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Während er auf den Empfangsbegleiter wartete, kehrten seine Gedanken zur Entdeckung der Waffen seines Freundes auf der anderen Seite der Barriere zurück. Er konnte im ersten Augenblick annehmen, daß die Bestie vom Licht als Strafe für seine lästerliche Ablehnung aller hergebrachten Glaubenssätze geschickt worden war. Sicherlich hatte er sich getäuscht. Die Barriere war schließlich errichtet worden, den Menschen vor dem Ungeheuer zu schützen.

Aber er wußte trotzdem, daß er die Suche nach der Dunkelheit nicht aufgeben würde. Auch die Ungewißheit über Owens Schicksal würde ihn nicht lange ruhen lassen.

»Jared Fenton?«

Die Stimme, hinter einem Felsblock zu seiner Linken hervordringend, überraschte ihn. Der Mann trat heraus in den Bereich des Echowerfers und sagte: »Ich bin Lorenz, Berater von Boß Anselm.«

Lorenz' Stimme verriet eine kleine Gestalt, geringe Lungenkapazität, eingesunkenen Brustkasten. Dazu kam der Lauteindruck eines Gesichts, dessen hörbare Züge viele Falten aufwiesen und die weiche Feuchtigkeit von Augäpfeln vermissen ließen.

»Zehn Proben der Begegnung?« bot Jared höflich an.

Aber der Berater lehnte ab. »Meine Fähigkeiten sind ausreichend. Ich vergesse niemals Höreffekte.« Er ging einen Pfad hinauf, der sich durch das Gebiet der heißen Quellen wand.

Jared folgte ihm. »Der Boß erwartet mich?« Diese Frage war unnötig, da ein Läufer vorausgeschickt worden war.

»Ich wäre nicht hier, Sie abzuholen, wenn er Sie nicht erwartete.«

Jared entdeckte Feindseligkeiten in den knappen Antworten des Beraters und widmete ihm seine ganze Aufmerksamkeit. Die Echowerfertöne wurden durch seine Miene beleidigter Entschlossenheit verändert.

»Ihr wollt mich hier nicht haben, wie?« fragte Jared geradeheraus.

»Ich habe dagegen gestimmt. Ich höre nicht ein, wie wir durch enge Verbindung mit Ihrer Welt etwas gewinnen sollten.«

Die mürrische Art des Beraters verwirrte ihn einen Augenblick — bis ihm klar wurde, daß eine Vereinigung von Oberem und Unterem Schacht Lorenz' Stellung erheblich beeinträchtigen mußte.

Der ausgetretene Pfad verlief jetzt schnurgerade an der rechten Felswand entlang. Wohnnischen klangen im Lautmuster dumpf als Hohlräume auf. Und Jared vermochte die neugierigen Menschengruppen, die seinen Weg verfolgten, eher zu spüren als deutlich zu hören.

Kurz darauf packte ihn der Berater bei der Schulter und drehte ihn nach rechts. »Das ist die Grotte Anselms.«

Jared zögerte, versuchte sich zurechtzufinden. Die Grotte war tief in die Wand eingelassen und mit vielen Lagerregalen ausgestattet. Im Raum vor dem Eingang befand sich ein großer Steinblock, unter den man die Beine strecken konnte. Von der Platte kamen die symmetrischen Laute leerer Mannaschalen, insgesamt den Eindruck einer präzisen Ordnung für ein Mahl vieler Personen vermittelnd.

»Willkommen im Oberen Schacht! Ich bin Noris Anselm, der Boß!«

Jared lauschte diesem mehr als umfangreichen Gastgeber, der ihn mit ausgestrecktem Arm empfing. Daß er Jareds Hand auf Anhieb fand, sprach für das gut ausgebildete Wahrnehmungsvermögen Anselms.

„Ich habe viel über dich gehört, mein Junge!« Er schüttelte Jared die Hand. »Zehn Proben?«

»Selbstverständlich.« Jared überließ sich den forschenden Fingern, die methodisch über Gesicht, Brust und Arme glitten.

»Nun«, sagte Anselm anerkennend. »Klare Züge — aufrechte Haltung — Beweglichkeit — Stärke. Ich glaube, der Primär hat nicht sehr übertrieben. Du bist an der Reihe.«

Jareds Hände machten sich mit einem massigen, aber nicht schwammigen Gesicht vertraut. Das Fehlen eines Brusttuches, geschnittenes Haar und gepflegter Bart deuteten auf Widerstand gegen den Prozeß des Alterns. Und Lider, die unter seiner Berührung zuckten, verrieten die Ablehnung geschlossener Augen.

Anselm lachte. »Du bist also in der Absicht gekommen, eine Verbindung einzugehen?« Er führte Jared zu einer Bank neben dem Steintisch.

»Ja. Der Primär meint —«

»Ah — Primär-Überlebender Fenton. Habe ihn schon lange Zeit nicht gehört.«

»Er schickt —«

»Der gute, alte Evan!« dröhnte Anselm. »Er hat eine gute Idee — wenn er die beiden Schächte enger zusammenschließen will. Was meinst du?«

»Anfangs —«

»Natürlich. Man braucht nicht viel Phantasie, sich die Vorteile auszurechnen, nicht wahr?«

Jared gab die Hoffnung auf, einen Satz vollenden zu können, und betrachtete auch diese Frage als rhetorisch, während er sich auf undeutliche Eindrücke konzentrierte, die hinter ihm vom Grotteneingang herrührten. Jemand stand dort und lauschte. Zurückgeworfene Klicks zeigten die Umrisse einer jungen, weiblichen Gestalt.

»Ich sagte«, wiederholte Anselm, »daß es keiner allzugroßen Phantasie bedarf, sich die Vorteile einer Vereinigung beider Welten auszumalen.«

Jared richtete sich auf.

»Keinesfalls. Der Primär meint, wir alle würden dabei sehr gewinnen. Er —«

»Nun zu dieser Verbindung. Glaubst du, daß du schon soweit bist?«

Es war Jared wenigstens gelungen, eine Antwort zu Ende zu bringen. Aber er wollte nun nicht gleich übertreiben, deswegen erwiderte er schlicht: »Ja.«

»Guter Junge! Della wird eine großartige Überlebende werden. Vielleicht ist sie ein bißchen halsstarrig. Aber wenn ich noch an meine eigene Verbindung denke…«

Der Boß begann mit einer längeren Erzählung, während Jareds Aufmerksamkeit zu dem Mädchen zurückkehrte. Jedenfalls wußte er jetzt, wer am Eingang stand. Bei dem Namen ›Della‹ hatte ihr Atem gestockt, und ihr Pulsschlag war schneller geworden.

Die klaren, lauten Töne der Stimme Anselms erzeugten präzise Echos. Jared erkannte das gleichmäßige Profil des Mädchens. Hohe Backenknochen, ein ausgeprägtes Kinn. Die Augen standen weit offen, und das Haar war in einer Weise gelegt, wie sie ihm noch nie begegnet war. An beiden Seiten straff nach hinten gekämmt, an den Schultern zusammengefaßt und in weichen Kaskaden über den Rücken hinabfallend.

»… Aber Lydia und ich hatten nie einen Sohn.« Sein geschwätziger Gastgeber war längst bei einem anderen Thema angelangt. »Trotzdem halte ich es für das beste, wenn die Führerschaft bei den Anselms bleibt, nicht wahr?«

»Gewiß.« Jared wußte längst nicht mehr, worum es ging.

»Und ohne Komplikationen ist das nur erreichbar, wenn eine Verbindung zwischen dir und meiner Nichte zustande kommt.«

Das müßte eigentlich das Stichwort für Della sein, sich aus dem Versteck zu lösen, dachte Jared. Aber sie rührte sich nicht.

Der Obere Schacht hatte sich von seiner Ankunft wieder erholt, und nun lauschte er den Tönen einer normalen Welt — lärmende Kinder beim Spiel, Frauen, die ihre Grotten säuberten, Männer an der Arbeit, Klapperball auf dem Feld hinter den Ställen.

Anselm packte ihn beim Arm und sagte: »Wir machen uns wohl später genauer bekannt. In dieser Wachperiode wird ein formelles Essen gegeben, bei dem du Della kennenlernen kannst. Inzwischen habe ich eine Nische für dich herrichten lassen.«

Jared wurde an den Wohngrotten vorbeigeführt. Bald danach mußte er stehenbleiben.

»Der Primär berichtete, daß du bemerkenswerte Ohren hast, mein Junge. Laß doch einmal hören, wie gut sie wirklich sind.«

Ein wenig verlegen wandte Jared der Umgebung seine Aufmerksamkeit zu. Einen Augenblick später fiel ihm etwas auf dem Sims an der fernen, gegenüberliegenden Wand auf.

»Ich höre etwas auf jenem Sims«, sagte er. »Ein Junge liegt dort oben und lauscht über die Welt hinweg.«

Anselm zog überrascht den Atem ein. Dann rief er: »Myra, ist dein Kind schon wieder auf den Sims geklettert?«

Eine Frau in der Nähe schrie: »Timmy! Timmy, wo bist du?« Und eine dünne Stimme antwortete aus der Ferne: »Hier oben, Mutter.«