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Aber er konnte sich nicht dazu überreden, in den Tunnel einzudringen. Die Dunkelheit war zu undurchdringlich, zu drohend!

Hinter der ersten Biegung mochte ein Vampir warten!

Oder er konnte in einen Krater stürzen, den er weder zu sehen noch zu hören vermochte!

Seine Verfolger hatten ihn fast erreicht. Er drehte ab und raste an der Felswand entlang. Wiederholt stolperte er, rollte sogar einmal einen steilen Abhang hinab, bis sein Sturz durch eine dichte Pflanzung rauher, niedriger Gewächse gebremst wurde.

Er rannte weiter, hielt die Augen meistens geschlossen, prallte gegen die breiten Stämme der Paradiespflanzen, die ihm im Weg standen. Aber wenigstens wurden die Stimmen hinter ihm leiser, und die Hitze des furchtbaren Wasserstoffs auf seinen Armen, auf dem Rücken brannte nicht mehr so unerträglich wie unzählige Herzschläge hindurch.

Er rannte, blieb stehen, um Atem zu holen, rannte wieder, bis er schließlich zu Boden fiel und hilflos durch die niedrigen Gewächse rollte. Dann kroch er tiefer in die dichte Anpflanzung und blieb erschöpft liegen, das Gesicht in die feuchte Erde gepreßt.

17

»Ich glaube, ich habe mich getäuscht, Jared. Es ist gar nicht so schrecklich. Und außerdem denke ich, daß die Ungeheuer vielleicht wirklich versuchen, uns zu helfen.«

Leas Gedanken, die ihn jetzt erreichten, waren ruhig und gesammelt. Es schien, als hätte Thorndyke absolute Herrschaft über sie gewonnen, um die Frau als Lockvogel zu benutzen, dachte Jared.

»Nein, Jared — so ist es bestimmt nicht. Jedenfalls glaube ich das nicht. Ich bin sicher, daß sie mich nicht dazu zwingen.«

Wenn es so wäre, dann mußten die Ungeheuer noch gemeiner sein, als er sie sich vorgestellt hatte, überlegte Jared.

»Sie sind vielleicht gar kein Ungeheuer«, fuhr sie fort. »Sie haben mir eigentlich gar nicht weh getan. Sie zwangen mich nur, die Augen dem Licht zu öffnen. Und ich habe mich mit Ethan in Verbindung gesetzt. Er fürchtet sich überhaupt nicht! Er hält sie sogar für gut.«

Jared rollte sich auf den Rücken. Obwohl er noch nicht ganz wach war, fiel ihm ein, daß er irgendwo in den Gewächsen der Unendlichkeit erschöpft zu Boden gefallen war.

»Ethan ist zufrieden«, fuhr Lea fort, »weil er ohne meine Hilfe sich frei bewegen kann, er braucht nicht einmal seine Grillen. Er sagt, er müsse nicht lauschen, wenn er sieht, was sich vor ihm befindet.«

Irgendwo über ihm ertönte ein Geräusch, und Jared erstarrte. Die schrillen Töne wirkten seltsam bezaubernd.

»Hab keine Angst«, sagte Lea, die offensichtlich die Töne durch ihn belauscht hatte. »Ich habe das schon sehr oft gehört. Es gehört zu den Dingen, die mich glauben lassen, daß das nicht die Strahlung sein kann.«

»Was ist es?« fragte er.

»Ein Tier mit Flügeln — ein Vogel.« Als sie seine Angst spürte, fügte sie hinzu: »Nein — nicht so etwas wie ein Vampir. Ein kleines, zartes Wesen. Ethan sagt, es sei eines der ursprünglichen Wesen der Unendlichkeit — der Außenwelt, wie er sie nennt —, dem es gelang, zu überleben.«

Als er schwieg, meinte sie: »Jetzt ist es ›Nacht‹ hier draußen. Aber sie ist bald vorbei, und der Tag kehrt wieder. Ethan sagt, daß sie dich finden müssen, bevor Wasserstoff wieder aufsteigt.«

Er spürte ein unangenehmes Jucken und Brennen an den Schultern und am Rücken. Die Empfindung war nicht sehr heftig, aber sie rüttelte ihn wach. Er öffnete die Augen, und seine Finger krallten sich in die weiche Erde.

Jetzt zeigte sich kein grelles Licht, wie früher! Nur eine Sanftheit, die dem Auge wohltat und zu seiner Freude erkennen ließ, daß es hier draußen nicht entweder entsetzlich hell oder ganz dunkel sein mußte, daß es ein Zwischenstadium gab.

Die drei Töne erklangen wieder, und er fing den Widerhall von den Stämmen der Paradiespflanzen auf, die sich rings um ihn erhoben. Aber dort oben, über dem zarten Geflecht der Pflanzen — Bäume hießen sie —, verloren sich die Töne in der grenzenlosen Weite.

Und jetzt, als er nach oben starrte, sah er eine große Scheibe kühlen Lichts, die der Sonne zugleich ähnlich und unähnlich war. Sie hatte dieselbe Größe. Aber diese Scheibe brachte sanftes, mildes Licht.

Sein Blick glitt an der großen Kuppel entlang, die sich über dieser Unendlichkeit wölbte, und atemlos gab er es auf, die lebendigen kleinen Lichtpunkte zu zählen, die dort oben herumtanzten und deutlicher oder schwächer flimmerten, während er sie betrachtete.

Zwischen diesen lustigen Lichtmotten zeigte sich eine Dunkelheit, die ihn an die Tunnels und Welten erinnerte, in denen er bis jetzt sein Leben verbracht hatte. Aber die Lichtpünktchen waren so schön, daß er wenig Zeit fand, sich mit dem Dunkel zu befassen.

Eine Welt ohne körperliche Begrenzung, abgesehen von dem ebenen Boden unter ihm. Und diese Welt wurde nicht von einer Unendlichkeit aus Fels und Schmutz eingeschlossen, sondern von einer Unendlichkeit des Halbdunkels, belebt durch wunderschöne Punkte und eine sanfte Lichtscheibe — im Augenblick. Ein andermal war es eine Unendlichkeit kühnen, lauten Lichts, beherrscht von einem großen, grellen Ding, das man die ›Sonne‹ nannte.

›Eine neue Art von Unendlichkeit‹, hatte Charles gesagt.

Und das traf wirklich zu. Eine neue Art von Unendlichkeit mit gewaltigen, neuartigen Begriffen — so völlig anders, daß die ihm bekannte Sprache dafür nicht ausreichte.

Trotz seines Staunens konnte er ein Gefühl der Verzweiflung nicht unterdrücken. Er wußte, daß er die undurchdringliche Dunkelheit der Tunnels und Schächte nicht mehr zu ertragen vermochte. Er wich vor sich selbst zurück, überrascht von dem offenen Eingeständnis, daß er nicht mehr den Mut besaß, in seine Welt zurückzukehren. Bedeutete das, daß er hier für den Rest seines Lebens bei den unverständlichen Dingen der Unendlichkeit bleiben mußte?

»Ich fürchte ja, Jared.« Leas lautlose Worte bestätigten seine Überlegungen. »Ich habe während dieser letzten Periode in vielen Gedanken gelesen. Den meisten von uns ist klar, daß die inneren Welten der Vergangenheit angehören.«

Er setzte sich abrupt auf. Wenn er Leas Gedanken in wachem Zustand auffing, dann konnte sie nicht allzu weit von ihm entfernt sein. Aber bevor er sie zu befragen vermochte, spürte er den Schmerz an seinen Schultern und Armen. Als er die Haut dort kratzte, fühlte sie sich heiß an.

Der Vogel flötete wieder, und er lauschte den sanften Tönen. Diese bizarre Szenerie war bezaubernd — nicht auf jene Weise schön, wie verfeinerte Laute dem Ohr Genuß verschafften, sondern anmutig in den Empfindungen von Form und Gestalt, den Variationen von Licht und Dunkelheit, die sich seinen Augen darboten.

Langsam wurde er sich jedoch eines störenden Elements draußen in der Unendlichkeit bewußt, und er wandte verängstigt den Kopf. Ein Segment der Kuppel weit draußen hinter den Baumwipfeln legte die Dunkelheit ab. Ein Lichtstrom kroch vom Boden herauf, verschluckte die Lichtpunkte an der Kuppel.

Lea hatte angedeutet, daß diese Periode der ›Nacht‹ nur vorübergehend war, daß Wasserstoff wieder auftauchen würde um sein grelles Licht auf die ganze Welt hinabfluten zu lassen. Konnte dies das Ende einer Phase der Ruhe sein?

Zitternd erhob er sich und wich vor dem lichtüberfluteten Kuppelsegment zurück, zwängte sich durch die Pflanzen.

Er fuhr zusammen und schnellte den Kopf nach rechts, als er eine andere Art von Licht da draußen zwischen den Stämmen der Paradiespflanzen bemerkte — einen hin- und herschwingenden Zylinder, der nichts anderes bedeutete, als das Herannahen Thorndykes oder eines anderen seiner Wächter!

Von hoch oben drangen die zarten Töne des Vogels wieder in das Halbdunkel, und Jared bemühte sich verzweifelt, die Echos auseinanderzuhalten. Er hörte jedoch nur, daß vier Personen in der Leere hinter dem Lichtzylinder versteckt waren.