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»Aye, du hast recht«, sagte Jamie nachdenklich. »Und vermutlich würde Roger weiterdenken und auf Arch kommen. Es zu wissen und nicht in der Lage zu sein, etwas daran zu ändern – aye, sie würden sich Sorgen machen, bis sie einen anderen Brief fänden, in dem steht, wie das Ganze ausgegangen ist … Und weiß der Himmel, wie lange es dauern kann, bis es ausgegangen ist.«

»Und wenn sie den nächsten Brief nicht bekämen …« Oder wenn wir nicht lange genug leben würden, um ihn zu schreiben, dachte ich.

»Aye, sag besser nichts davon. Vorerst noch nicht.«

Ich rückte dichter an ihn heran und lehnte mich an ihn, und er legte den Arm um mich. Eine Weile saßen wir schweigend da, immer noch bestürzt und traurig, aber zugleich getröstet durch den Gedanken an Roger, Brianna und die Kinder.

Ich konnte Geräusche aus der Hütte hinter mir hören; alle hatten stumm und erschrocken reagiert – doch es kehrte rasch wieder Normalität ein. Es war unmöglich, die Kinder lange stillzuhalten, und ich konnte hören, wie dünne Stimmchen Fragen stellten, etwas zu essen verlangten, das Geplapper kleiner Kinder, die es aufregend fanden, so spät in der Nacht auf zu sein, und deren Stimmen sich unter das Scheppern und Rumpeln der Essensvorbereitungen mischten. Zur nächsten Wache würde es Brötchen und Pastetchen geben; das hätte Mrs Bug gefreut. Ein plötzlicher Funkenregen ergoss sich aus dem Schornstein, als jemand im Feuer stocherte, und er fiel rings um die Veranda nieder wie Sternschnuppen, die vor dem Dunkel der Nacht und dem Weiß des Neuschnees aufleuchteten.

Bei diesem Anblick legte Jamie den Arm fester um mich und stieß einen leisen, wohligen Laut aus.

»Das, was du gesagt hast über den Mondschein und den Schnee – das ist ein Gedicht, oder?«

»Ja. Eigentlich nichts, was für eine Totenwache angemessen wäre – es ist ein komisches Weihnachtsgedicht namens ›Als der Nikolaus kam‹.«

Jamie schnaubte; sein Atem war weiß.

»Ich glaube nicht, dass das Wort ›angemessen‹ viel mit einer ordentlichen Totenwache zu tun hat, Sassenach. Gib den Trauergästen nur genug zu trinken, dann singen sie ›O thoir a-nall am Botul‹, und die Kinder tanzen im Mondschein Ringelreihen.«

Ich verkniff mir das Lachen, aber ich konnte es mir nur zu gut vorstellen. Genug zu trinken hatten wir auf jeden Fall; in der Vorratskammer stand ein frisch gebrauter Bottich Bier, und Bobby Higgins hatte das Notfallfässchen Whisky aus seinem Versteck in der Scheune geholt. Ich hob Jamies Hand und küsste ihn auf die kalten Fingerknöchel. Der Schock und das Gefühl der Unwirklichkeit wurden schwächer, je mehr uns der Puls des Lebens hinter uns zu Bewusstsein kam. Die Hütte war eine kleine, vibrierende Insel voller Leben inmitten der Kälte der schwarz-weißen Nacht.

»Niemand ist eine Insel, in sich selbst vollständig«, sagte Jamie leise und nahm damit meinen unausgesprochenen Gedanken auf.

»Das dagegen ist angemessen«, sagte ich ein wenig trocken. »Vielleicht sogar zu angemessen.«

»Aye? Und wieso?«

»Verlange nie zu wissen, wem die Stunde schlägt – sie schlägt dir selbst. Immer, wenn ich ›Niemand ist eine Insel‹ höre, folgt für mich diese letzte Zeile auf dem Fuße.«

»Mpfm. Dann kennst du den ganzen Text, oder?« Ohne meine Antwort abzuwarten, beugte er sich vor und fachte mit einem Stock die Kohlen an, sodass die Funken lautlos nach oben schwebten. »Eigentlich ist es gar kein Gedicht – zumindest war es nicht als solches gedacht.«

»Nicht?«, sagte ich überrascht. »Was ist es denn? Oder was war es?«

»Eine meditative Betrachtung – irgendwo zwischen einer Predigt und einem Gebet. John Donne hat es als Teil seiner ›Andachten für den Fall der Not‹ geschrieben. Das ist doch wirklich angemessen, oder?«, fügte er mit einer Spur von trockenem Humor hinzu.

»Zumindest kann ich mir kaum einen größeren Fall der Not vorstellen. Was fehlt denn noch?«

»Mm.« Er zog mich dichter an sich und neigte den Kopf, um ihn an den meinen zu lehnen. »Lass mich überlegen, was mir noch einfällt. Ich kann es nicht ganz auswendig, aber einige Stellen haben mich so angesprochen, dass ich sie behalten habe.« Ich konnte hören, wie er langsam und entspannt atmete, während er sich konzentrierte.

»›Die ganze Menschheit entstammt derselben Feder‹«, sagte er langsam, »›und ist Teil desselben Werkes. Stirbt ein Mensch, so wird damit nicht ein Kapitel aus diesem Buch gerissen, sondern es wird in eine bessere Sprache übersetzt, und jedes Kapitel bedarf dieser Übersetzung.‹ Dann folgt ein Stück, das mir entfallen ist, aber das hier gefällt mir: ›Die Glocke schlägt für den, der glaubt, er ist’s –‹«, und seine Hand drückte sanft die meine, »›und mag sie auch wieder verstummen, so bleibt er doch von dieser Minute an mit Gott vereint.‹«

»Hm.« Ich dachte einen Moment darüber nach. »Du hast recht; das ist zwar weniger poetisch, aber dafür etwas … hoffnungsvoller?«

Ich spürte sein Lächeln.

»Aye, das habe ich auch immer so empfunden.«

»Woher hast du das?«

»John Grey hat mir ein Buch mit Donnes Texten geliehen, als ich als Gefangener in Helwater war. Darin hat es gestanden.«

»Ein sehr gebildeter Gentleman«, sagte ich etwas pikiert darüber, daran erinnert zu werden, wie lange John Grey Jamies Leben geteilt hatte und ich nicht – wenn ich auch widerstrebend froh darüber war, dass er in dieser schweren Zeit einen Freund gehabt hatte. Wie oft, fragte ich mich unvermittelt, hatte Jamie diese Glocke schon schlagen hören?

Ich setzte mich auf, griff nach der Flasche und trank einen reinigenden Schluck. Durch die Tür kam der Geruch nach backendem Brot, Zwiebeln und köchelndem Fleisch, und mein Magen knurrte unanständig. Jamie bemerkte es nicht; er blinzelte nachdenklich nach Westen, wo der Berg in den Wolken verborgen lag.

»Die MacLeod-Jungen haben gesagt, der Schnee auf den Pässen lag schon hüfthoch, als sie heruntergekommen sind«, sagte er. »Wenn hier unten dreißig Zentimeter Neuschnee fallen, ist es auf den Hochpässen ein Meter. Wir sitzen bis zur Schneeschmelze im Frühling hier fest, Sassenach. Zeit genug, wenigstens ordentliche Grabkreuze zu schnitzen«, fügte er mit einem Blick auf unsere stummen Gäste hinzu.

»Dann hast du immer noch vor, nach Schottland zu gehen?« Das hatte er nach dem Brand gesagt, es seitdem aber nicht mehr erwähnt. Ich war mir nicht sicher, ob er es ernst gemeint hatte oder ob es damals nur eine Reaktion auf den Druck der Ereignisse gewesen war.

»Aye, das habe ich. Ich glaube nicht, dass wir hierbleiben können«, sagte er nicht ohne Bedauern. »Wenn es Frühling wird, fängt es im Hinterland wieder zu brodeln an. Wir sind dem Feuer schon nah genug gewesen.« Er wies mit dem Kinn zur verkohlten Ruine des Haupthauses hinüber. »Ich habe nicht vor, mich nächstes Mal zu versengen.«

»Nun … ja.« Ich wusste, dass er recht hatte. Wir konnten ein neues Haus bauen – aber es war nicht sehr wahrscheinlich, dass es uns vergönnt sein würde, in Frieden darin zu leben. Unter anderem war Jamie Oberst der Miliz – zumindest war er es gewesen. Dieses Amt konnte er nur aufgeben, wenn er körperlich nicht mehr dazu imstande war oder schlicht nicht mehr da war. Und die Siedler in den Bergen waren alles andere als einstimmige Befürworter der Rebellion. Ich kannte eine ganze Reihe von Menschen, die zusammengeschlagen, ausgeräuchert und in die Wälder oder Sümpfe getrieben oder sogar umgebracht worden waren, weil sie unüberlegt ihre politische Meinung kundgetan hatten.

Das Wetter verhinderte zwar unseren Aufbruch, doch es schob gleichzeitig jeder Bewegung einer Miliz einen Riegel vor – und jeder streunenden Bande von Briganden. Bei diesem Gedanken durchfuhr es mich eiskalt, und ich erschauerte.

»Möchtest du hineingehen, a nighean?«, sagte Jamie, dem dies nicht entging. »Ich kann eine Weile allein Wache halten.«