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»Im Grunde, nein. Aber jetzt, wo du das sagst.«

»Ihr Männer seid so naiv.«

»Das sichert uns das Überleben.«

»Als ob ihr das tun würdet. Wir sind dabei, den Planeten zu übernehmen, ist dir das noch nicht aufgefallen?«

»Doch, und die Tatsache, dass ihr mitten in der Nacht arbeitet, ist auch irgendwie bedenklich. Ziemlich bedenklich. Gute Nacht, Paula!«

»Nacht!«

»Ach, Paula, was vergessen.«

»Ja?«

»Wie hat Wyller das gemeint? Was solltest du vergessen?«

»Die Verbindung.«

»Zwischen was?«

»Dem Haar und den DNA-Profilen des Vampiristenfalls.«

»Und um wen geht es?«

»Das weiß ich doch nicht. Wir haben, wie gesagt, nur Nummern. Wir wissen nicht einmal, ob die Nummern zu Verdächtigen oder zu Polizisten gehören, die an den Tatorten gearbeitet haben.«

Harry sagte eine ganze Weile nichts. »Hast du die Nummer?«, fragte er schließlich.

»Guten Abend«, sagte der ältere Rettungssanitäter, als er in den Pausenraum der Notaufnahme kam.

»Guten Abend, Hansen«, erwiderte die einzige andere Person im Raum und goss Kaffee in einen Becher.

»Ihr Polizeifreund hat gerade angerufen.«

Oberarzt John Doyle Steffens drehte sich um und zog eine ­Augenbraue hoch.

»Habe ich Freunde bei der Polizei?«

»Er hat auf jeden Fall von Ihnen gesprochen. Ein Harry Hole.«

»Was wollte er?«

»Er hat uns ein Bild von einer Blutlache geschickt und uns ­gebeten, eine Einschätzung zu geben, wie viel Blut das ist. Er meinte, Sie hätten das schon einmal anhand eines Tatortfotos gemacht, und dass wir, die wir ja regelmäßig an Unfallorte kämen, darin trainiert seien. Da musste ich ihn aber enttäuschen.«

»Interessant«, sagte Steffens und nahm ein Haar von seiner Schulter. Er sah in dem zunehmenden Haarausfall keine Alterungserscheinung, sondern die Bestätigung, dass er in Saft und Kraft stand und abwarf, was er nicht brauchte. »Warum hat er mich nicht direkt gefragt?«

»Er hat sicher nicht damit gerechnet, dass ein Oberarzt mitten in der Nacht arbeitet. Und es schien eilig zu sein.«

»So, so. Hat er gesagt, was er damit will?«

»Was mit seiner Arbeit, hat er gesagt.«

»Haben Sie das Bild?«

»Hier.« Der Sanitäter nahm sein Handy und zeigte dem Oberarzt die MMS.

Steffens warf einen raschen Blick auf das Display. Es zeigte eine Blutlache auf einem Fußboden. Neben der Lache lag ein Lineal.

»Anderthalb Liter«, sagte Steffens. »Ziemlich genau sogar. Sie können ihn anrufen und ihm das sagen.« Er nippte an seinem Kaffee. »Ein Dozent, der mitten in der Nacht arbeitet, was ist nur aus dieser Welt geworden.«

Der Sanitäter amüsierte sich. »Dasselbe könnte man wohl von Ihnen sagen, Steffens.«

»Was?«, fragte der Oberarzt und überließ dem anderen den Platz an der Kaffeekanne.

»Jede zweite Nacht, Steffens. Was machen Sie hier eigentlich?«

»Patienten aufnehmen, die schwer verletzt sind.«

»Das weiß ich, aber warum? Sie haben einen festen Job als Oberarzt in der Hämatologie und machen trotzdem diese Extraschichten hier in der Notaufnahme. Das ist ziemlich ungewöhnlich.«

»Wer will schon etwas Gewöhnliches? Man ist doch am liebsten da, wo man zu etwas zu gebrauchen ist, oder?«

»Dann haben Sie keine Familie, die Sie auch mal zu Hause haben möchte?«

»Nein, aber ich habe Kollegen, deren Familien froh sind, wenn sie nicht zu Hause sind.«

»Haha. Sie tragen aber doch einen Ehering.«

»Und Sie haben Blut am Ärmel, Hansen. Haben Sie jemanden mitgebracht, der blutet?«

»Ja. Sind Sie geschieden?«

»Witwer.« Steffens trank noch einen Schluck Kaffee. »Ist der Patient eine Frau, ein Mann, jung oder alt?«

»Eine Frau in den Dreißigern, warum?«

»Nur so. Wo ist sie jetzt?«

»Ja?«, flüsterte Bjørn Holm.

»Hier ist Harry. Warst du schon im Bett?«

»Es ist zwei Uhr nachts, was glaubst du denn?«

»Es waren rund anderthalb Liter Blut von Valentin auf dem Boden in Smiths Büro.«

»Ja, und?«

»Einfache Mathematik, er war zu schwer.«

Harry hörte, wie das Bett knarzte, dann die Bettwäsche raschelte, bevor Bjørn sich flüsternd wieder meldete: »Von was redest du eigentlich?«

»Du siehst das auf der Waage, wenn Valentin wieder geht. Er wiegt nur anderthalb Kilo weniger als bei seinem Kommen.«

»Anderthalb Liter Blut wiegen anderthalb Kilo, Harry.«

»Das weiß ich. Und uns fehlen Beweise. Wenn wir die haben, erkläre ich dir alles. Und das darfst du niemandem sagen, verstanden? Nicht mal der Person, die neben dir im Bett liegt.«

»Sie schläft.«

»Das höre ich.«

Bjørn lachte trocken. »Sie schnarcht für zwei.«

»Können wir uns morgen früh um acht im Heizungsraum treffen?«

»Ja, wird schon gehen. Kommen Smith und Wyller auch?«

»Smith treffen wir bei seiner Disputation am Freitag.«

»Und Wyller?«

»Nur du und ich, Bjørn, und ich will, dass du Hells PC und Valentins Revolver mitbringst.«

Kapitel 38

Donnerstagmorgen

»Du bist aber früh dran, Bjørn«, sagte der ältere Beamte in der Asservatenkammer.

»Guten Morgen, Jens, ich brauche noch mal ein paar Sachen aus dem Vampiristenfall.«

»Tja, der ist ja plötzlich wieder in aller Munde. Vom Dezernat für Gewaltverbrechen war gestern auch schon wer hier und hat was geholt. Ich meine, die Box steht im G-Regal. Aber schauen wir mal, was diese Höllenmaschine sagt …« Er tippte auf der Tastatur herum, als wären die Tasten glühend heiß, und ließ seinen Blick über den Bildschirm gleiten. »Also … das Mistding hat sich wieder aufgehängt …« Er sah Bjørn mit einem ebenso resignierten wie hilfesuchenden Blick an. »Bjørn, das war doch wirklich besser, als wir einfach in einem Ordner nachschlagen konnten, oder? Da haben wir noch gefunden, was …«

»Wer vom Dezernat war hier?«, fragte Bjørn Holm und versuchte, seine Ungeduld nicht zu zeigen.

»Wie heißt der noch mal? Der mit den Zähnen.«

»Truls Berntsen?«

»Nein, nein, der mit den schönen Zähnen. Der Neue.«

»Anders Wyller«, sagte Bjørn.

»Hm«, sagte Harry und lehnte sich auf seinem Stuhl im Heizungsraum zurück. »Er hat die Redhawk von Valentin geholt?«

»Und die Eisenzähne und die Handschellen.«

»Und Jens wusste nicht, was Wyller damit wollte?«

»Nein, er hatte keine Ahnung. Ich habe versucht, Wyller anzurufen, aber man hat mir gesagt, er hätte heute frei, weshalb ich versucht habe, ihn über sein Handy zu erreichen.«

»Und?«

»Er geht nicht dran. Vermutlich schläft er, ich kann es nachher ja noch mal versuchen.«

»Nein«, sagte Harry.

»Nicht?«

Harry schloss die Augen. »Am Ende werden wir alle überlistet«, flüsterte er.

»Was?«

»Ach nichts. Komm, wir fahren zu Wyller und wecken ihn. Rufst du im Dezernat an und fragst nach seiner Adresse?«

Eine halbe Minute später legte Bjørn den Hörer auf und nannte betont deutlich die Adresse.

»Du machst Witze«, sagte Harry.

Bjørn Holm bog mit seinem Volvo Amazon in die stille Straße ein und rollte langsam an verschneiten Autos vorbei, die sich unter dem Schnee zu verstecken schienen.

»Hier ist es«, sagte Harry, beugte sich vor und sah an dem dreistöckigen Gebäude hoch. An der hellblauen Fassade prangte ein Graffito.

»Sofies gate 5«, sagte Bjørn. »Nicht gerade Holmenkollen …«

»Ein anderes Leben«, sagte Harry. »Warte hier!«

Harry stieg aus, ging die zwei Stufen zur Haustür hoch und ließ seinen Blick über die Klingelknöpfe schweifen. Ein Teil der alten Namen war nicht mehr da. Wyllers Name stand weiter unten, als seiner seinerzeit gestanden hatte. Er klingelte. Wartete. Klingelte noch einmal. Nichts. Er wollte gerade ein drittes Mal klingeln, als die Tür aufging und eine junge Frau nach draußen hastete. Harry hielt die Tür fest, bevor sie ins Schloss fallen konnte, und ging ins Haus.