseuchung zu.

Della kam auf dem lockeren, unebenen Boden nur langsam vorwärts. Und das Knirschen des Gerölls unter ihren Füßen ließ Jared den Weg deutlich erkennen.

Er dachte an die Begegnung mit dem Wesen im Tunnel. Der lautlose Schall, den es an die Wand geworfen hatte, war äußerst bemerkenswert, wenn man erst einmal die erste Furcht überwunden hatte. Er erinnerte sich daran, wie deutlich er die Einzelheiten der Felswand gehört — oder gefühlt oder vielleicht gezervt zu haben schien. Jede kleinste Vertiefung, jeder Riß, jede Ausbuchtung war ihm vermittelt worden.

Dann erstarrte er, als ihm etwas einfiel, das der Kustos vor nicht allzulanger Zeit gesagt hatte — daß das Licht im Paradies alles berührt und dem Menschen dadurch volle Erkenntnis aller Dinge beschert habe. Aber das Material, das die Ungeheuer erzeugten und an die Wand warfen, konnte doch nicht das Allmächtige Licht sein! Und bei diesem Tunnel konnte es sich doch nicht um das Paradies gehandelt haben!

Nein. Es war unmöglich. Dieser dünne Stoff, von der menschenähnlichen Kreatur so lässig durch den Tunnel geworfen, war nicht Licht gewesen. Daran bestand für ihn nicht der geringste Zweifel.

Während sie durch den Tunnel schritten, wandten sich seine Gedanken einem anderen Problem zu. Für den Augenblick schien es, als könnte er genau bestimmen, wovon in diesem Tunnel weniger vorhanden war! Aber das Ganze zeigte sich zu undeutlich, als daß Grübeleien erfolgversprechend gewesen wären. Es mußte Wunschdenken sein, das ihm vorgaukelte, er würde in diesem abgelegenen, verlassenen Gang zufällig auf den Gegensatz des Lichts, auf Dunkelheit stoßen.

Della blieb vor einer Öffnung in der Wand stehen und zog ihn zu sich heran. »Zerv diese Welt!« rief sie lebhaft.

Der in das Loch fegende Wind blies kühl an seinen Rücken, als er stehenblieb, der wunderbaren Musik eines gurgelnden Stromes lauschte und mit Hilfe der Echos andere Merkmale der mittelgroßen Welt studierte.

»Was für ein herrlicher Ort!« sagte sie aufgeregt. »Ich kann fünf oder sechs heiße Quellen zerven, und mindestens ein paar hundert Mannapflanzen. Und die Flußufer — dort wimmelt es von Salamandern!«

Der Widerhall ihrer Worte zeigte ein genaues Bild ihrer Umgebung. Und Jared entdeckte anerkennend mehrere natürliche Grotten in der Wand zur Linken, eine hochgewölbte Decke, die gute Luftzirkulation zuließ, und glatten, ebenen Boden ringsumher.

Sie hängte sich bei ihm ein, und gemeinsam betraten sie die Welt. Der vom Korridor eindringende Wind verlieh der Luft erfrischende Kühle; sie war angenehmer zu atmen als die des Unteren Schachts. »Ob das die Welt ist, die meine Mutter zu erreichen versuchte?« fragte Della leise.

»Ein besseres Zuhause hätte sie nicht finden können. Ich würde sagen, daß die Gegend hier eine große Familie und alle ihre Nachkommen für mehrere Generationen ernähren kann.«

Sie setzten sich auf eine Anhöhe am Fluß, und Jared lauschte den Geräuschen großer Fische unter der Wasseroberfläche, während Della die Nahrung aus ihrer Tasche aufteilte.

Nach einer Weile prüfte er ihr Schweigen und entdeckte, daß sie wieder unsicher geworden war.

»Dich beunruhigt etwas, nicht wahr?« fragte er.

Sie nickte. »Ich verstehe das mit Lea und dir immer noch nicht. Ich kann jetzt zwar hören, daß sie dich in deinen Träumen besucht hat. Du sagtest aber doch selbst, daß sie in den Verstand eines Zervers nicht eindringen kann.«

Für ihn stand nun fest, daß sie von seiner Unfähigkeit, zu zerven, nichts wußte. Denn wenn sie an Verrat dächte, würde sie ihn niemals dahinterkommen lassen, daß sie ihn verdächtigte.

»Ich habe dir schon einmal erklärt, daß ich mich wahrscheinlich von anderen Zervern ein wenig unterscheide«, meinte er. »Im Augenblick zerve ich ein halbes Dutzend Fische im Fluß. Du kannst nicht einen einzigen erkennen.«

Sie legte sich zurück und verschränkte die Arme unter dem Kopf. »Ich hoffe nur, daß du dich nicht zu sehr unterscheidest. Ich möchte mich nicht — minderwertig fühlen müssen.«

Ihre Worte trafen ihn mit unbeabsichtigtem Hohn. Er wußte, daß seine Minderwertigkeit ihr gegenüber ihm bisher alles vergällt hatte.

»Wenn wir nicht nach der Zerverwelt suchten«, sagte sie gähnend, »wäre das hier ein schöner Aufenthalt, nicht wahr?«

»Vielleicht wäre es das beste, wirklich hierzubleiben.«

Er streckte sich neben ihr aus, und sogar mit den winzigen Echos seiner Atemzüge fing er die anziehenden Formen des schönen Gesichts auf, die sanften, weichen Konturen ihrer Schultern, Hüften —

»Das ist vielleicht — eine gute Idee«, meinte sie schläfrig, »wenn wir — uns entschlössen —«

Er wartete. Aber sie schlief schon.

Er drehte sich auf die Seite, legte seinen Kopf auf die Arme und verbannte die rührseligen, sehnsüchtigen Gedanken, die seine Aufgabe zu verdunkeln drohten. Er mußte allerdings zugeben, daß es angenehm wäre, hier in dieser abgelegenen Welt mit Della zu bleiben und sich für immer die Zerver, menschenähnlichen Ungeheuer, Fledermäuse, Oberen und Unteren Schächte, Pflichten eines Überlebenden und all die Fesseln der Förmlichkeit und Bindungen der Gesetze aus dem Kopf zu schlagen. Ja, und auch die hoffnungslose Suche nach Licht und Dunkelheit.

Aber dieser Weg stand ihm nicht offen. Della gehörte zu den Zervern — sie war eine ihm überlegene Andersartige. Und er würde immer zu ihr und ihren größeren Fähigkeiten auflauschen müssen. Das würde nicht gut gehen. Wie hatte er einmal einen Zerver bei einem Überfall sagen hören: »Ein Zerver ist hier unten dasselbe wie ein Einohriger in einer Welt von Tauben.«

Das war es. Er gliche stets einem Krüppel, den Della bei der Hand führen mußte. Und in ihrer unbegreiflichen Welt murmelnder Luftströmungen und geheimnisvoller Erkenntnis der Umwelt würde er sich verloren und einsam vorkommen.

Selbst aus den Tiefen des Schlafes konnte er feststellen, daß er lange neben dem Mädchen geruht hatte — vielleicht eine ganze Schlafperiode, oder länger. Und er mußte beinahe wach gewesen sein, als er die Schreie hörte.

Er wäre aus dem Schlaf gerissen worden, wenn sie von Della gekommen wären. Aber sie schienen aus den Tiefen seines Innern zu dringen, erzeugt in einem Wirbel gezielter Angst —

Dann erkannte er Lea hinter den verzweifelten, lautlosen Rufen. Er versuchte, Sinn aus dem Durcheinander wilder Eindrücke zu gewinnen. Aber Lea war in einer Panik befangen; sie vermochte ihr Entsetzen nicht in Worte zu fassen.

Als er in die Empfindungen schrecklichen Staunens und Ekels hinabtauchte, fing er bruchstückhafte Impressionen auf — Schreien und Rufen, hastende Füße und dröhnende Ausbrüche lautlosen Schalls, die höhnend über Wände tanzten, wie sie aus seinen Kindheitserinnerungen emportauchten, gelegentlich auch ein surrendes Zischen.

Das Bild war unverwechselbar: Die menschlichen Ungeheuer hatten Leas Welt entdeckt!

»Jared! Jared! Vampire — im Tunnel!« Della rüttelte ihr» wach.

Er ergriff seinen Speer und sprang auf. Die erste von drei oder vier Bestien hatte sie beinahe erreicht. Er konnte gerade noch Della zu Boden werfen und seinen Speer für den Aufprall abstemmen.

Der erste Vampir kreischte heran und wurde von der Speerspitze durchbohrt. Die Lanze brach auseinander, und das Tier stürzte mit gellendem Schrei ab.

Die anderen Vampire kamen im Sturzflug näher.

Er schleuderte das Mädchen in den Fluß und sprang ihr nach. In Herzschlagschnelle trug die Strömung, deren Gewalt er unterschätzt hatte, Della davon — zur Felswand, wo der Fluß in einem unterirdischen Kanal verschwand.

Er hörte, daß er sie nicht rechtzeitig zu überholen vermochte, aber er schwamm trotzdem weiter. Die Flügelspitze eines Vampirs peitschte vor ihm das Wasser, scharfe Klauen verfehlten ihn knapp.