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Er tauchte in die Anpflanzung zurück, lauschte dem Herannahen der Gruppe und hoffte, daß die Pflanzen um ihn herum die Lichteindrücke daran hindern würden, seine Anwesenheit zu verraten.

Eine Brise erhob sich, und Jared erstarrte, als die zarten Geflechte oben auf den Bäumen zu wispern und zu schwanken begannen. Die sanfte Luftströmung trug ihm den Duft seiner Verfolger zu.

Thorndyke war unter ihnen. Das überraschte ihn nicht. Aber mit seinem Geruch vermischten sich drei andere Düfte —

Ethan!

Owen!

Della!

Er konnte einsehen, daß diese Wesen der Unendlichkeit Zeit genug gehabt hatten, Owen und Ethan ihren Zwecken gefügig zu machen, aber gewiß nicht Della! Sie war kaum eine halbe Periode länger hier als er.

»Sie gehört zu den Zervern, Jared«, erklärte Lea. »Sie versteht diese Dinge besser als du und ich.«

Er ignorierte diese Belehrung und schlich durch die Pflanzen weiter, so geräuschlos wie möglich. Zur Linken wurde die Kuppel immer heller, und er zweifelte nicht mehr daran, daß die furchtbare Sonne bald aufsteigen würde.

»Jared, lauf nicht davon — bitte! Bleib wo du bist!«

Es waren diesmal Ethans Gedanken, die von Lea weitergeleitet, ihn erreichten. Das konnte nur bedeuten, daß Ethan und Lea mit Thorndyke zusammenarbeiteten!

»Ja, Jared«, gab sie zu. »Ich habe Ethan geholfen, dich zu erreichen. Er weiß, was gut ist. Er sagt, daß du krank wirst, wenn sie dich nicht bald in die Hütte zurückbringen können.«

»Nein, nicht die Strahlungskrankheit«, versicherte Ethan schnell. »Man wird krank, wenn man zu lange in der Sonne ist, ohne daran gewöhnt zu sein, und es gibt auch noch andere Leiden, vor denen dich Thorndyke bewahren möchte.

Dann wurde Ethans Stimme deutlich hörbar, in einer Bemerkung, die offensichtlich nicht für Jareds Ohren bestimmt war: »Da vorne ist er — in diesem Dickicht!«

Jared sprang aus seinem Versteck und zögerte einen Augenblick, während das grelle Licht aus Thorndykes Röhre in seine Augen stach und ihn einen Augenblick daran hinderte, etwas anderes zu sehen. Dann wandte er sich um, um davonzustürzen.

»Du wolltest doch das Licht finden, nicht wahr?« rief Owen laut. »Und jetzt, nachdem du es gefunden hast, benimmst du dich wie eine ängstliche alte Frau.«

Jared blieb unsicher stehen und lauschte der vertrauten Stimme, die er so viele Perioden nicht gehört hatte. Aber es war weniger die Überraschung, Owens Stimme zu hören, als das, was sein Freund gesagt hatte.

Es stimmte. Er hatte sein ganzes Leben damit verbracht, nach Licht zu suchen. Und von vornherein hatte er die Möglichkeit eingeräumt, daß es vollkommen unnatürlich, ganz unverständlich, ja beängstigend sein mochte.

Er hatte es gefunden. Aber er war nicht Manns genug gewesen, sich ihm zu stellen.

Vielleicht war diese Unendlichkeit — diese Außenwelt — gar nicht so schrecklich, wenn er sich nur die Mühe geben wollte, sie zu verstehen.

»Ich könnte Ihnen von hier aus eine Injektion in den Arm schießen.« Thorndykes gelassene Stimme drang aus dem Halbdunkel zu ihm. »Aber ich zähle darauf, daß Sie der Vernunft zugänglich sind.«

Aber Jared wich unwillkürlich zurück, als sich ihm der Lichtzylinder näherte.

Seine Haut schmerzte jetzt stark, und er biß die Zähne zusammen, als er mit den Händen seine heißen Arme und Schultern berührte.

»Mach dir nicht allzu viele Sorgen«, lachte Owen. »Das ist nur der erste Sonnenbrand. Wenn du mitkommst, pflegen wir dich gleich.«

Dann sagte Thorndyke: »Natürlich gibt es Dinge, die Sie nicht verstehen. Genauso wie es manches gibt, was selbst wir noch nicht begreifen.«

Der Lichtzylinder richtete sich auf die Kuppel über den Baumwipfeln. »Zum Beispiel wissen wir nicht, was dort draußen ist«, erklärte Thorndykes Stimme. »Und wenn wir es herausfinden, ahnen wir immer noch nicht, was sich jenseits davon befindet. Unendlichkeit ist immer noch Unendlichkeit — in Ihrer Höhlenwelt ebenso wie in dieser. Ewigkeit ist Ewigkeit. Es gibt immer Grenzen, immer Unerfahrbares.«

Irgendwie fühlte sich Jared nicht mehr so hilflos, so unbedeutend vor diesen Wesen der Außenwelt, wie es früher der Fall gewesen war. Thorndyke hatte die Schächte in diesem Felsmassiv eine ›Höhlenwelt‹ genannt. Aber in mancher Beziehung war diese größere Schöpfung nur eine riesige Höhle. Sie besaß eine Kuppel und eine Unendlichkeit jenseits der Kuppel und einen Vorhang der Dunkelheit, das Erkennbare vom Unerfahrbaren trennend.

Eine Gestalt trat in das Licht — eine winzige menschliche Gestalt. Aber Jared erschrak nicht. Er wußte, daß sie beim Herankommen wachsen würde — bis sie normale Größe erreichte.

Völlig ruhig sah er die Gestalt herankommen, wobei er nebenbei bemerkte, daß ein helleres Licht als das aus Thorndykes Lichtwerfer auf die Gestalt fiel. Es konnte nur das Licht sein, das sich am Rand der Kuppel hinter ihm verstärkte.

Eine Brise wisperte durch die Paradiesbäume, und er fing Dellas Duft auf.

»Ich begreife auch diese Dinge nicht«, sagte sie, »aber ich bin bereit zu warten und zu sehen, was geschieht.«

Jared erkannte froh, daß der physische Unterschied zwischen ihm und Della hier in dieser Welt unbedeutend war. Er brauchte sich nicht mehr minderwertig vorzukommen.

Über ihnen flötete der Vogel sein herrliches Lied. Jared starrte gebannt auf das Mädchen, das nun vor ihm stehenblieb. Die zarten, verfeinerten Eindrücke, die er jetzt empfing, kamen ihm so sanft vor, wie die Musik der melodischen Steine, vibrierend wie die mächtige Stimme eines großen Wasserfalls, durch die Ferne gedämpft.

Sie reichte ihm die Hand, und er ergriff sie.

»Wir werden hier bleiben und sehen, was geschieht — gemeinsam«, sagte Jared und machte sich mit ihr auf den Weg zurück zu Thorndyke und den anderen.

ENDE

Daniel F. Galouye

Dunkles Universum

Ein utopisch-technischer Abenteuerroman

WILHELM GOLDMANN VERLAG

MÜNCHEN

1965 • Made in Germany • Ungekürzte Ausgabe

Titel des amerikanischen Originals: Dark Universe.

Ins Deutsche übertragen von Tony Westermayr.

Alle Rechte, auch die der fotomechanischen Wiedergabe, vorbehalten.

Jeder Nachdruck bedarf der Genehmigung des Verlages.

Umschlagentwurf: Ekye Volkmer.

Gesetzt aus der Linotype-Garamond-Antiqua.

Druck: Presse-Druck- und Verlags-GmbH. Augsburg.

Bindearbeiten: Verlagsbuchbinderei Dagäus,

Westheim bei Augsburg. — 060 • Re