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»Ein Satanist?«, fragte Skarre.

»Katrine dachte an die Möglichkeit, dass jemand seine Zähne geschliffen haben könnte. Wir haben das anhand der Druckspuren überprüft, und es ist zu erkennen, dass die Zähne nicht exakt übereinanderliegen, sondern so versetzt sind, dass sie perfekt ineinandergreifen. Ergo ist das kein normaler menschlicher Kiefer. Außerdem haben wir, wie gesagt, auch Rost gefunden, und das hat mich auf den Gedanken gebracht, dass eine Art ­Eisengebiss zum Einsatz gekommen sein könnte.«

Bjørn tippte wieder etwas in seinen Laptop.

Katrine hörte, wie alle die Luft anhielten.

Auf der Leinwand war ein Gegenstand zu sehen, den Katrine auf den ersten Blick für das alte, rostige Fangeisen gehalten hätte, das sie einmal bei ihrem Großvater in Bergen gesehen hatte. Er hatte das Ding Bärenfalle genannt. Es sah aus wie ein Gebiss. Spitze Zähne bildeten ein Zickzackmuster, und Unter- und Oberteil waren mit einer Art Feder verbunden.

»Dieses Ding ist aus einer privaten Sammlung in Caracas und stammt angeblich aus der Sklavenzeit. Damals wurden Menschenkämpfe veranstaltet. Jeweils zwei Sklaven wurden mit solchen Gebissen ausgestattet, dann hat man ihnen die Hände auf dem Rücken gefesselt und sie aufeinander losgelassen. Der Überlebende kam eine Runde weiter. Nehme ich an …«

»Danke«, sagte Katrine.

»Ich habe versucht herauszufinden, wo man solche Eisengebisse herkriegt. Einfach bestellen kann man die Dinger nicht. Wenn wir also jemanden finden, der solche Teile in Oslo oder Norwegen verkauft hat, und wissen, an wen er sie verkauft, haben wir sicher einen sehr überschaubaren Täterkreis.«

Katrine stellte für sich fest, dass Bjørn weit mehr als nur die Arbeit des Kriminaltechnikers gemacht hatte.

»Und noch etwas«, fuhr Bjørn fort. »Es fehlt Blut.«

»Fehlt?«

»Die Blutmenge eines erwachsenen Menschen beträgt durchschnittlich sieben Prozent des Körpergewichts. Es gibt indivi­duelle Unterschiede, aber selbst wenn Elise Hermansen am unteren Ende der Skala gelegen hat, fehlt gut ein halber Liter. Alles eingerechnet, also das Blut an der Leiche, auf dem Teppich im Flur, auf dem Parkett und das bisschen, das auf dem Bett war. Wenn der Täter die fehlende Menge nicht in einem Eimer wegtransportiert hat …«

»… hat er sie getrunken«, vollendete Katrine.

Drei Sekunden lang war es vollkommen still.

Wyller räusperte sich. »Und was ist mit der schwarzen Farbe?«

»Auf der Farbe gab es ebenfalls Rost, sie stammt also auch von dem Gebiss«, sagte Bjørn und zog den Anschluss des Beamers aus dem Laptop. »Aber die Farbe ist nicht so alt. Ich werde sie heute Nacht analysieren.«

Katrine sah den Anwesenden an, dass sie das mit der Farbe nicht mitbekommen hatten, sondern in Gedanken noch bei dem Blut waren.

»Danke, Bjørn«, sagte Katrine, stand auf und sah auf die Uhr. »Also, dann lasst uns jetzt durch die Kneipen ziehen. Es ist bald Schlafenszeit, deshalb schlage ich vor, dass alle, die Kinder haben, nach Hause gehen, und wir Kinderlosen teilen uns auf.«

Keine Antwort, kein Lachen, nicht mal ein Lächeln.

»Gut, dann machen wir das so«, sagte Katrine.

Sie war entsetzlich müde, was sie schnell verdrängte, weil sie ahnte, dass das nur der Anfang war. Ein Eisengebiss und keine DNA. Ein halber Liter verschwundenes Blut.

Stuhlbeine schrammten über den Boden.

Sie packte ihre Unterlagen zusammen, hob den Blick und sah Bjørn aus dem Raum gehen. Eine merkwürdige Mischung aus Erleichterung, schlechtem Gewissen und Selbstverachtung machte sich in ihr breit. Und sie dachte, dass sich das irgendwie … falsch anfühlte.

Kapitel 5

Donnerstag, Abend und Nacht

Mehmet Kalak betrachtete die beiden Personen vor sich. Die Frau hatte ein hübsches Gesicht und eindringliche Augen. Sie trug Hipster-Kleider und war dermaßen durchtrainiert, dass sie ihren gut zehn Jahre jüngeren, attraktiven Begleiter vermutlich längst um den Finger gewickelt hatte. Genau diese Klientel wünschte er sich, deshalb hatte er extra breit gelächelt, als die beiden in die Jealousy Bar gekommen waren.

»Was meinen Sie?«, fragte die Frau. Sie sprach Bergener Dialekt. Er hatte nur den Nachnamen mitbekommen, Bratt, und dass sie von der Polizei war.

Mehmet senkte den Blick und sah sich noch einmal das Foto an, das vor ihm auf dem Tisch lag.

»Ja«, sagte er.

»Ja?«

»Ja, die war gestern Abend hier.«

»Sind Sie sicher?«

»Sie saß ungefähr da, wo Sie jetzt sitzen.«

»Hier? Allein?«

Mehmet bemerkte, dass die Frau versuchte, ihre große Nervosität zu verbergen. Warum tun die Menschen das? Was ist so schlimm daran, Gefühlsregungen zu zeigen? Er wollte seinen einzigen Stammgast nicht anschwärzen, aber sie war von der Polizei.

»Sie war mit einem Mann zusammen, der oft hier ist. Was ist denn passiert?«

»Lesen Sie keine Zeitung?«, fragte der junge blonde Mann mit der hellen Stimme.

»Nein, ich ziehe Medien vor, die wirklich Neuigkeiten bringen«, sagte Mehmet.

Bratt lächelte. »Die Frau wurde gestern Morgen ermordet aufgefunden. Was können Sie uns über diesen Mann sagen? Was haben die beiden hier gemacht?«

Mehmet fühlte sich, als hätte jemand einen Eimer Eiswasser über ihm ausgeleert. Ermordet? Die Frau, die vor weniger als vierundzwanzig Stunden vor ihm gestanden hatte, war jetzt eine Leiche? Er versuchte, sich zusammenzureißen. Und schämte sich für den automatisch aufpoppenden Gedanken: Wenn die Bar jetzt in den Zeitungen erwähnt würde, war das gut oder schlecht fürs Geschäft? Andererseits, viel schlechter konnte es ja eigentlich nicht mehr gehen.

»Tinder-Dating«, sagte er. »Er trifft seine Dates in der Regel hier. Er nennt sich Geir.«

»Nennt sich?«

»Ich tippe, dass er wirklich so heißt.«

»Bezahlt er nicht mit Karte?«

»Doch.«

Sie nickte in Richtung der Kasse. »Meinen Sie, Sie könnten die Abrechnung von gestern Abend heraussuchen?«

»Ich denke, das wäre möglich, ja«, erwiderte Mehmet etwas mürrisch.

»Sind die beiden gemeinsam gegangen?«

»Definitiv nicht.«

»Und das heißt?«

»Dass Geir wie gewöhnlich die Latte etwas zu hoch gelegt hatte. Das war eigentlich schon klar, als sie ihre Drinks bestellt haben. Apropos, wollen Sie etwas …?«

»Nein, danke«, sagte Bratt. »Wir sind im Dienst. Dann ist sie allein hier aufgebrochen?«

»Ja.«

»Und Sie haben nicht gesehen, ob ihr jemand gefolgt ist?«

Mehmet schüttelte den Kopf, stellte zwei Gläser auf den Tisch und nahm die Flasche Apfelmost. »Der geht aufs Haus. Frisch gepresst und aus der Gegend. Sie können dann ja ein andermal wiederkommen. Dann spendiere ich Ihnen ein Bier. Das erste geht aufs Haus. Das Gleiche gilt natürlich auch für Ihre Kollegen. Gefällt Ihnen die Musik?«

»Ja«, sagte der junge Mann. »U2 ist …«

»Nein«, sagte Bratt. »Hat die Frau vielleicht etwas gesagt, das für uns von Interesse sein könnte?«

»Nein. Oder … jetzt, wo Sie es sagen. Sie hat von einem Typen gesprochen, der sie gestalkt hat.« Mehmet sah von den Gläsern auf. »Die Musik war leise, und sie hat laut gesprochen.«

»Sicher. Waren noch andere in der Kneipe, die sich für die Frau interessiert haben?«

Mehmet schüttelte den Kopf. »Es war ein ruhiger Abend.«

»Wie heute also?«

Mehmet zuckte mit den Schultern. »Die beiden anderen Gäste waren schon weg, als Geir ging.«

»Dann dürfte es ja nicht so schwierig werden, die Kartennummern der Gäste herauszusuchen?«

»Einer hat bar bezahlt, der andere hat gar nichts bestellt.«

»Okay. Wo waren Sie selbst zwischen zweiundzwanzig Uhr und ein Uhr nachts?«

»Ich? Ich war hier. Und dann zu Hause.«

»Kann das jemand bestätigen? Nur damit wir Sie gleich abhaken können.«