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Ich war mir nicht sicher, ob sie nicht recht hatten. Das Tier hatte selbst den Brand des Haupthauses unbeschadet überlebt. Sie war in einem Schauer aus brennendem Holz aus ihrer Höhle unter dem Fundament gekrochen, gefolgt von ihrem jüngsten Wurf halb ausgewachsener Ferkel.

»Moby Dick!«, sagte ich jetzt, weil mir eine Idee gekommen war.

Rollo hob mit einem erschrockenen »Wuff?« den Kopf, sah mich mit gelben Augen an und bettete ihn wieder auf seine Pfoten.

»Dick wer?«, sagte Jamie schläfrig. Er setzte sich stöhnend auf und räkelte sich, dann rieb er sich das Gesicht und blinzelte mich an.

»Mir ist gerade eingefallen, an wen mich diese Sau erinnert«, erklärte ich. »Lange Geschichte. Über einen Wal. Ich erzähle sie dir morgen.«

»Wenn ich dann noch lebe«, sagte er und gähnte so herzhaft, dass er sich fast den Kiefer ausrenkte. »Wo ist denn der Whisky – oder brauchst du ihn für das arme alte Mütterchen?« Er nickte auf Großmütterchen MacLeods Gestalt, die in eine Decke gehüllt war.

»Noch nicht. Hier.« Ich bückte mich und kramte in dem Korb unter meinem Stuhl, um eine zugekorkte Flasche zum Vorschein zu bringen.

Er zog den Korken heraus und trank, und langsam kehrte die Farbe in sein Gesicht zurück. Nachdem er tagelang nichts anderes getan hatte, als zu jagen und Holz zu hacken, und die halben Nächte in einem eiskalten Wald auf der Lauer gelegen hatte, machten nun selbst Jamies beachtliche Lebensgeister Anstalten, ihm den Dienst zu versagen.

»Wie lange wollt ihr denn noch so weitermachen?«, fragte ich leise, um die Higgins nicht zu wecken – Bobby, Amy, ihre beiden kleinen Jungen und Amys zwei Schwägerinnen aus erster Ehe, die gekommen waren, um zu helfen, und insgesamt fünf Kinder unter zehn Jahren mitgebracht hatten. Sie alle schliefen in der angebauten kleinen Schlafkammer. Die Abreise der MacLeod-Jungen hatte dem Gedränge zwar ein wenig abgeholfen, doch Jamie, ich, Ian, Ians Hund Rollo und die alte Frau schliefen in der eigentlichen Hütte auf dem Boden; was wir an Habseligkeiten aus dem Feuer hatten retten können, war ringsum an den Wänden aufgestapelt, und hin und wieder überkam mich eine eindeutige Anwandlung von Klaustrophobie. Kein Wunder, dass Jamie und Ian nicht nur deshalb im Wald patrouillierten, weil sie überzeugt waren, dass dort draußen irgendetwas sein Unwesen trieb, sondern auch, um frische Luft zu bekommen.

»Nicht mehr lange«, beruhigte er mich und erschauerte sacht, als ihm der Whisky durch die Kehle rann. »Wenn wir heute Nacht nichts sehen, werden wir –« Er brach ab, und sein Kopf wandte sich abrupt zur Tür.

Ich hatte nichts gehört, sah aber, wie sich der Riegel bewegte, und im nächsten Moment fuhr ein eiskalter Windstoß in das Zimmer, um mir seine gefrorenen Finger unter die Röcke zu schieben und die Funken im Feuer aufstieben zu lassen.

Ich griff rasch nach einem Lumpen und schlug sie aus, bevor sie Großmütterchen MacLeods Haare oder ihr Schlaflager in Brand setzen konnten. Während ich das Feuer wieder unter Kontrolle brachte, war Jamie schon dabei, sich Pistole, Munitionsbeutel und Pulverhorn in den Gürtel zu schieben, und unterhielt sich dabei leise mit Ian an der Tür. Ian selbst hatte rot gefrorene Wangen, und ihm war deutlich anzusehen, dass er aufgeregt war. Rollo war ebenfalls wach. Er stieß Ian mit der Nase an die Beine und wedelte mit der Rute, weil er sich auf ein eisiges Abenteuer freute.

»Bleib lieber hier, a cù«, sagte Ian zu ihm und rieb sich mit kalten Fingern die Ohren. »Sheas.«

Rollo stieß einen missmutigen Kehllaut aus und versuchte, sich an Ian vorbeizuschieben, doch ein Bein verstellte ihm den Weg. Jamie drehte sich um, zog sich den Rock an und bückte sich, um mich hastig zu küssen.

»Verriegele die Tür, a nighean«, flüsterte er. »Mach niemandem auf außer mir oder Ian.«

»Was –«, begann ich, doch da waren sie schon fort.

Die Nachtluft war kalt und klar. Jamie holte tief Luft und erschauerte, während er die Kälte eindringen ließ, die die Wärme seiner Frau vertrieb, den Rauch und den Geruch seiner Feuerstelle. Eiskristalle schimmerten in seiner Lunge, spitz in seinem Blut. Er wandte den Kopf hin und her wie ein Wolf, der die Witterung aufnimmt, und atmete die Nacht ein. Es war nicht sehr windig, doch die Luft kam von Osten her und brachte den bitteren Aschegeruch der Ruine mit … und einen schwachen Hauch, den er für Blut hielt.

Er sah seinen Neffen an, den Kopf fragend schief gelegt, und sah Ian nicken, dunkel vor dem Lavendelglühen des Himmels.

»Da draußen liegt ein totes Schwein, direkt hinter Tante Claires Garten«, sagte der Junge leise.

»Oh, aye? Du meinst aber nicht die weiße Sau?« Im ersten Moment sank ihm bei diesem Gedanken das Herz in die Knie, und er fragte sich, ob er das Biest wohl betrauern oder doch auf seinem Gerippe tanzen würde. Aber nein. Ian schüttelte den Kopf, eine Bewegung, die er eher spürte als sah.

»Nein, doch nicht diese hinterlistige Bestie. Ein Junges, vielleicht ein Ferkel vom letzten Jahr. Jemand hat es geschlachtet, hat aber nur ein paar Stückchen aus der Haxe mitgenommen. Und die hat er zum Großteil auf dem Weg verstreut.«

Jamie sah sich überrascht um.

»Was?«

Ian zuckte mit den Achseln.

»Aye. Und noch etwas, Onkel Jamie. Es ist mit einer Axt geschlachtet und zerlegt worden.«

Die Eiskristalle in seinem Blut verfestigten sich mit einer Plötzlichkeit, die ihm fast das Herz stehen bleiben ließ.

»Himmel«, sagte er, doch es war weniger der Schreck als vielmehr das unwillige Eingeständnis einer Tatsache, die ihm schon längst bewusst war. »Dann ist er es also.«

»Aye.« Sie hatten es beide gewusst, obwohl keiner von ihnen bereit gewesen war, darüber zu sprechen. Ohne sich miteinander abzusprechen, entfernten sie sich von der Hütte und betraten den Wald.

»Aye, nun ja.« Jamie holte tief Luft und seufzte, sodass weißer Nebel in der Dunkelheit aufstieg. Er hatte gehofft, der Mann hätte sein Gold und seine Frau genommen und Fraser’s Ridge verlassen – doch es war nie mehr gewesen als eine Hoffnung. Arch Bug war ein Grant, und der Clan der Grants war ein rachsüchtiger Haufen.

Die Frasers aus Glenhelm hatten Arch Bug vor über vierzig Jahren auf ihrem Land erwischt und ihm die Wahl gelassen: ein Auge zu verlieren oder Mittel- und Zeigefinger seiner rechten Hand. Der Mann hatte sich mit seiner verstümmelten Hand abgefunden und sich angewöhnt, statt des Bogens, den er nicht mehr spannen konnte, eine Axt zu benutzen, in deren Gebrauch er es trotz seines Alters mit jedem Mohawk aufnehmen konnte.

Womit er sich nicht abgefunden hatte, das war die Niederlage der Stuarts und der Verlust des Jakobitengoldes, das zu spät aus Frankreich geschickt und dann geborgen worden war – oder gestohlen, je nachdem, wie man es betrachtete –, von Hector Cameron, der ein Drittel nach North Carolina mitgebracht hatte, wo sein Anteil wiederum von Arch Bug gestohlen – oder geborgen – worden war.

Und mit Jamie Fraser hatte sich Arch Bug auch nicht abgefunden.

»Meinst du, es ist eine Drohung?«, fragte Ian. Sie hatten die Hütte hinter sich gelassen, hielten sich aber unter den Bäumen und umrundeten nun die große Lichtung, auf der das Haupthaus gestanden hatte. Der Schornstein und eine halbe Wand standen noch verkohlt und trostlos inmitten des schmutzigen Schnees.

»Das kann ich mir nicht vorstellen. Wenn er uns drohen wollte, warum sollte er so lange warten?« Dennoch dankte er im Stillen dafür, dass seine Tochter und ihre Kinder fort waren, in Sicherheit. Es gab schlimmere Drohgebärden als ein totes Schwein, und er glaubte nicht, dass Arch Bug vor irgendetwas zurückschrecken würde.

»Vielleicht ist er ja fort gewesen«, meinte Ian. »Um seine Frau irgendwo unterzubringen, und er ist erst jetzt zurückgekommen.«

Es war denkbar – wenn es auf der Welt etwas gab, das Arch Bug liebte, so war es seine Frau Murdina, die ihm seit über fünfzig Jahren zur Seite stand.