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Was war wohl aus ihr geworden? Vielleicht versuchte sie jetzt, ihn aus den Tiefen der Strahlung zu erreichen. Solange er nicht schlief, würde er das nicht erfahren.

Den Rest dieser Periode verbrachte er meistens schlafend, weil er hoffte, daß sie sich wieder melden würde. Aber sie blieb stumm.

Gegen Ende der dritten Periode seiner Gefangenschaft entdeckte er ein schwaches Geräusch vor der Hütte — ein Huschen, das nah genug war, trotz des rauschenden Wasserfalls hörbar zu werden. Dann fing er Dellas Duft auf, als sie heraneilte und sich gegen die Außenwand preßte.

»Jared!« flüsterte sie.

»Verschwinde!«

»Aber ich möchte dir doch helfen!«

»Du hast mir schon genug geholfen.«

»Überlege doch einmal. Wäre ich noch in Freiheit, wenn ich vor Mogan anders gesprochen hätte?«

Er lauschte, als sie am Seilschloß hantierte. »Du hast wohl nur auf die erste Gelegenheit gewartet, mich zu befreien«, meinte er uninteressiert.

»Natürlich. Sie kam erst jetzt — als die Zerver Lärm im Tunnel hörten.«

Das letzte Seil löste sich, und Della trat ein.

»Geh zurück zu deinen Zerverfreunden«, murrte er.

»Beim Licht, du bist eigensinnig!« Mit einem Beinmesser machte sie sich an seinen Fesseln zu schaffen. »Kannst du durch den Fluß zurückschwimmen?«

»Was nützt das?«

»Du kannst in eine der Schachtwelten zurückkehren.«

Seine Gelenke waren frei. »Ich bezweifle, ob sich eine Rückkehr überhaupt lohnt, selbst wenn man dort nicht glaubte, daß ich ein Zerver bin.«

»Dann also in eine der abgelegenen Welten.« Noch einmal fragte sie: »Kannst du den Fluß durchschwimmen?«

»Ich glaube schon.«

»Also gut — dann los.« Sie wollte die Hütte verlassen. Er blieb stehen. »Du gehst auch mit?«

»Du denkst doch wohl nicht, daß ich ohne dich hierbleibe?«

»Aber das ist deine Welt! Hier gehörst du her! Außerdem bin ich nicht einmal ein Zerver.«

Sie seufzte. »Hör zu — zuerst war ich ganz davon hingerissen, daß ich Leute gefunden hatte, die wie ich sind. Ich machte mir keine Gedanken darüber, ob es einen Unterschied macht, wenn du kein Zerver wärst. Dann lagst du auf dem Boden, besiegt von Mogan. Und ich wußte, daß es nicht einmal eine Rolle spielt, ob du hören, riechen oder schmecken kannst. Können wir uns jetzt endlich auf den Weg machen und uns eine eigene Welt suchen?«

Bevor er etwas erwidern konnte, schob sie ihn zum Hang, der sie über den Wasserfall führen würde. Jared spürte die Angst, die wie in dichten Schwaden über der Zerverwelt lagerte. Im Wohngebiet herrschte tödliche Stille, durch die undeutlichen Echos des stürzenden Wassers konnte er erkennen, wie sich die Zerver ängstlich vom Eingang zurückzogen.

Auf halbem Weg nach oben blieb er plötzlich stehen und sog den Geruch ein, der zu ihm herabdrang. Verzweifelt hob er ein paar Steine auf und schüttelte sie in der Hand. In völliger Deutlichkeit stand Mogan auf der Anhöhe und wartete.

»Ihr wollt fliehen und den Ungeheuern verraten, wie sie hier eindringen können«, sagte er drohend.

Jared klapperte mit seinen Steine und fing den Eindruck des den Hang herabstürmenden Zervers auf.

Aber in diesem Augenblick erschütterte der Lärm von tausend Katarakten die Welt. Fast gleichzeitig brach der lautlose Schall der Ungeheuer vom Eingang her in die Zerverniederlassung. Und im nächsten Herzschlag begann unten alles durcheinanderzulaufen und zu schreien, als der wieder geöffnete Tunnel einen gnadenlosen, unangreifbaren Zylinder unhörbaren Schalls auswarf.

Jared kroch die Anhöhe hinauf, das Mädchen mit sich zerrend. Mogan folgte ihnen.

»Allmächtiges Licht!« fluchte der Zerveranführer. »Was ist denn eigentlich los?«

»So etwas habe ich noch nie gezervt«, rief Della verängstigt.

Heftige, schmerzhafte Empfindungen stürmten gegen Jareds Augen an, seinen Höreindruck von der ganzen Welt verwirrend, zugleich aber auch irgendwie vervollständigend. Lautechos brachten ein mehr oder weniger komplettes Bild der von Rissen durchzogenen Felswand. Mit ihr hingen aber auch Gebiete lautlosen Schalls zusammen, die jede Einzelheit der Oberfläche so klar hervortreten ließen, als könne er die ganze Wand zur selben Zeit mit seiner Hand abtasten.

Plötzlich verblaßte die Wand in relativer Stille, und er konnte dieses Ereignis mit der Tatsache in Verbindung bringen, daß der unheimliche Zylinder seine Richtung gewechselt hatte und gerade ein anderes Gebiet des Lautmusters durchschnitt. Jared schien jetzt jede einzelne Hütte im Mittelpunkt der Welt nach Form und Größe unterscheiden zu können. Die wilde, kreischende Stille berührte jedes Objekt in Hörweite und brannte es mit marternder Unbarmherzigkeit in sein Bewußtsein.

Er schlug die Hände vors Gesicht und fand sofort Erleichterung, während er den vom Eingang hereinstürzenden Ungeheuern lauschte.

»Habt keine Angst!« rief eines der Wesen.

»Wirf etwas Licht da herüber!« schrie ein anderes.

Die Worte hallten in Jareds Gehirn wider. Was meinten sie damit? War Licht wirklich mit diesen bösartigen Wesen im Bunde? Wie konnte man Licht werfen? Schon früher hatte er einmal angenommen, der Stoff, den diese Wesen in den Tunnels vor sich herwarfen, könnte Licht sein. Aber diese Möglichkeit mußte er sofort abweisen, wie auch jetzt wieder.

Seine Augen öffneten sich unwillkürlich, aber von neuem überfiel ihn Verwirrung. Einen Augenblick lang konnte er beinahe irgendeine Abnahme entdecken — wie er sich früher schon einmal eingebildet hatte, sie gefunden zu haben. Jetzt war die Überzeugung noch klarer, daß sich in der Zerverwelt irgend etwas vermindert hatte, seit die Ungeheuer eingedrungen waren!

»Die Ungeheuer!« brüllte Mogan. »Sie kommen herauf!«

Della schrie, und der Widerhall ihrer Stimme brachte den Eindruck von drei dieser Wesen, die den Abhang hinaufeilten.

»Jared!« Sie zerrte an seinen Arm. »Wir müssen —«

Wieder das Zischen.

Sie brach zusammen. Und bevor er sie festhalten konnte, rollte sie den Abhang hinunter. Entsetzt starrte ihr Jared nach. Aber Mogan hielt ihn zurück. »Wir können ihr jetzt nicht mehr helfen.«

»Doch, wenn wir sie erreichen, bevor —«

Aber der Zerverführer stieß ihn in den Fluß und sprang hinterher. Bevor Jared protestierend aufschreien konnte, zerrte ihn Mogan unter die Oberfläche und begann den verzweifelten Kampf gegen die Strömung. Jared wehrte sich, aber die Kraft des anderen und die Angst vor dem Ertrinken gewannen die Oberhand. Er konnte nichts anderes tun, als sich mitziehen lassen.

Als sie seiner Ansicht nach den halben Weg zurückgelegt hatten, schleuderte ihn die Strömung gegen einen Felsblock, und unwillkürlich entwich die in seinen Lungen zurückgehaltene Luft. Mogan tauchte auf den Grund hinab; Jared kämpfte verzweifelt gegen den Zwang, atmen zu müssen. Sein Widerstand wurde schließlich gebrochen, und ein Schwall Wasser ergoß sich in seine Luftröhre.

Er kam unter der rhythmischen Bewegung der Hände des Zervers wieder zu sich, die seinen Brustkorb zusammenpreßten, losließen, wieder preßten. Jared übergab sich, spuckte und hustete Wasser.

Mogan hörte auf, Luft in seine Lungen zu pumpen, und stemmte Jared in sitzende Stellung. »Ich habe irrtümlich angenommen, daß du mit diesen Wesen unter einer Decke steckst«, entschuldigte er sich.

»Della!« rief Jared, der immer noch vom Husten geschüttelt wurde. »Ich muß zurück!«

»Es ist zu spät. Dort wimmelt es jetzt von Ungeheuern.«

Jared horchte angestrengt nach dem Fluß. Aber er hörte nirgendwo Wasser. »Wo sind wir?« fragte er.

»In einem Nebentunnel. Nachdem ich dich an Land gezerrt hatte, mußte ich dich hierher transportieren, damit uns die Vampire nicht erwischten.«

Jared lauschte den Echos der Worte und erkannte die Einzelheiten eines Tunnels, der sich weiter vorne verbreiterte. Und hinten hörte man die Schreie der enttäuschten Vampire.