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Truls Berntsen wurde von einer kleinen Frau aufgehalten, als er und Wyller nach der Pressekonferenz in die Eingangshalle des Polizeipräsidiums traten.

»Mona Daa, VG. Sie habe ich schon mal gesehen …« Sie wandte sich von Truls ab. »Aber Sie müssen neu im Präsidium sein?«

»Stimmt«, sagte Wyller lächelnd. Truls musterte Mona Daa von der Seite. Nettes Gesicht. Breit, vielleicht samisch. Aber aus ihrem Körperbau war er nie schlau geworden. In den bunten, weiten Gewändern, die sie trug, erinnerte sie eher an eine Opernkritikerin der alten Schule als an eine hartgesottene Kriminalreporterin. Sie konnte kaum älter als dreißig sein, aber Truls hatte das Gefühl, dass sie schon immer da gewesen war. Stark, standhaft und dominant. Es brauchte schon einen Orkan, um Mona Daa umzuwerfen. Außerdem roch sie nach Mann, benutzte Gerüchten zufolge Old-Spice-Aftershave.

»Sie haben uns auf der Pressekonferenz nicht gerade viel präsentiert.« Mona Daa lächelte. Wie Journalisten lächeln, die etwas wollen. Auch wenn es ihr im Augenblick nicht vorrangig um Informationen zu gehen schien. Ihr Blick zog Wyller förmlich aus.

»Wir hatten wohl nicht mehr«, sagte Wyller und erwiderte ihr Lächeln.

»Dann darf ich Sie so zitieren?«, sagte Mona Daa und machte sich Notizen. »Name?«

»Was zitieren?«

»Dass die Polizei nicht mehr hat, als Hagen und Bratt auf der Pressekonferenz vorgetragen haben.«

Truls sah die aufkeimende Panik in Wyllers Augen. »Nein, nein, das hab ich nicht gemeint … bitte … bitte schreiben Sie nichts.«

Mona Daa antwortete, machte sich aber zeitgleich weitere Notizen: »Ich habe mich als Journalistin vorgestellt, da sollte Ihnen klar sein, dass ich beruflich hier bin.«

Wyller sah hilfesuchend zu Truls, aber Truls sagte nichts. Jetzt war der junge Mann nicht mehr so selbstsicher und arrogant wie in dieser Studenten-WG.

Wyller räusperte sich und versuchte, seiner Stimme einen tieferen Klang zu geben. »Ich untersage Ihnen, dieses Zitat zu veröffentlichen.«

»Verstehe«, sagte Daa. »Dann zitiere ich das, was klarmacht, dass die Polizei die Presse zu zensieren versucht.«

»Ich … nein, das …« Wyller wurde rot, und Truls musste sich zusammenreißen, um nicht zu lachen.

»Entspannen Sie sich, ich mach doch nur Witze«, sagte Mona Daa.

Anders Wyller starrte sie einen Augenblick lang an, dann atmete er tief durch.

»Welcome to the game. Wir spielen hart, aber fair. Und wenn wir können, helfen wir einander. Nicht wahr, Berntsen?«

Truls grunzte eine unverständliche Antwort, die man in alle Richtungen verstehen konnte.

Daa blätterte in ihrem Notizbuch. »Ich werde die Frage, ob es irgendwelche Verdächtigen gibt, nicht wiederholen, dazu sollen sich Ihre Vorgesetzten äußern. Aber lassen Sie mich generell ein paar Fragen zu den Ermittlungen stellen.«

»Nur zu«, sagte Wyller und lächelte, er saß schon wieder hoch zu Ross.

»Ist es nicht so, dass sich bei Ermittlungen in einem Mordfall wie diesem der Fokus immer auf frühere Geliebte oder Partner richtet?«

Anders Wyller wollte antworten, aber Truls legte ihm eine Hand auf die Schulter und übernahm.

»Ich sehe, worauf Sie hinauswollen, Daa: Die leitenden Ermittler wollten sich zu möglichen Verdächtigen nicht äußern, die VG hat allerdings aus Polizeikreisen erfahren, dass sich die Ermittlungen auf frühere Partner und Liebschaften richten

»Also«, sagte Mona Daa, »ich wusste ja gar nicht, dass Sie so spitzfindig sind, Berntsen.«

»Und ich wusste nicht, dass Sie meinen Namen kennen.«

»Ach, jeder Polizist hat so seinen Ruf, wissen Sie. Und das Morddezernat ist so groß ja nun auch wieder nicht. Aber was Sie angeht, weiß ich noch nichts.«

Anders Wyller lächelte blass.

»Wie ich sehe, ziehen Sie es vor, nichts mehr zu sagen. Aber ­Ihren Namen können Sie mir doch wenigstens verraten.«

»Anders Wyller.«

»Und hier finden Sie mich, Wyller.« Sie reichte ihm eine Visitenkarte, bevor sie – nach einem gewissen Zögern – auch Truls eine gab. »Wie gesagt, wir schätzen die Tradition, einander zu helfen. Und wir bezahlen durchaus gut, wenn die Tips was taugen.«

»Sie bezahlen doch wohl keine Polizisten?«, fragte Wyller und steckte ihre Karte in die Hosentasche.

»Warum nicht?«, erwiderte sie, und ihr Blick streifte Truls. »Tips sind Tips. Also rufen Sie ruhig an, wenn Ihnen etwas einfällt. Oder kommen Sie ins Gain-Fitnessstudio. Sie finden mich dort jeden Abend ab neun. Dann können wir ein bisschen zusammen schwitzen …« Sie lächelte Wyller an.

»Ich schwitze lieber draußen«, sagte Wyller.

Mona Daa nickte. »Mit dem Hund joggen. Sie sehen aus wie ein Hundetyp. Gefällt mir.«

»Warum?«

»Katzenallergie. Okay, Jungs, im Sinne der Zusammenarbeit werde ich euch anrufen, wenn ich auf etwas stoße, von dem ich glaube, dass es für euch interessant sein könnte.«

»Danke«, sagte Truls.

»Aber dafür brauche ich eine Telefonnummer, die ich anrufen kann.« Mona Daa hielt den Blick auf Wyller gerichtet.

»Sicher«, sagte er.

»Ich notiere.«

Wyller sagte Ziffer für Ziffer, bis Mona Daa den Blick hob. »Das ist doch die Nummer der Zentrale hier im Präsidium.«

»Ja, hier arbeite ich ja auch«, sagte Anders Wyller. »Außerdem habe ich eine Katze.«

Mona Daa klappte ihr Notizbuch zu. »Bis dann.«

Truls sah ihr hinterher, als sie wie ein Pinguin in Richtung Ausgang watschelte und die schwere Metalltür mit dem Bullauge aufdrückte.

»Die Besprechung beginnt um drei«, sagte Wyller.

Truls sah auf die Uhr. Die Nachmittagsbesprechung der Ermittlergruppe. Das Dezernat für Gewaltverbrechen war spitze, bis auf die Morde. Morde waren scheiße. Morde bedeuteten Überstunden, Berichte, nicht enden wollende Besprechungen und Stress. Aber wenigstens gab es in der Kantine dann Gratis-Essen. Er seufzte, drehte sich um, ging in Richtung Kontrolle im Eingangsbereich und erstarrte.

Ulla.

Was machte sie hier?

Sie war auf dem Weg nach draußen. Ihr Blick huschte über ihn, aber sie tat so, als hätte sie ihn nicht gesehen. Vielleicht weil es immer etwas peinlich war, wenn sie ein seltenes Mal ohne Mikael zusammentrafen. Sie hatten das schon immer bewusst vermieden, seit sie sich kannten. Er, weil er in ihrer Gegenwart zu schwitzen begann und sein Herz so stark schlug und weil ihn anschließend all die blöden Dinge quälten, die er gesagt hatte, und auch die intelligenten, richtigen Worte, die natürlich in dem Moment wieder nicht über seine Lippen gekommen ­waren. Und sie … weil … nun vermutlich, weil er schwitzte, sein Herz zu stark schlug und er nichts oder ausnahmslos blöde Dinge sagte.

Trotzdem hätte er dort in der Eingangshalle beinahe ihren Namen gerufen.

Aber sie war bereits durch die Metalltür verschwunden. Gleich würde draußen das Sonnenlicht ihre seidigen blonden Haare küssen.

Ulla, flüsterte er tonlos.

Kapitel 4

Donnerstag, später Nachmittag

Katrine Bratt ließ den Blick durch den Besprechungsraum schweifen, der intern nur als KO-Raum bezeichnet wurde.

Acht Ermittler, vier Analytiker, eine Kriminaltechnikerin. Sie alle standen ihr zur Verfügung und beobachteten sie – die neue Ermittlungsleiterin – mit Adleraugen. Katrine wusste, dass die größten Skeptiker im Raum ihre Kolleginnen waren. Sie hatte sich schon oft gefragt, ob sie sich von anderen Frauen wirklich so grundsätzlich unterschied. Lag es daran, dass sie ein Testo­steronniveau von nur fünf bis zehn Prozent im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen hatten, während Katrines Niveau bezogen auf die Kollegen bei fünfundzwanzig Prozent lag? Sie war deshalb kein behaartes Muskelpaket mit penisähnlicher Klitoris, aber sie brauchte den Sex mehr, als ihre wenigen Freundinnen es jemals für sich eingeräumt hatten. Und das schon solange sie denken konnte. Bjørn hatte es als »wutgeil« bezeichnet, wenn sie mitten in der Arbeitszeit nach Bryn gefahren war, damit er sie mal eben schnell in dem leeren Lagerraum hinter dem Labor durchfickte, bis die Kolben und Reagenzgläser in den Kartons zu klirren begannen.