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Mangels besserer Alternativen hatten Jamie und Ian Mrs Bug neben Großmütterchen MacLeod in die Vorratskammer gelegt und sie unter dem niedrigsten Wandbord verstaut, den Umhang über das Gesicht gezogen. Ich konnte ihre Füße hervorlugen sehen mit ihren rissigen, abgenutzten Schuhen und den gestreiften Strümpfen. Ich hatte eine blitzartige Vision der bösen Hexe des Westens und schlug mir die Hand vor den Mund, bevor mir irgendetwas wahrhaft Hysterisches entfahren konnte.

Jamie wandte mir den Kopf zu, doch sein Blick war nach innen gekehrt, sein eingefallenes Gesicht im Schein der Kerze von tiefen Falten durchzogen.

»Häh?«, sagte er vage.

»Nichts«, sagte ich, und meine Stimme zitterte. »Gar nichts. Setz dich – setz dich doch.« Ich stellte den Hocker und meine medizinische Ausrüstung auf den Boden, nahm ihm die Kerze und eine Blechkanne mit heißem Wasser ab und versuchte, an absolut gar nichts zu denken außer an meine Aufgabe. Nicht an Füße. Um Gottes willen nicht an Arch Bug.

Jamie hatte sich eine Decke um die Schultern gelegt, doch seine Beine waren notwendigerweise nackt, und ich konnte spüren, wie die Härchen auf seiner Gänsehaut zu Berge standen, als meine Hand sie streifte. Die Unterkante seines Hemdes war mit halb getrocknetem Blut durchtränkt; es klebte an seinem Bein fest, doch er gab kein Geräusch von sich, als ich es abzog und ihm die Beine auseinanderschob.

Bis jetzt hatte er sich bewegt wie ein Mann in einem Albtraum, doch als sich die brennende Kerze jetzt seinen Hoden näherte, wurde er wach.

»Du passt ja gut mit der Kerze auf, Sassenach, aye?«, sagte er und hielt sich schützend die Hand vor die Genitalien.

Ich sah ein, was er meinte, reichte ihm die Kerze und widmete mich nach einer kurzen Ermahnung, mit dem tropfenden Wachs aufzupassen, wieder meiner Inspektion.

Die Verletzung blutete zwar schwach, war aber sichtlich unbedeutend, und ich tauchte ein Tuch in das heiße Wasser und machte mich an die Arbeit. Ihm war kalt, und die Kälte dämpfte selbst die durchdringenden Gerüche der Vorratskammer, doch ihn konnte ich immer noch riechen, seinen üblichen trockenen Moschus, versetzt mit Blut und panischem Schweiß.

Es war eine tiefe Rinne, die sich auf einer Länge von gut fünfzehn Zentimetern durch die Haut seines Oberschenkels zog, ziemlich weit oben. Aber sauber.

»Das hätte John Wayne auch nicht besser hinbekommen«, sagte ich, um einen leichten, trockenen Tonfall bemüht. Jamies Augen, die auf die Kerzenflamme gerichtet gewesen waren, wechselten die Blickrichtung und hefteten sich auf mich.

»Was?«, sagte er heiser.

»Nichts Ernstes«, sagte ich. »Die Kugel hat dich nur gestreift. Wahrscheinlich wirst du ein oder zwei Tage etwas merkwürdig laufen, aber der Held zieht weiter in den nächsten Kampf.«

Tatsächlich war ihm die Kugel zwischen den Beinen hindurchgefahren und hatte einen tiefen Streifschuss auf seinem Oberschenkel hinterlassen, knapp unter seinen Hoden und seiner Femoralarterie. Zwei Zentimeter weiter rechts, und er wäre tot gewesen. Zwei Zentimeter höher …

»Nicht sehr hilfreich, Sassenach«, sagte er, doch in seinen Augen erschien der Hauch eines Lächelns.

»Nein«, räumte ich ein. »Aber ein bisschen vielleicht?«

»Etwas«, sagte er und berührte kurz mein Gesicht. Seine Hand war sehr kalt und zitterte; heißes Wachs lief ihm über die Knöchel der anderen Hand, doch er schien es nicht zu spüren. Behutsam nahm ich ihm den Kerzenhalter ab und stellte ihn auf das Regal.

Ich konnte die Trauer und die Selbstvorwürfe spüren, die mir von ihm entgegenprallten, und rang um meine Fassung. Ich konnte ihm nicht helfen, wenn ich mich von der Situation überwältigen ließ. Ich war mir gar nicht sicher, ob ich ihm überhaupt helfen konnte, aber ich würde es versuchen.

»Oh, Himmel«, sagte er so leise, dass ich ihn kaum hörte. »Warum habe ich es ihm nicht einfach gelassen? War es wirklich so wichtig?« Er hieb sich geräuschlos mit der Faust auf das Knie. »Gott, warum habe ich es ihm nicht einfach gelassen?«

»Du wusstest doch gar nicht, wer es war oder was er vorhatte«, sagte ich genauso leise und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Es war ein Unfall.« Er war so gequält, dass seine Muskeln fest verkrampft waren. Ich spürte ihn, den festen Knoten des Protestes, der Verleugnung – Nein, es kann nicht sein, es kann nicht geschehen sein! – in meiner Kehle, doch es gab noch so viel zu tun. Mit dem Unausweichlichen würde ich mich später befassen.

Er hielt sich eine Hand vor das Gesicht und schüttelte den Kopf langsam hin und her. Er sagte nichts und bewegte sich nicht, während ich die Wunde reinigte und verband.

»Kannst du irgendetwas für Ian tun?«, fragte er, als ich fertig war. Er ließ die Hand wieder sinken und blickte zu mir auf, als ich mich erhob. Sein Gesicht war vor Erschöpfung und Elend verzerrt, doch es war jetzt wieder ruhig. »Er …« Er schluckte und blickte zur Tür. »Es hat ihn furchtbar getroffen, Sassenach.«

Ich warf einen Blick auf den Whisky, den ich mitgebracht hatte, eine Viertelflasche voll. Jamie folgte meiner Blickrichtung und schüttelte den Kopf.

»Nicht genug.«

»Dann trink du ihn.« Er schüttelte den Kopf, doch ich drückte ihm die Flasche in die Hand und schloss seine Finger darum.

»Ärztliche Anordnung«, sagte ich leise, aber sehr bestimmt. »Schock.« Er widersetzte sich und machte Anstalten, mir die Flasche zurückzugeben, und ich verstärkte den Druck meiner Hand.

»Ich weiß«, sagte ich. »Jamie – ich weiß. Aber du darfst nicht aufgeben. Nicht jetzt.«

Er sah mich einen Moment lang an, doch dann nickte er und ergab sich, weil er es musste, und die Muskeln seines Arms entspannten sich. Meine Finger waren steif von der Kälte des Wassers und der Luft, aber immer noch wärmer als die seinen. Ich umfasste seine freie Hand mit beiden Händen und hielt sie fest.

»Es hat seinen Grund, warum der Held niemals stirbt, weißt du«, sagte ich und versuchte ein Lächeln, obwohl sich mein Gesicht starr und falsch anfühlte. »Wenn es zum Schlimmsten kommt, muss doch immer noch irgendjemand die Entscheidungen treffen. Jetzt geh ins Haus, und wärme dich auf.« Ich blickte hinaus in den nächtlichen Schnee, der wild unter dem lavendelfarbenen Himmel umherwirbelte. »Ich … suche Ian.«

Wohin konnte er gegangen sein? Nicht weit, nicht bei diesem Wetter. In der Stimmung, in der er und Jamie gewesen waren, als sie mit Mrs Bugs Leiche zurückgekommen waren, wäre er selbst vielleicht einfach in den Wald gegangen, ohne darüber nachzudenken, wohin er ging und was ihm zustoßen mochte – doch er hatte den Hund bei sich gehabt. Ganz gleich, wie ihm zumute war, er würde Rollo nicht in einen tobenden Schneesturm führen.

Und das Wetter machte alle Anstalten, sich zu einem Schneesturm auszuwachsen. Ich kämpfte mich langsam hangaufwärts zu den Nebengebäuden vor und hielt meinen Umhang schützend über die Laterne. Plötzlich fragte ich mich, ob Arch Bug möglicherweise im Kühlhaus oder im Räucherschuppen Schutz gesucht hatte. Und … o Gott, wusste er es überhaupt? Eine Sekunde lang kam ich abrupt auf dem Pfad zum Stehen, und der dichte Schnee legte sich wie ein Schleier auf meinen Kopf und meine Schultern.

Ich war so erschrocken über das, was geschehen war, dass ich noch gar nicht darauf gekommen war, mich zu fragen, ob Arch Bug wusste, dass seine Frau tot war. Jamie sagte, er hätte Arch sofort gerufen – doch er hatte keine Antwort bekommen. Vielleicht hatte Arch eine Hinterlist vermutet; vielleicht hatte er die Flucht ergriffen, als er Jamie und Ian sah, und war davon ausgegangen, dass sie seiner Frau gewiss nichts tun würden. In welchem Fall …

»O verdammt«, knurrte ich irritiert. Doch für ihn konnte ich nun wirklich nichts tun. Ich hoffte, dass ich etwas für Ian tun konnte. Ich rieb mir mit dem Unterarm über das Gesicht, blinzelte, um meine Wimpern vom Schnee zu befreien, und ging langsam weiter, während der umherwirbelnde Schnee das Licht der Laterne schluckte. Falls ich Arch fand … Meine Finger klammerten sich fester um den Griff der Laterne. Ich würde es ihm sagen müssen, ihn zur Hütte mitnehmen müssen, um ihm zu zeigen – oje. Wenn ich mit Arch zurückkam, würden Jamie und Ian ihn ablenken können, bis ich Mrs Bug aus dem Vorratsschuppen holen und sie etwas anständiger zurechtmachen konnte? Ich hatte keine Zeit gehabt, den Pfeil zu entfernen oder die Leiche vernünftig aufzubahren … Ich bohrte mir die Fingernägel der freien Hand in die Handfläche, um die Beherrschung wiederzufinden.