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»Grini?«

»Ich dachte, ich könnte mich noch mal mit Hallstein Smith unterhalten.«

»Helga und ich wollten heute Abend kochen.«

»Über morbide Eifersucht. Kochen, sagst du? Verstehe. Ich schaffe es schon, alleine nach Grini zu kommen.«

»Grini liegt doch fast auf der Strecke, also in Ordnung.«

»Fahr und koch mit Helga, bei Smith kann das dauern.«

»Zu spät, jetzt habe ich gesagt, dass ich mitkomme.« Oleg beschleunigte, überholte einen Traktor und schaltete das Fernlicht ein.

Schweigend fuhren sie ein ganzes Stück weiter.

»Sechzig«, sagte Harry und tippte etwas in sein Telefon.

»Und glatt«, sagte Oleg und nahm den Fuß für einen Moment vom Gaspedal.

»Wyller?«, sagte Harry. »Harry Hole hier. Ich hoffe, du sitzt zu Hause und langweilst dich, schließlich ist Samstagabend. Oh? Dann musst du dieser netten Frau erklären – wer auch immer sie ist –, dass du einem abgehalfterten, aber sagenumwobenen Polizisten helfen musst, ein paar Sachen zu überprüfen.«

»Morbide Eifersucht«, sagte Hallstein Smith und sah seine beiden Besucher voller Begeisterung an. »Ein höchst interessantes Thema. Aber seid ihr wirklich den weiten Weg gekommen, um mit mir darüber zu reden? Ist das nicht eher Ståle Aunes Fach­gebiet?«

Oleg nickte, er schien ganz seiner Meinung zu sein.

»Ich wollte mit dir sprechen, weil du Zweifel hast«, sagte Harry.

»Zweifel?«

»Du hast so was gesagt. An dem Abend, als Valentin hierher­gekommen ist. Ich glaube, du hast gesagt, er wusste es

»Was wusste?«

»Das hast du nicht gesagt.«

»Ich stand unter Schock, ich habe da bestimmt eine ganze Menge gesagt.«

»Nein, ausnahmsweise hast du mal ziemlich wenig gesagt.«

»Hast du das gehört, May?« Hallstein sah lachend zu seiner kleinen Frau hinüber und schenkte ihnen Tee ein.

Sie nickte lächelnd, nahm die Kanne und eine Tasse und verschwand im Wohnzimmer.

»Ich habe er wusste es gesagt, und du hast das so gedeutet, als hätte ich Zweifel?«, fragte Smith.

»Hört sich für mich so an, als wäre da etwas unklar«, sagte Harry. »Dass du dich gewundert hast, dass Valentin etwas wusste. Irre ich mich?«

»Ich weiß nicht, Harry. Zu meinem Unterbewusstsein kannst du vielleicht ebenso gut was sagen wie ich, vielleicht sogar mehr. Warum fragst du?«

»Weil da ein Mann aufgetaucht ist. Das heißt, er hatte es sehr eilig, sich nach Thailand abzusetzen. Ich habe Wyller gebeten, das zu überprüfen, aber der Betreffende steht für den entsprechenden Zeitraum auf keiner der Passagierlisten. Und in den letzten drei Monaten scheint er seine Kreditkarte nicht benutzt zu haben. Weder in Thailand noch sonst wo. Und nicht weniger interessant ist, dass Wyller seinen Namen auf der Liste derjenigen gefunden hat, die im letzten Jahr einen 3-D-Drucker gekauft haben.«

Smith sah Harry lange an. Dann drehte er sich um und starrte aus dem Küchenfenster. Der Schnee lag wie eine weiche, glitzernde Daunendecke über den dunklen Feldern. »Valentin wusste, wo mein Büro ist. Das meinte ich mit er wusste es

»Deine Adresse, meinst du?«

»Nein, ich meine die Tatsache, dass er direkt in den Stall gegangen ist. Er wusste nicht nur, dass dort mein Büro ist, sondern auch, dass ich da in der Regel noch sehr spät am Abend sitze.«

»Vielleicht hat er das Licht hinter dem Fenster gesehen?«

»Vom Tor aus sieht man das Fenster nicht. Kommt mal mit, ich zeige euch was.«

Sie gingen in den Stall und betraten Smiths Büro, dort schaltete er den Computer ein.

»Ich habe hier alle Videoaufzeichnungen, ich muss nur das richtige Datum finden«, sagte Smith und tippte etwas in die Tastatur.

»Coole Zeichnung«, sagte Oleg und nickte in Richtung des Fledermausmanns an der Wand. »Gruselig.«

»Alfred Kubin«, sagte Smith. »Eines seiner Vampirbilder. Mein Vater hatte ein Buch mit Kubin-Bildern, in dem ich zu Hause geblättert habe, während die anderen Jugendlichen im Kino irgendwelche Horrorfilme geschaut haben. May duldet keine Kubin-Bilder im Haus. Sie behauptet, davon Alpträume zu bekommen. Apropos Alpträume, hier ist die Aufnahme von Valentin.«

Smith streckte den Arm aus, und Harry und Oleg beugten sich über seine Schultern.

»Hier kommt er in den Stall. Seht ihr, er zögert nicht, er weiß genau, wo er hinwill. Wie kann das sein? Die wenigen Therapiesitzungen, die ich mit Valentin hatte, waren nicht hier, sondern in einer gemieteten Praxis in der Stadt.«

»Du meinst, dass ihn jemand instruiert hat?«

»Ich meine, dass ihn jemand instruiert haben könnte. Das war von Anfang an das Seltsame an dieser Sache. Vampiristen haben ganz einfach nicht die Fähigkeit, alles so gut zu planen, wie es bei diesen Morden den Anschein hatte.«

»Hm. Wir haben zu Hause bei Valentin keinen 3-D-Drucker gefunden. Ein anderer könnte also die Schlüssel für ihn gedruckt haben. Eine Person, die vorher schon mal Schlüsselkopien für sich selbst erstellt hat und in Wohnungen von Frauen eingestiegen ist, die ihn abserviert und stattdessen andere Männer getroffen haben.«

»Größere Männer«, sagte Smith.

»Eifersucht«, sagte Harry. »Morbide Eifersucht. Aber bei einem Mann, der keiner Fliege was zuleide tun kann? So jemand bräuchte dann einen Stellvertreter. Jemanden, der das kann, was er selbst nicht kann.«

»Einen Mörder«, sagte Smith und nickte langsam.

»Jemanden, der Spaß am Töten hat. Valentin Gjertsen. Wir haben also einen, der alles vorbereitet, und einen, der die Tat ausführt. Agent und Artist.«

»Mein Gott«, sagte Smith und fuhr sich mit der Handfläche über die Wangen. »Dann macht meine Doktorarbeit langsam wirklich Sinn.«

»Inwiefern?«

»Ich war in Lyon und habe da einen Vortrag über die Vampiristenmorde gehalten. Meine Kollegen waren von meiner Pionierarbeit begeistert, aber ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass sie nicht perfekt und keinesfalls bahnbrechend ist. Die Morde stimmen nämlich nicht mit dem Profil überein, das ich für den Vampiristen erstellt habe.«

»Und das wäre wie?«

»Ein Vampirist ist eine Person mit schizophrenen, paranoiden Zügen, die in ihrem unbändigen Blutrausch Menschen in ihrem Umfeld tötet, also Menschen, an die sie einfach herankommt. So jemand wäre nicht in der Lage, Morde zu begehen, die viel Vor­bereitung, Planung und Geduld erfordern. Die Morde, die unser Vampirist begangen hat, deuten eher auf einen Ingenieur als Tätertyp hin.«

»Ein Hirn«, sagte Harry. »Ein Stratege, der auf Valentin zugegangen ist, der selbst nichts mehr tun konnte, ohne gleich von der Polizei gefasst zu werden. Dieser Jemand bietet Valentin die Schlüssel zu Wohnungen allein lebender Frauen an. Fotos, Informationen, Bewegungsmuster und Routinen, alles, was Valentin braucht, um sie sich holen zu können, ohne dabei selbst in den Vordergrund zu treten. Wie kann er so ein Angebot ablehnen?«

»Eine perfekte Symbiose«, sagte Smith.

Oleg räusperte sich.

»Ja?«, sagte Harry.

»Die Polizei fahndet seit Jahren ergebnislos nach Valentin. Wie hat Lenny ihn gefunden?«

»Gute Frage«, sagte Harry. »Im Gefängnis haben sie sich nicht kennengelernt, Lenny Hells Akte ist blitzsauber.«

»Was hast du da gesagt?«, fragte Smith.

»Blitzsauber.«

»Nein, der Name.«

»Lenny Hell«, wiederholte Harry. »Was ist damit?«

Hallstein Smith antwortete nicht. Er starrte Harry nur mit offenem Mund an.

»Oh Scheiße«, sagte Harry leise.

»Wieso Scheiße?«, fragte Oleg.

»Patienten«, sagte Harry. »Derselbe Psychologe. Valentin Gjertsen und Lenny Hell haben sich im Wartezimmer kennen­gelernt. Richtig, Hallstein? Komm schon, das Risiko, dass noch weitere Morde geschehen könnten, enthebt dich deiner Schweigepflicht.«

»Ja, es stimmt. Lenny Hell war vor einiger Zeit mein Patient. Und er war hier bei mir, er kannte meine Gewohnheit, bis spät in die Nacht im Stall zu arbeiten. Valentin und er können sich aber nicht hier getroffen haben. Valentins Therapiesitzungen waren alle in der Stadt.«