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Was ihn jedoch am stärksten beeindruckte, war die relative Stille, aus der sich schließen ließ, daß etwas geschehen war. Selbst die Kinder hatten sich in schweigsamen Gruppen vor den Wohngrotten versammelt.

Zu seiner Rechten hörte er ein Stöhnen — aus der Therapiegrotte —, und er schlug eine andere Richtung ein. Die Klicks des Zentralechowerfers verrieten ihm, daß jemand vor dem Eingang stand. Als er näher kam, vernahm er die weibliche Gestalt Zeldas.

»Schwierigkeiten?« fragte er.

»Zerver«, erwiderte sie kurz. »Wo bist du gewesen?«

»Hinter einer Fledermaus her. Hat es Verletzte gegeben?«

»Alban und Überlebender Bridley. Sie sind aber nur ein bißchen lädiert.« Ihre Stimme drang durch das schützend vor ihrem Gesicht hängende Haar.

»Sind Zerver verletzt worden?«

Sie lachte bitter. »Soll das ein Witz sein? Der Primär-Überlebende wartet auf dich.«

»Wo ist er?«

»Er bespricht sich mit den Senioren.«

Jared setzte seinen Weg zur Regierungsgrotte fort, dämpfte aber seine Schritte, als er sich dem Eingang näherte. Senior Haverty hatte das Wort. Seine hohe, schwankende Stimme war leicht zu erkennen.

»Wir mauern den Eingang zu!« Haverty schlug auf die Platte. »Dann brauchen wir uns weder um die Zerver noch um die Fledermäuse zu sorgen.«

»Setz dich, Senior«, kam die befehlende Stimme des Primär-Überlebenden. »Du redest dummes Zeug.«

»Was? Wieso denn?«

»Wir wissen, daß man das vor langer Zeit schon einmal versucht hat. Die Luftzirkulation wurde abgewürgt, und die Hitze stieg ins Unerträgliche, das war der ganze Erfolg.«

»Wir können den Zugang wenigstens teilweise schließen«, beharrte Haverty auf seinem Standpunkt.«

»Ausgeschlossen. Er müßte ja eigentlich viel größer sein.«

Jared schlich zum Grotteneingang, hielt sich aber seitlich, um die Schallwellen vom Echowerfer nicht zu blockieren, da er sonst seine Anwesenheit auch den unaufmerksamsten Ohren verraten hätte.

Der Primär klopfte geistesabwesend mit dem Fingernagel auf den Konferenztisch, unauffällige Echos produzierend.

»Es gibt jedoch etwas, das wir tun können«, sagte er.

»Wie? Was soll das sein?« erkundigte sich Senior Haverty.

»Wir würden es nicht allein schaffen. Die Aufgabe ist zu gewaltig. Aber wir könnten das Unternehmen gemeinsam mit dem Oberen Schacht starten.«

»Wir haben bisher mit den Leuten da oben noch nie etwas gemeinsam unternommen.« Senior Maxwell schaltete sich in die Diskussion ein.

»Richtig, aber auch sie wissen, daß wir uns zusammentun müssen.«

»Worum geht es eigentlich?« fragte Haverty.

»Wir können einen bestimmten Tunnel plombieren. Das würde die Zirkulation weder im Unteren noch im Oberen Schacht beeinflussen. Aber wir könnten uns damit von der Zerverwelt endgültig abschließen, soviel uns bekannt ist.«

»Den Haupttunnel«, meinte Maxwell.

»Richtig. Das wäre allerhand Arbeit. Aber wenn sich alle daran beteiligen, könnten wir es in einer halben Schwangerschaftsperiode schaffen.«

»Und die Zerver?« fragte Haverty. »Werden sie sich das so einfach bieten lassen?«

Jared hörte, wie der Primär die Achseln zuckte, bevor er erwiderte: »Die Bewohner beider Schächte sind den Zervern zahlenmäßig weit überlegen. Wir könnten auf unserer Seite der Barrikade schneller bauen, als es den Zervern gelänge, das Bollwerk wieder abzureißen. Früher oder später würden sie aufgeben.«

Stille.

»Klingt ganz gut«, meinte Maxwell. »Wir brauchen jetzt nur den Leuten im Oberen Schacht unsere Idee zu verkaufen.«

»Ich denke, daß uns das gelingen wird.« Der Primär räusperte sich. »Jared, komm herein. Wir haben auf dich gewartet.«

Der Primär mochte langsam alt werden, dachte Jared, als er eintrat, seinen Augen und seiner Nase merkte man das Alter jedoch nicht an. Das unaufhörliche Klopfen des Fingernagels auf der Steinplatte vermittelte Jared einen Eindruck von den Gesichtern, die ihm zugewandt waren. Hinter dem Primär stand eine Gestalt, fühlte er.

Der Mann trat zur Seite, und Jared konnte ihn ausmachen — klein und etwas gebückt, trotz der Jugendlichkeit, die sein Atmen verriet; Haar, das über die Stirn und das ganze Gesicht fiel und nur die Ohren, sowie Nase und Mund freiließ. Das struppigste Gesicht im ganzen Unteren Schacht — Romel Fenton, sein Bruder.

Nachdem aus Höflichkeit die übliche Zeit für Beobachtung und Überlegung eingehalten worden war, räusperte sich der Primär. »Jared, es ist an der Zeit, daß du deine Anerkennung als Überlebender beantragst, findest du nicht?«

Jared fühlte sich versucht, diese prosaische Angelegenheit beiseite zu schieben und mit seinem Bericht über die drohende Gefahr in der Ursprungswelt zu beginnen. Aber er hatte sachlich und kühl zu bleiben und beschloß daher, noch ein wenig damit zu warten. »Das mag wohl sein.«

»Hast du schon einmal an eine Verbindung gedacht?«

»Strahlung, nein!« Er biß sich auf die Lippen. »Nein, ich habe noch nicht darüber nachgedacht.«

»Du bist dir natürlich im klaren darüber, daß jeder Mann Überlebender werden muß, und daß die vornehmste Pflicht darin besteht, nun auch zu überleben.«

»So heißt es.«

»Und überleben bedeutet nicht nur, daß man sein eigenes Leben bewahrt, sondern daß man es durch die Generationen weitergibt.«

»Ich weiß.«

»Und du hast niemanden gefunden, mit dem du dich verbinden möchtest?«

Da war Zelda, aber sie gehörte zu den Leuten mit struppigen Gesichtern. Da war Luise, die ihr Gesicht nicht hinter dichtem Haar verbarg und auch die Augen offenhielt. Aber sie kicherte immerzu. »Nein, Euer Ehren.«

Romel gluckste in der Vorfreude auf irgendein Ereignis, und rund um die Steinplatte wurden mißbilligende Gesten hörbar. Jared wurde durch das schadenfrohe Lachen an frühere Zeiten erinnert, als Romels bösartige Streiche vor allem darin bestanden, daß er hinter einem Felsblock lag und ein Wurfseil hervorschnellen ließ, das sich um Jareds Knöchel wand und ihm die Beine wegriß. Die brüderliche Feindschaft schwelte immer noch. Sie drückte sich jetzt nur in erwachsener — nun, beinahe erwachsener Form aus.

»Gut!« sagte der Primär und erhob sich. »Ich glaube, wir haben einen Partner für dich gefunden.«

Jared war einen Augenblick sprachlos, dann gab er es mit einem Fluch auf, Respekt zu heucheln. »Da habt ihr aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht!«

Wie konnte er ihnen erklären, daß er keine Zeit für solche Dinge hatte? Daß er frei sein mußte, das vor langer Zeit begonnene Werk fortzusetzen? Daß er an ihren religiösen Überzeugungen zweifelte? Daß er sein Leben dem Versuch widmen wollte, zu beweisen, daß das Licht etwas Körperliches, etwas in dieser Existenz Erfahrbares war — nicht erst im Jenseits wartend?

Romel lachte und sagte: »Das haben die Senioren zu entscheiden.«

»Du bist kein Senior!«

»Du auch nicht. Und du vergißt den Vorrang des Senior-Kodex.«

»Zum Teufel mit dem Kodex!«

»Schluß jetzt!« unterbrach der Primär. »Wie Romel sagte, wird deine Verbindung von uns entschieden. Senioren?«

»Zuerst hätten wir gerne etwas über diese Vereinbarung gehört«, erklärte Maxwell.

»Also gut«, fuhr der Primär fort. »Weder ich noch der Boß haben etwas verlauten lassen, aber wir sind beide davon überzeugt, daß unsere beiden Welten sich zusammentun müssen. Der Boß meint, daß man diesem Ziel durch eine Verbindung zwischen Jared und seiner Nichte beträchtlich näherkäme.«

»Ich mache nicht mit!« rief Jared. »Der Boß will nur irgendeine gräßliche Verwandte abschieben!«

»Hast du sie denn schon einmal gehört?« fragte der Primär.

»Nein, ihr vielleicht?«