Auch hatte er Jamies abschließende Ermahnung nicht vergessen.
Sorgt dafür, dass es von einem Priester gesegnet wird; es klebt Blut daran. Die Worte verschwammen in seinem Kopf, und was er vor seinen geschlossenen Augen sah, waren keine Goldbarren, sondern war die alte Granitplatte in der Küche, deren dunkle Flecken so tief in den Stein eingedrungen waren, dass sie ein Teil davon geworden waren und selbst durch heftigstes Schrubben nicht ausgelöscht werden konnten, geschweige denn durch ein Gebet.
Doch das spielte keine Rolle. Egal, wer der Spanier war, er konnte sein Gold behalten. Die Familie war in Sicherheit.
Zweiter Teil
Blut, Schweiß und saure Gurken
Kapitel 6
Long Island
Am 4. Juli 1776 wurde in Philadelphia die Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet.
Am 24. Juli traf Generalleutnant Sir William Howe auf Staten Island ein, wo er im Wirtshaus »Rose and Crown« zu New Dorp sein Feldhauptquartier einrichtete.
Am 13. August traf Generalleutnant George Washington in New York ein, um die Befestigungen der Stadt, die von den Amerikanern gehalten wurden, zu verstärken.
Am 21. August traf William Ransom, Leutnant Lord Ellesmere, im Wirtshaus »Rose and Crown« zu New Dorp ein, um sich – etwas verspätet – als jüngstes und rangniedrigstes Stabsmitglied bei General Howe zum Dienst zu melden.
Am 22. August …
Leutnant Edward Markham, Marquis von Clarewell, sah William fragend ins Gesicht, wodurch sich diesem aus nächster Nähe die unappetitliche Aussicht auf einen saftigen Pickel auf seiner Stirn bot, der kurz vor dem Platzen stand.
»Geht es, Ellesmere?«
»Bestens«, brachte William mit zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Es ist nur, Ihr seht ziemlich … grün aus.« Mit besorgter Miene griff Clarewell in seine Tasche. »Möchtet Ihr vielleicht an meiner Gurke lutschen?«
William schaffte es gerade noch bis zur Reling. Hinter ihm wurden scherzhafte Bemerkungen über Clarewells Gurke ausgetauscht – wer wohl daran lutschen mochte und wie viel ihr Besitzer für diesen Dienst bezahlen musste. Dazwischen protestierte Clarewell, dass seine betagte Großmutter zur Vorbeugung der Seekrankheit auf eine saure Gurke schwor und dies offensichtlich funktionierte, denn man brauchte ja nur ihn anzusehen, standhaft wie ein Fels …
William blinzelte sich die Tränen aus den Augen und heftete den Blick auf das herannahende Ufer. Es herrschte kein besonders schwerer Seegang, obwohl sich am Himmel etwas zusammenbraute, daran herrschte kein Zweifel. Doch das spielte keine Rolle; schon die sanfteste Auf-und-ab-Bewegung auf dem Wasser, die kürzeste Bootsfahrt reichte aus, und prompt versuchte sein Magen, sein Inneres nach außen zu kehren. Jedes verdammte Mal!
Auch jetzt war das nicht anders, doch da sich nichts mehr in seinem Magen befand, konnte William so tun, als ginge ihn das nichts an. Er wischte sich den Mund ab – er fröstelte trotz des warmen Wetters – und richtete sich auf.
Sie würden jede Minute den Anker werfen; es wurde Zeit, dass er unter Deck ging und so etwas wie Ordnung in die Kompanien unter seinem Kommando brachte, bevor sie in die Boote stiegen. Er riskierte einen kurzen Blick über die Reling und sah achtern die River und die Phoenix. Die Phoenix war Admiral Howes Flaggschiff; an Bord befand sich sein Bruder, der General. Würden sie warten müssen und wie Korken auf den immer raueren Wellen tanzen, bis General Howe und Hauptmann Pickering, sein Flügeladjutant, an Land waren? Gott, er hoffte nicht.
Schließlich jedoch durften die Männer sofort von Bord gehen. »Aber ZACKIG, meine Herren!«, tönte Sergeant Cutter, so laut er konnte. »Wir machen kurzen Prozess mit den Rebellenschweinen! Und WEHE, ich sehe jemanden trödeln! HE, da drüben …!« Mit grimmiger Entschlossenheit stapfte er davon, um einen säumigen Unterleutnant zur Ordnung zu rufen, und William fühlte sich allmählich besser. Gewiss konnte in einer Welt, in der es Sergeant Cutter gab, nichts wahrhaft Schreckliches passieren.
Er folgte seinen Männern die Leiter hinunter, und in der Aufregung vergaß er seinen Magen. Seine erste richtige Schlacht erwartete ihn, irgendwo auf den Feldern von Long Island.
Achtundachtzig Fregatten. Angeblich war das die Anzahl, die Admiral Howe mitgebracht hatte, und er zweifelte nicht daran. Ein Wald aus Segeln füllte die Gravesend-Bucht, und im Wasser stockte der Verkehr der kleinen Boote, die die Soldaten an Land holten. William hingegen stockte der Atem vor Aufregung. Er konnte spüren, wie sie sich ebenfalls unter den Männern ausbreitete, als die Korporäle ihre Kompanien aus den Booten in Empfang nahmen und sie geordnet davonmarschieren ließen, um der nächsten Welle von Neuankömmlingen Platz zu machen.
Die Pferde der Offiziere ließ man an Land schwimmen, statt sie zu rudern, denn es war nicht weit. William duckte sich zur Seite, als dicht vor ihm ein kräftiger Brauner aus der Brandung auftauchte und sich so heftig schüttelte, dass jeder im Umkreis von drei Metern klatschnass wurde. Der Stallbursche, der sich an seine Trense klammerte, sah aus wie eine ertränkte Ratte, schüttelte sich aber auf dieselbe Weise das Wasser vom Leib und grinste William an. Sein Gesicht war blau vor Kälte, leuchtete aber vor Aufregung.
Auch William hatte ein Pferd – irgendwo. Hauptmann Griswold, ein ranghoher Offizier aus Howes Stab, war so freundlich, ihm eines zu leihen, da ihm keine Zeit geblieben war, sich anderweitig eines zu besorgen. Er ging davon aus, dass, wer auch immer das Pferd beaufsichtigte, ihn schon finden würde, wenn ihm auch nicht klar war, wie.
Es herrschte organisiertes Chaos. Das Ufer bestand hier aus Watt, und die Rotröcke schwärmten zwischen dem Seetang umher wie Seevögel, während das Gebrüll der Sergeanten das Kreischen der Möwen über ihnen kontrapunktierte.
Unter einigen Schwierigkeiten – man hatte ihn den Korporälen erst heute Morgen vorgestellt, und er hatte sich ihre Gesichter noch nicht eingeprägt – machte William seine vier Kompanien ausfindig und führte sie vom Strand in die Sanddünen, die dicht mit einer Art drahtigem Gras bewachsen waren. Es war ein heißer Tag, der die Männer in ihren schweren Uniformen und unter der Last ihrer Ausrüstung schwitzen ließ, und er gestattete ihnen eine Pause, um etwas Wasser oder Bier aus ihren Feldflaschen zu trinken und Käse oder Brot zu essen. Sie würden bald losziehen.
Wohin? Das war die Frage, die ihm im Moment keine Ruhe ließ. Eine hastige Stabszusammenkunft – seine erste – am Vorabend hatte ihn mit den Grundzügen des Invasionsplans vertraut gemacht. Die Hälfte der Armee würde von der Gravesend-Bucht aus landeinwärts ziehen und sich nordwärts auf die Brooklyn Heights zubewegen, wo sich, wie man glaubte, die Rebellenarmee verschanzt hatte. Der Rest der Männer würde sich am Ostufer bis Montauk verteilen und eine Verteidigungslinie bilden, die sich über die ganze Breite von Long Island hinwegbewegen konnte und die Rebellen nötigenfalls wie mit einem Netz in die Enge treiben konnte.
Mit einer Leidenschaft, die ihm das Rückgrat verknotete, wünschte sich William, in der Vorhut zu sein, anzugreifen. Realistisch betrachtet, wusste er aber, dass dies nicht sehr wahrscheinlich war. Seine Männer waren ihm fremd, und ihr Aussehen flößte ihm kein besonderes Vertrauen ein. Kein vernünftiger Kommandeur würde solche Kompanien an vorderster Front einsetzen – es sei denn als Kanonenfutter. Dieser Gedanke ließ ihn einen Moment innehalten, jedoch wirklich nur einen Moment.
Howe setzte niemals unnötig Menschenleben aufs Spiel; er war bekannt für seine manchmal sogar übertriebene Vorsicht. Das hatte ihm sein Vater gesagt. Lord John hatte zwar nicht explizit erwähnt, dass dies der Hauptgrund war, warum er William seine Zustimmung gegeben hatte, sich Howes Stab anzuschließen, doch William wusste es ohnehin. Es war ihm gleichgültig; er hatte sich ausgerechnet, dass seine Chancen, ernsthafte Kampfhandlungen zu erleben, selbst unter Howe größer waren als mit Sir Peter im Hinterland von North Carolina.