William trieb sein Pferd näher heran, um zu sehen, ob der Mann tot war oder nicht – die Kameraden des Mannes waren bereits hinter das Haus geflohen, verfolgt von den Briten. Der Wallach wollte jedoch nichts davon wissen; er war zwar an Musketenfeuer gewöhnt, doch die Artillerie machte ihm Angst, und da genau in diesem Moment zufällig Kanonendonner ertönte, legte er die Ohren an und schoss davon.
William hatte das Schwert noch in der Hand und hielt die Zügel lose in der anderen; durch den plötzlichen Ruck geriet er aus dem Gleichgewicht. Das Pferd machte einen Satz nach links, sodass er den rechten Steigbügel verlor, und warf ihn ab. Er konnte sich gerade noch darauf besinnen, im Fallen sein Schwert loszulassen, und landete rollend auf seiner Schulter.
Während er seinem Schöpfer dankte, dass er nicht mit dem linken Fuß im Steigbügel hängen geblieben war, und gleichzeitig sein Pferd verfluchte, rappelte er sich, mit Gras und Schlamm verschmiert, auf alle viere hoch, und das Herz schlug ihm bis zum Hals.
Die Kanonen im Haus waren verstummt; die Amerikaner mussten erneut eingedrungen sein und einen Nahkampf mit der Kanonenbemannung führen. William spuckte Dreck und begann, sich vorsichtig zurückzuziehen; er glaubte, in Schussweite der oberen Fenster zu sein.
Zu seiner Linken fiel sein Blick jedoch auf den Amerikaner, der versucht hatte, auf ihn zu schießen, und der immer noch im nassen Gras lag. Mit einem argwöhnischen Blick zum Haus kroch er zu dem Mann hinüber, der reglos auf dem Bauch lag. Er hätte nicht sagen können, warum, doch er wollte das Gesicht des Mannes sehen. Er kniete sich hin und fasste den Mann an beiden Schultern, um ihn umzudrehen.
Der Mann war eindeutig tot, in den Kopf geschossen. Mund und Augen hingen halb offen, und sein Körper fühlte sich seltsam an, sehr schwer und sehr schlaff. Er trug eine Art Milizuniform; William sah die Holzknöpfe, in die man die Buchstaben »PUT« eingebrannt hatte. Das bedeutete irgendetwas, doch sein benommener Verstand kam nicht darauf, was es war. Nachdem er den Mann sanft wieder ins Gras gelegt hatte, erhob er sich und ging sein Schwert holen. Seine Knie fühlten sich merkwürdig an. Weich.
Auf halbem Weg zu der Stelle, an der sein Schwert lag, hielt er inne, machte kehrt und kam zurück. Er kniete sich hin und schloss dem Toten die Augen, um sie vor dem Regen zu schützen.
In dieser Nacht schlugen sie ein Lager auf, zur Freude der Männer. Es wurden Feldküchen angelegt, die Küchenwagen wurden herangefahren, und der Geruch von gebratenem Fleisch und frischem Brot erhob sich in der feuchten Luft. William hatte sich gerade zum Essen niedergesetzt, als Perkins, dieser Unglücksbote, entschuldigend mit einer Nachricht bei ihm auftauchte: Er solle sich umgehend in General Howes Feldhauptquartier melden. William schnappte sich etwas Brot und ein Stück dampfenden Schweinebraten, den er in das Brot steckte, und machte sich kauend auf den Weg.
Er traf die drei Generäle und all ihre Stabsoffiziere bei einer Besprechung der Ergebnisse des Tages an. Die Generäle saßen an einem kleinen Tisch, auf dem sich Depeschen und hastig gezeichnete Landkarten türmten. William nahm seinen Platz unter den Stabsoffizieren ein und stellte sich respektvoll im Hintergrund an die Wand des großen Zeltes.
Sir Henry drängte darauf, die Brooklyn Heights anzugreifen, sobald es Morgen wurde.
»Wir könnten sie leicht vertreiben«, sagte Clinton und wies mit einer Handbewegung auf die Depeschen. »Sie haben die Hälfte ihrer Männer verloren, wenn nicht mehr – und es waren ja ohnehin nicht sehr viele.«
»Nicht so leicht«, sagte Mylord Cornwallis und spitzte die fetten Lippen. »Ihr habt sie doch kämpfen sehen. Ja, wir könnten sie von hier vertreiben – doch das hätte seinen Preis. Was sagt Ihr, Sir?«, wandte er sich ehrerbietig an Howe.
Howes Lippen waren fast vollständig unsichtbar, und nur eine weiße Linie markierte ihre einstmalige Existenz.
»Noch einen Sieg wie den letzten kann ich mir nicht leisten«, entfuhr es ihm. »Selbst wenn ich es könnte, will ich es nicht.« Sein Blick wanderte vom Tisch über die rangniedrigeren Offiziere hinweg, die an der Wand standen. »Ich habe auf diesem Hügel in Boston meinen Stab bis auf den letzten Mann verloren«, sagte er, ruhiger jetzt. »Bis auf den letzten Mann.« Sein Blick fiel auf William, den jüngsten der anwesenden Offiziere, und er schüttelte den Kopf, wie an sich selbst gerichtet, und wandte sich wieder an Sir Henry.
»Stellt die Kämpfe ein«, sagte er.
Das missfiel Sir Henry sichtlich, doch er nickte nur.
»Sollen wir ihnen Bedingungen für ihre Kapitulation anbieten?«
»Nein«, sagte Howe kurz angebunden. »Wie Ihr schon gesagt habt, haben sie fast die Hälfte ihrer Männer verloren. Nur ein Wahnsinniger würde ohne guten Grund weiterkämpfen. Sie – Ihr, Sir. Wolltet Ihr etwas anmerken?«
Erschrocken stellte William fest, dass Howe diese Bemerkung an ihn richtete; die runden Augen des Generals bohrten sich in seine Brust wie Schrotkugeln.
»Ich –«, begann er, doch dann fing er sich und richtete sich auf. »Ja, Sir. Es ist General Putnam, der sie befehligt. Dort am Bach. Er ist … vielleicht kein Verrückter, Sir«, fügte er vorsichtig hinzu, »doch er steht in dem Ruf, ein sehr sturer Mensch zu sein.«
Howe hielt inne und kniff die Augen zusammen.
»Ein sturer Mensch«, wiederholte er. »Ja. Das kann man wohl sagen.«
»Er war doch einer der Kommandeure am Breed’s Hill, nicht wahr?«, wandte Lord Cornwallis ein. »Da sind die Amerikaner gerannt wie der Wind.«
»Ja, aber –« William erstarrte, wie gelähmt unter den vereinten Blicken der drei Generäle. Howe wies ihn ungeduldig an fortzufahren.
»Bei allem Respekt, Mylord«, sagte er und war froh, dass seine Stimme nicht zitterte, »ich … habe gehört, dass die Amerikaner in Boston erst geflüchtet sind, als sie jedes Körnchen Munition aufgebraucht hatten. Davon kann hier keine Rede sein. Und was General Putnam betrifft – am Breed’s Hill hatte er nichts im Rücken.«
»Und Ihr glaubt, das hat er jetzt.« Es war keine Frage.
»Ja, Sir.« William gab sich Mühe, den Depeschenstapel auf Sir Henrys Tisch nicht allzu vielsagend anzusehen. »Ich bin mir sicher, Sir. Ich glaube, dass sich fast die gesamte Kontinentalarmee auf der Insel befindet, Sir.« Er versuchte, es nicht wie eine Frage klingen zu lassen; er hatte es am Vortag im Vorübergehen von einem Major gehört, doch es war ja möglich, dass es nicht stimmte. »Wenn Putnam hier das Kommando hat –«
»Woher wisst Ihr denn, dass es Putnam ist, Leutnant?«, unterbrach Clinton und musterte William misstrauisch.
»Ich komme gerade von einer – einer Kundschaftermission, Sir, die mich durch Connecticut geführt hat. Ich habe dort mehrfach gehört, dass man dabei war, eine Miliz als Verstärkung für General Putnam zu bilden, der in der Nähe von New York zu Washingtons Truppen stoßen sollte. Und heute Nachmittag habe ich an der Uniform eines toten Rebellen am Bach einen Knopf gesehen, Sir, in den ›PUT‹ eingeschnitzt war. So nennen sie ihn, Sir – General Putnam. Den alten Put.«
General Howe richtete sich auf, bevor Clinton oder Cornwallis weitere Zwischenbemerkungen machen konnten.
»Ein sturer Mensch«, wiederholte er. »Nun, vielleicht ist er das. Dennoch … stellt die Kämpfe ein. Seine Lage ist unhaltbar, und das muss er auch wissen. Gebt ihm die Chance, darüber nachzudenken – sich mit Washington zu beraten, wenn er möchte. Washington ist ja vielleicht ein vernünftigerer Kommandeur. Und wenn die Möglichkeit besteht, die Kapitulation der gesamten Kontinentalarmee zu bewirken, ohne dass weiteres Blut vergossen wird … Ich glaube, es ist das Risiko wert, meine Herren. Aber wir werden ihnen nicht anbieten, ihre Bedingungen zu nennen.«