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Immer noch unter dem Eindruck von Dellas Behauptung, er sei eingebildet, erwiderte er unverbindlich: »Ich bin zu allem bereit.«

Anselm hörte ihn und rief erfreut: »Das ist fein, mein Junge!« Er stand auf und verkündete: »Unser Besucher wird die Speerwurfkonkurrenz eröffnen.«

Erneuter Beifall. Jared glaubte jedoch, ein verächtliches Schnauben gehört zu haben.

Lorenz führte ihn zum Speerständer. Jared wählte in aller Ruhe aus.

»Welches Ziel?« fragte er.

»Gewebte Scheiben — zwei Handspannen breit — Entfernung fünfzig Schritte.« Der Berater ergriff seinen Arm und deutete damit in die entsprechende Richtung. »Sie befinden sich vor jenem Wall.«

»Ich kann sie hören«, versicherte Jared. »Aber ich möchte, daß meine Zielscheiben in die Höhe geworfen werden.«

Lorenz trat einen Schritt zurück. »Sie wollen anscheinend hören, wie sehr Sie sich blamieren können.«

»Lassen Sie das meine Sorge sein.« Jared ergriff seine Speere. »Ihr braucht nur die Zielscheiben hochzuwerfen.«

Della war also davon überzeugt, daß er eine zu hohe Meinung von sich hatte? Verärgert holte er seine Echosteine aus der Tasche und trat bis zum Rand des Warmquellengebiets zurück. Dann begann er die Steine in der linken Hand schnell und gleichmäßig aneinanderzuschlagen. Die vertrauten, feineren Töne ergänzten jene des Echowerfers. Und jetzt konnte er alles um sich herum deutlich vernehmen — den Sims zu seiner Rechten, die Hohlform des Tunnels hinter sich, Lorenz, der sich vorbereitete, die Scheiben in die Höhe zu schleudern.

»Los!« kommandierte Jared.

Die erste aus Mannahülsen gewebte Scheibe rauschte durch die Luft, und er ließ den Speer davonschwirren. Flechtwerk barst unter dem Aufprall der spitzen Wurflanze, dann fielen Scheibe und Speer gemeinsam zu Boden.

Einen vorbeizuckenden Augenblick lang spürte er, daß etwas nicht in Ordnung war. Aber er konnte es nicht definieren.

»Los!«

Wieder ein Volltreffer. Noch einer.

Ausrufe des Publikums lenkten ihn ab, und er verfehlte beim vierten Wurf. Er wartete ab, bis es ruhig geworden war, bevor er die nächsten Scheiben hochwerfen ließ. Die nächsten fünf Würfe waren glatte Treffer. Dann lauschte er angestrengt nach allen Seiten. Irgendwie wurde er den vagen Verdacht nicht los, daß nicht alles war, wie es sein sollte.

»Das war die letzte Scheibe«, rief der Berater.

»Holt eine neue«, erwiderte Jared und ließ den letzten Speer auf dem Boden liegen.

Respektvolles Schweigen lag über dem Publikum. Dann lachte Anselm und schrie: »Beim Licht! Acht aus neun!«

»Bei dieser Geschicklichkeit«, fügte Lorenz aus der Ferne hinzu, »muß er ein Zerver sein.«

Jared fuhr herum. Das war es — Zerver! Er begriff, daß er seit ein paar Herzschlägen ihren Geruch aufgefangen hatte!

In diesem Augenblick schrie jemand: »Zerver! Auf dem Sims!«

Eine Panik brach aus. Frauen schrien auf und stürzten zu ihren Kindern, während die Männer zu den Waffenregalen eilten.

Jared hörte einen Speer von oben herabsausen und gegen die Ehrenbank prallen. Der Boß fluchte.

»Bleibt alle, wo ihr seid!« dröhnte eine Stimme, die Jared von früheren Überfällen her kannte — die Stimme Mogans, des Zerveranführers. »Sonst trifft der nächste Speer Anselm in die Brust!«

Inzwischen hatte Jared ein mehr oder weniger komplettes Lautbild der Lage zusammengesetzt. Mogan und eine Anzahl Zerver standen auf dem Sims; die Töne des Zentralechowerfers wurden deutlich von ihren erhobenen Speeren zurückgeworfen. Ein einzelner Zerver bewachte den Zugang, neben dem großen Felsblock stehend.

Mit größter Behutsamkeit bückte sich Jared, um seinen Speer aufzuheben. Aber eine Lanze zischte herab und bohrte sich vor ihm in den Boden.

»Ich habe gesagt, keiner rührt sich!« tönte Mogans Stimme schneidend vom Sims.

Selbst wenn er den Speer ergreifen konnte, lag der Sims außer Wurfweite, erkannte Jared. Mit der Wache am Eingang war es jedoch etwas anderes. Zwischen ihm und dem Mann befand sich nichts als ein Gebiet mit kochenden Quellen und Mannapflanzen. Wenn er es bis zur ersten Quelle schaffte, konnte keiner der Räuber seinen Weg durch das warme Areal verfolgen.

Er lauschte dem Flug eines weiteren Speeres vom Sims. Die Lanze bohrte sich in den Echowerfer und brachte ihn zum Stillstand. Der Schacht war in völlige Stille getaucht.

»Nehmt, was ihr wollt«, sagte Anselm mit schwankender Stimme, »und laßt uns in Ruhe.«

Jared bewegte sich langsam zur ersten Quelle.

»Was wißt ihr von einem Zerver, der seit den vergangenen zwanzig Wachperioden vermißt ist?« rief Mogan.

»Überhaupt nichts!« versicherte ihm Anselm.

»Ihr lügt! Aber wir werden uns selbst vergewissern, bevor wir gehen!«

Feuchte Wärme umbrodelte Jared, und er stürzte sich ganz in die Dämpfe.

»Wir wissen nichts von der Sache!« wiederholte der Boß. »Auch bei uns ist ein Senior vermißt — seit fünfzig Perioden schon!«

Jared klapperte leise mit den Zähnen, um Echos zu erzeugen, als er durch das Areal der heißen Quellen schlich. Ein Zerver vermißt? Auch ein Mann aus dem Oberen Schacht? Bestand ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Vorfällen und Owens Verschwinden? Hatte das Ungeheuer aus der Ursprungswelt doch die Barriere überstiegen?

»Norton, Seilers«, bellte Mogan, »durchsucht ihre Grotten!«

Jared ließ den letzten kochenden Krater hinter sich und trat geräuschlos um den Felsblock. Nun befand sich nur noch der große Findling zwischen ihm und dem Zerver am Eingang. Die Atemzüge und Herzschläge des Mannes verrieten seine genaue Position. Niemand hatte jemals zuvor sich einem einzelnen Zerver gegenüber auf ein solches Überraschungsmoment stützen können! Aber er mußte schnell handeln. Norton und Seilers kamen bereits den schräg abfallenden Sims herunter und mußten innerhalb der nächsten drei oder vier Atemzüge im Abstand von wenigen Schritten am Felsblock vorbeikommen.

Im nächsten Augenblick überstürzten sich die Ereignisse mit einer solchen Vehemenz, daß er nicht Schritt zu halten vermochte. Schon als er zum Sprung ansetzte, drang ihm die schreckliche Ausdünstung des Wesens aus der Ursprungswelt in die Nase. Er konnte sich jedoch nicht mehr zurückhalten.

Als er hinter dem Felsblock hervorstürmte, kreischte ein gewaltiger Kegel brausender Stille aus dem Tunnel. Die unfaßbare Empfindung traf ihn mit betäubender Gewalt mitten ins Gesicht. Es war, als öffneten sich verborgene Regionen in seinem Verstand — als überfluteten Tausende empfindlicher Nerven, die nie zuvor aktiv gewesen waren, sein Gehirn mit fremdartigen Impulsen.

Im selben Augenblick hörte er das surrende Zischen, wie es in der Ursprungswelt kurz vor Owens Zusammenbruch zu vernehmen gewesen war. Und er lauschte zuerst dem Zusammensinken des Zervers vor ihm, dann den hinter ihm aufklingenden Entsetzensschreien.

Als er sich blitzschnell umdrehte, um vor dem Ungeheuer und dem gräßlichen Lärm zu fliehen, den er weder hören noch fühlen konnte, ahnte Jared nur undeutlich den Zerverspeer, der auf ihn zuflog.

Im letzten Herzschlag versuchte er sich zur Seite zu werfen.

Aber es war zu spät.

4

Geleitet von seinen Echosteinen, ging Jared vorsichtig durch den Tunnel. Die Ungereimtheiten machten ihm schwer zu schaffen. Der Korridor schien zugleich vertraut und fremdartig. Er spürte, daß er schon einmal hier gewesen war. Dort der schmale Stein zum Beispiel, von dem kaltes Wasser in melodischer Monotonie auf die Pfütze hinabtropfte. Er war oft hier gewesen, hatte die Hände über die schlüpfrige Feuchtigkeit gleiten lassen und den herabklatschenden Tropfen gelauscht.

Und doch veränderte sich jetzt der Stein wie ein lebendiges Wesen, wuchs, bis er das Wasser berührte, schrumpfte dann in die Decke zurück. In der Nähe öffnete und schloß sich drohend ein Krater. Und der Tunnel selbst verengte und weitete sich wie die Lunge eines Riesen.