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Smith seufzte. »Du wärst gut als Psychologe, Harry. Patienten lieben stille Psychologen, sie glauben, dass sie dann umso gründlicher analysiert werden. Professionelles Schweigen kommt immer gut. Aber, ach zum Teufel damit …«

Sie näherten sich Høvikodden, und der Oslofjord tauchte wieder zu ihrer Linken auf. Harry rechnete damit, dass die Polizei in Höhe von Asker, wo sie in zehn Minuten sein würden, eine Straßensperre errichtet hatte.

»Kannst du dir vorstellen, was für ein Geschenk es für mich war, als du mich gefragt hast, ob ich eure Ermittlungen unterstützen könnte? Ich war so überrascht, dass ich anfangs sogar abgelehnt habe. Bis mit klarwurde, dass ich dann ja alle Informationen hätte und Valentin warnen könnte, solltet ihr ihm zu nahe kommen und ihn an weiteren Taten hindern. Mein Vampirist konnte berühmter werden als Kürten, Haigh und Chase, ja, er könnte der Meister aller sein. Aber dann war ich trotzdem nicht über alles informiert. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass das türkische Bad überwacht wurde, bis wir im Auto auf dem Weg dorthin waren. Und ich begann, die Kontrolle über Valentin zu verlieren. Er hat den Barkeeper getötet und Marte Ruud entführt. Zum Glück bekam ich rechtzeitig mit, dass ihr über den Bankautomaten seinen Decknamen Alexander Dreyer ermitteln konntet, so dass ich ihn warnen und er rechtzeitig aus der Wohnung fliehen konnte. Zu diesem Zeitpunkt wusste Valentin, dass ich, sein früherer Psychologe, der Mann war, der alle Fäden in der Hand hielt. Aber egal. Mit wem er im Boot saß, war ihm gleich. Dann bemerkte ich, dass das Netz immer enger gezogen wurde und es an der Zeit für das große Finale war, das ich schon eine ganze Weile geplant hatte. Er hatte seine Wohnung verlassen und war auf meinen Rat für den Übergang ins Plaza Hotel gezogen. Ich habe ihm dort dann einen Umschlag zukommen lassen mit Schlüsselkopien zu unserem Hoftor, dem Stall und meinem Büro und ihn instruiert, sich dort gegen Mitternacht, wenn alle im Bett waren, zu verstecken.

Ich kann natürlich nicht ausschließen, dass er gewisse Vorahnungen hatte, aber welche Alternativen hatte er, nachdem sein Deckname aufgeflogen war? Er musste ganz einfach darauf setzen, dass er mir vertrauen konnte. Und was das Arrangement angeht, musst du mir doch wohl ein Lob aussprechen, Harry! Dass ich dich und Katrine angerufen habe und so neben den Aufnahmen der Überwachungskameras auch noch Zeugen am Telefon hatte, war doch wohl genial. Was dann passiert ist, kann man natürlich als kaltblütige Liquidierung bezeichnen. Dass ich ganz bewusst die Geschichte von dem mutigen Forscher kon­struiert habe, der den Serienmörder mit seinen Äußerungen in Rage gebracht und ihn schließlich in Notwehr erschossen hat. Natürlich war das auch der Grund dafür, dass ausländische Presseleute zu meiner Disputation gekommen sind und ganze vierzehn internationale Verlage die Rechte erworben haben, um meine Doktorarbeit zu publizieren. Zu guter Letzt ist das alles aber Forschung, Harry, Wissenschaft. Fortschritt. Es ist durchaus möglich, dass der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert ist, aber der Weg in eine leuchtende, menschliche Zukunft fordert auch Opfer.«

Oleg drehte den Zündschlüssel.

»Die Notaufnahme im Ullevål!«, rief der junge blonde Beamte vom Rücksitz. Neben ihm lag Truls Berntsen, den Kopf auf seinem Schoß. Beide waren über und über mit Berntsens Blut besudelt. »Vollgas, und drück auf die Hupe!«

Oleg wollte gerade die Kupplung kommen lassen, als eine der hinteren Türen aufgerissen wurde.

»Nein!«, rief der Beamte wutschnaubend.

»Mach Platz, Anders!« Es war Steffens. Er zwang den jungen Beamten, auf der anderen Seite einzusteigen.

»Halte seine Beine hoch!«, kommandierte Steffens, der jetzt Berntsens Kopf hielt. »Damit er Blut …«

»… ins Herz und ins Gehirn kriegt«, sagte Anders.

Oleg ließ die Kupplung kommen, und sie schleuderten kon­trolliert vom Parkplatz auf die Straße, wo sie sich zwischen eine klingelnde Straßenbahn und ein hupendes Taxi schoben.

»Wie sieht es aus, Anders?«

»Check das doch selbst!«, fauchte Anders. »Bewusstlos, schwacher Puls, aber er atmet. Die Schusswunde ist, wie du siehst, im rechten Hemithorax.«

»Die ist nicht das Problem«, sagte Steffens. »Die Austrittswunde ist viel schlimmer. Hilf mir, ihn umzudrehen.« Oleg warf einen Blick in den Rückspiegel. Sah, wie sie Truls Berntsen auf die Seite drehten und sein Hemd aufrissen. Dann konzentrierte er sich wieder auf die Straße, drückte die Hupe, um an einem Lastwagen vorbeizukommen, und beschleunigte und fuhr bei Rot über eine Ampel.

»Oh, verdammt!«, stöhnte Anders.

»Ja, das Loch ist schrecklich groß«, sagte Steffens. »Die Kugel scheint ein Stück der Rippe nach außen zu drücken. Er wird uns verbluten, bevor wir im Krankenhaus sind, wenn wir nicht …«

»Wenn wir was nicht?«

Oleg hörte Steffens tief durchatmen. »Wenn wir nicht einen besseren Job machen, als ich es bei deiner Mutter getan habe. Leg die Handballen auf beide Seiten der Wunde – so – und drücke sie fest zusammen. Schließ die Wunde, so gut es geht. Mehr können wir nicht tun.«

»Meine Hände rutschen weg.«

»Reiß was von seinem Hemdstoff ab und leg das unter deine Hände, das erhöht die Reibung.«

Oleg hörte Anders schwer atmen. Noch einmal warf er einen Blick in den Rückspiegel und sah, dass Steffens einen Finger auf Berntsens Brust gelegt hatte und mit einem anderen darauf klopfte.

»Ich perkutiere, aber ich sitze hier zu eingeengt, um ihn abzuhören«, sagte Steffens. »Kannst du …?«

Anders beugte sich vor, ohne die Wunde loszulassen, und legte sein Ohr auf Berntsens Brust.

»Dumpf«, sagte er. »Keine Luft. Glaubst du …?«

»Ja, ich befürchte einen Hämothorax«, sagte Steffens. »Die Lunge füllt sich mit Blut und wird gleich kollabieren. Oleg …«

»Hab’s gehört«, sagte Oleg und drückte das Gaspedal durch.

Katrine stand mitten auf dem Universitätsplatz, drückte sich das Handy ans Ohr und sah nach oben zum leeren, wolkenlosen Himmel. Der Polizeihelikopter, den sie bei Heli in Gardermoen angefordert hatte, war noch nicht zu sehen. Sie hatte die Kollegen beauftragt, auf dem Weg nach Oslo den Verkehr auf der E6 in Richtung Norden zu überprüfen.

»Nein, wir haben keine Handys, die wir anpeilen könnten«, rief sie über die lauten Sirenen hinweg, die aus verschiedenen Richtungen in der Stadt zu hören waren. »Keine registrierten Mautpassagen, nichts. Wir errichten Sperren auf der E6 und der E18 in Richtung Süden. Ich sage Bescheid, sobald wir etwas haben.«

»Okay«, antwortete Falkeid am anderen Ende. »Wir sind on standby.«

Katrine beendete das Gespräch, aber ihr Handy klingelte gleich wieder.

»Asker-Polizei auf der E18. Wir haben einen Lastwagen gestoppt und platzieren ihn unmittelbar an der Abfahrt Asker quer auf der Straße, so dass wir den Verkehr über den Kreisverkehr umleiten können. Ein schwarzer 70er-Amazon mit Rallyestreifen, richtig?«

»Ja.«

»Reden wir da wirklich von dem schlechtestmöglichen Fluchtwagen überhaupt?«

»Hoffen wie es mal. Halten Sie mich auf dem Laufenden.«

Bjørn kam angejoggt. »Oleg und der Oberarzt fahren Berntsen ins Ullevål«, schnaufte er. »Wyller ist auch mit.«

»Wie stehen die Chancen, dass er überlebt?«

»Ich kenne mich nur mit Leichen aus.«

»Okay, sah Berntsen aus wie eine?«

Bjørn Holm zuckte mit den Schultern. »Er hat noch immer geblutet, und das heißt doch wohl, dass er noch nicht ganz leer ist.«

»Und Rakel?«

»Sie sitzt noch drinnen im Saal und kümmert sich um Bellmans Frau, die ist ziemlich fertig. Bellman selbst musste weg, um die Operation von einem Ort aus zu steuern, von wo er den Überblick hat. Das hat er jedenfalls so gesagt.«