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»Was für ein anderes Gefühl?« erkundigte sich Owen.

»Als sei in deinem Schädel plötzlich der Teufel los. Es war etwas, das nichts mit Hören, Fühlen oder Schmecken zu tun hatte.«

»Ich habe nichts gehört.«

»Ich sage doch — es war nicht zu hören.«

»Warum haben wir das Bewußtsein verloren?«

»Ich weiß es nicht.«

Sie liefen um eine Ecke. Nun, da sie einige Entfernung zwischen sich und das Unheimliche gebracht hatten, benützte Jared wieder die Echosteine. »Ich würde mich jetzt sogar über eine Fledermaus freuen!« rief er erleichtert.

»Ohne Waffen wohl kaum.«

Als sie die Barriere überwunden hatten und neben dem breiten Fluß dahinschritten, fragte sich Jared, warum sein Freund nicht ebenfalls von dieser unheimlichen Empfindung heimgesucht worden war. Sie kam ihm beinahe noch schrecklicher vor als das Ungeheuer selbst.

Er preßte die Lippen zusammen, als sich eine angsterregende Möglichkeit anbot: Angenommen, diese Erfahrung in der Ursprungswelt war eine Strafe vom Großen Allmächtigen Licht für seine blasphemische Ansicht gewesen, das Licht sei weniger als Gott?

Sie erreichten bekannteres Gebiet, und er verkündete: »Wir müssen das dem Primär-Überlebenden melden.«

»Ausgeschlossen!« rief Owen. »Wir haben doch das Gesetz übertreten, als wir hierherkamen.«

Daran hatte Jared noch gar nicht gedacht. Owen war schon mit Schwierigkeiten überhäuft, seit er vor kurzem das Vieh in den Mannagarten hatte einbrechen lassen.

Ein paar hundert Atemzüge später ging Jared am letzten großen Hindernis vorbei — einem gewaltigen Krater ohne Boden. Er steckte die Echosteine weg. Kurz danach zog er Owen in eine Wandnische.

»Was ist denn los?« fragte der andere.

»Zerver!« flüsterte Jared.

»Ich höre nichts.«

»Gleich wird es soweit sein. Sie schleichen vorne den Hauptgang entlang. Wenn sie hierherkommen, müssen wir die, Flucht ergreifen.«

Die Laute im anderen Tunnel waren jetzt deutlicher zu vernehmen. Ein Schaf blökte, und Jared erkannte den Tonfall. »Das ist eins von unseren Tieren. Sie haben einen Raubzug unternommen.«

Die Zerverstimmen wurden laut, als die Räuber an der Abzweigung vorbeikamen, und verklangen dann.

»Los«, befahl Jared. »Sie können uns jetzt nicht entdecken.«

Er war jedoch kaum dreißig Schritte gegangen, als er stehenblieb und kaum vernehmlich mahnte: »Still!«

Er hielt den Atem an und lauschte. Neben seinem eigenen pochenden Herzschlag und dem schwächeren Owens vernahm er einen dritten — nicht sehr weit entfernt, schwach, aber angstvoll drängend.

»Was ist denn?« flüsterte Owen.

»Ein Zerver.«

»Das sind doch nur die Spuren der Räuber.«

Aber Jared schlich langsam weiter. Zweifellos hatte er einen Zerver vor sich, wenn er auch nur schwache Eindrücke empfing — es war ein Kind! Er sog den Geruch ein.

Ein Zervermädchen!

Der Herzschlag ließ sich jetzt deutlich vernehmen, als er mit seinen Echosteinen den Spalt erforschte, in dem das Mädchen versteckt war. Es zuckte zusammen, versuchte aber nicht zu entfliehen. Statt dessen begann es zu weinen.

Owen atmete auf. »Es ist nur ein Kind!«

»Was ist los?« fragte Jared freundlicher, aber er bekam keine Antwort.

»Was tust du hier?« versuchte es Owen.

»Wir tun dir nichts«, versprach Jared. »Was hast du?«

»Ich — ich kann nicht zerven«, stieß die Kleine schluchzend hervor.

Jared kniete neben ihr nieder. »Du bist doch ein Zerver, nicht wahr?«

»Ja. Ich meine — nein, ich bin kein — das heißt —«

Sie war etwa dreizehn Perioden alt. Bestimmt nicht älter.

Er führte sie auf den Gang hinaus. »So — wie heißt du denn?«

»Estel.«

»Und warum versteckst du dich hier, Estel?«

»Ich hörte Mogan und die anderen kommen. Ich rannte hier herein, damit sie mich nicht zerven konnten.«

»Warum sollten sie dich nicht finden?«

»Damit sie mich nicht in die Zerverwelt zurückbringen.«

»Aber dort gehörst du doch hin, nicht wahr?«

Sie schnüffelte, und Jared hörte, wie sie sich die Tränen trocknete.

»Nein«, erwiderte sie betrübt. »Alle dort können zerven, bis auf mich. Und wenn ich Überlebende werden kann, wird es keinen Zerver-Überlebenden geben, der mich nehmen will.«

Sie begann wieder zu schluchzen. »Ich möchte in eure Welt.«

»Das geht nicht, Estel«, erklärte ihr Owen. »Du weißt ja nicht, wie dort die Einstellung gegen — oh, ich meine, erzähl du es ihr, Jared.«

Jared strich ihr die Haare aus dem Gesicht, als ihm die Reflexion seiner Stimme zeigte, daß es dort hing. »Wir hatten früher einmal bei uns ein kleines Mädchen — genau in deinem Alter. Es war traurig, weil es nicht hören konnte. Es wollte fortlaufen. Und mit einemmal konnte es hören! Es war sehr froh, daß es nicht davongerannt war und sich verirrt hatte.«

»Das Mädchen gehörte zu den Andersartigen, nicht wahr?« fragte die Kleine.

»Nein. Das ist ja gerade der springende Punkt. Wir dachten nur, es sei andersartig. Wenn es davongelaufen wäre, hätten wir nie herausgefunden, daß es normal war.«

Estel schwieg, als Jared sie zum Haupttunnel führte.

»Du meinst, ich könnte vielleicht später einmal anfangen zu zerven?« fragte sie nach einer Weile.

Er lachte und blieb in dem großen Korridor neben einer gurgelnden heißen Quelle stehen, die ihre feuchte Wärme ringsumher aufbrodeln ließ. »Ich bin sicher, daß du zu zerven anfängst — wenn du es am wenigsten erwartest. Und du wirst genauso glücklich sein wie das andere kleine Mädchen.«

Er horchte in die Richtung der Zerverräuber und fing aus der Ferne ihre Stimmen auf. »Was meinst du, Estel — willst du nach Hause gehen?«

»Nun gut — wenn du es für richtig hältst.«

»Siehst du, das ist brav!« Er tätschelte die Kleine und gab ihr einen kleinen Stoß in Richtung der Zerver. Dann legte er die Hände an den Mund und schrie: »Hier ist eines von euren Kindern!«

Owen zuckte zusammen. »Wir wollen verduften, bevor man uns über den Haufen rennt.«

Aber Jared lachte leise. »Wir sind sicher, bis sie das Mädchen abgeholt haben.« Er lauschte den Schritten des Kindes. »Außerdem können sie uns jetzt nicht zerven.«

»Warum nicht?«

»Wir stehen knapp neben der heißen Quelle. In der Nähe eines kochenden Kraters können sie nicht zerven. Das habe ich vor ein paar Perioden herausgefunden.«

»Was hat eine heiße Quelle damit zu tun?«

»Ich weiß es nicht. Aber es ist so.«

»Wenn sie uns nicht zerven können, dann hören sie uns aber bestimmt.«

»Punkt zwei bei den Zervern: Sie verlassen sich zu sehr aufs Zerven. Sie hören und riechen kaum etwas.«

Bald darauf erreichten sie den Eingang zur Unteren Schachtwelt. Jared horchte Owen nach, der seine eigene Höhle aufsuchte, dann ging er zur Regierungsgrotte. Er hatte sich entschlossen, die Gefahr in der Ursprungswelt zu melden, ohne seinen Freund mit hineinzuziehen.

Alles schien normal — zu normal, wenn man daran dachte, daß die Zerver eben einen Raubüberfall unternommen hatten. Aber diese Überfälle waren eben nicht so selten, daß die Überlebenden sie nicht mit in Kauf genommen hätten.

Zur Linken fing er Randels Geruch auf und verfolgte seinen Aufstieg an der Stange, als er den Echowerfer wieder aufzog. Augenblicklich beschleunigte sich das mechanische Klappern der Steine. Und Jared lauschte den vollständigeren Bildern, die den schnelleren Echos entsprangen. Er entdeckte die Einzelheiten einer Arbeitsgruppe, die Kompost im Mannagarten ausbreitete; an anderer Stelle wurde eine neue Grotte ausgeschachtet. Weit drüben, an der anderen Wand, wuschen Frauen im Fluß ihre Wäsche.