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Es gab ein loses Netzwerk, mit dessen Hilfe diese Dinge in Umlauf kamen, doch es war ständig in Gefahr aufzufliegen, und seine Mitglieder wurden häufig verhaftet und eingekerkert. Germain hatte oft solche Papiere dabei, und das Herz rutschte mir in die Hose, wenn ich daran dachte. Ein verspielter Junge war zwar weniger auffällig als ein junger Mann oder ein Händler – doch die Briten waren keine Dummköpfe, und gewiss würden sie ihn anhalten, sobald auch nur ein Haar an ihm verdächtig wirkte. Ich dagegen …

Während ich noch im Kopf die Möglichkeiten wälzte, erreichte ich die Druckerei und trat ein. Dort empfingen mich der Duft eines herzhaften Abendessens, die Begrüßungen der aufgeregten Kinder und etwas, das jeden Gedanken an meine mögliche neue Laufbahn als Spionin aus meinem Kopf verdrängte: zwei Briefe von Jamie.

20. März A. D. 1778

Lallybroch

Meine liebste Claire,

Ian ist tot. Es ist jetzt zehn Tage her, und ich dachte, ich könnte jetzt ruhig schreiben. Doch die bloßen Worte auf der Seite zu sehen, hat mich gerade unerwartet mit Schmerz erfüllt: Mir laufen die Tränen über die Nase, und ich war gezwungen, innezuhalten und mir das Gesicht mit einem Taschentuch abzuwischen, bevor ich fortfahren konnte. Es war kein leichter Tod, und ich sollte erleichtert sein, dass Ian jetzt in Frieden ruht, und froh über sein Übersetzen in den Himmel. Das bin ich auch. Gleichzeitig bin ich untröstlich auf eine Weise, die ich noch nie zuvor erlebt habe. Allein der Gedanke, dass ich mich Dir anvertrauen kann, meine Seele, spendet mir Trost.

Der junge Jamie hat den Hof bekommen, so wie es sein sollte; Ians Testament ist verlesen worden, und Mr Gowan wird dafür sorgen, dass es erfüllt wird. Es ist nicht viel außer dem Land und den Gebäuden; nur unbedeutende Hinterlassenschaften für die anderen Kinder, weitgehend in Form persönlicher Gegenstände. Meine Schwester wurde in meine Obhut gegeben (er hatte sich vor seinem Tod erkundigt, ob ich dazu bereit wäre. Ich habe ihm gesagt, er müsse doch wissen, dass er danach nicht zu fragen braucht. Er hat gesagt, das wisse er natürlich, er habe sich nur erkundigen wollen, ob ich mich der Aufgabe auch gewachsen fühle, und hat dann gelacht wie ein Irrer. Lieber Gott, er wird mir fehlen).

Es waren einige unbedeutende Schulden zu bezahlen; ich habe mich ihrer angenommen, wie wir es besprochen hatten.

Jenny macht mir Sorgen. Ich weiß, dass sie aus tiefstem Herzen um Ian trauert, doch sie weint nicht viel, sondern sitzt oft nur lange da und hat den Blick auf etwas gerichtet, das nur sie allein sehen kann. Sie hat eine Ruhe an sich, die beinahe gespenstisch ist, als wäre ihre Seele mit Ian geflogen und hätte nur die Hülle ihres Körpers zurückgelassen. Wobei, wenn ich von leeren Hüllen spreche, kommt mir der Gedanke, dass sie ja vielleicht so ist wie der Nautilus-Tintenfisch, den uns Lawrence Sterne auf den Westindischen Inseln gezeigt hat. Eine große wunderschöne Schale, die aus vielen Kammern besteht, alle jedoch leer bis auf die eine tief im Inneren, in der sich das Tierchen sicher verborgen hält.

Da ich jedoch von ihr spreche – sie bittet mich, Dir ihr Bedauern über die Dinge mitzuteilen, die sie zu Dir gesagt hat. Ich habe ihr gesagt, dass wir beide schon darüber gesprochen haben und dass Deine mitfühlende Seele es ihr nicht übel nimmt, weil Du die verzweifelten Umstände erkannt hast, unter denen die Worte gesprochen wurden.

Am Morgen nach Ians Tod hat sie – anscheinend in aller Vernunft – mit mir gesprochen und gesagt, sie meint, sie wird Lallybroch vielleicht verlassen, da sie nach seinem Tod nichts mehr hier hält. Ich war, wie Du Dir vorstellen kannst, sehr erstaunt, dies zu hören, habe aber nicht versucht, es ihr auszureden, weil ich davon ausging, dass dies nur die Worte eines Verstandes waren, der durch Schlaflosigkeit und Trauer aus dem Lot geraten war.

Doch unterdessen hat sie wiederholt zu mir von diesem Vorhaben gesprochen und mir entschlossen versichert, dass sie in der Tat bei Sinnen ist. Ich werde für eine kurze Weile nach Frankreich reisen – sowohl, um einige Privatangelegenheiten zu erledigen, von denen ich hier nicht schreiben werde, als auch, um mich vor der Abreise nach Amerika zu vergewissern, dass Michael und Joan gut untergebracht sind, nachdem sie am Tag nach dem Begräbnis gemeinsam aufgebrochen waren. Ich habe zu Jenny gesagt, sie möge während meiner Abwesenheit sorgfältig nachdenken – doch dass ich sie, wenn sie tatsächlich überzeugt ist, dass dies ihr Wunsch ist, nach Amerika mitnehmen werde. Nicht um bei uns zu leben (ich lächele, während ich mir Dein Gesicht vorstelle, das selbst in meinem Kopf noch transparent ist).

Doch sie könnte ihren Platz bei Fergus und Marsali finden, wo sie sich nützlich machen könnte, ohne täglich an ihren Verlust erinnert zu werden – und wo sie imstande wäre, unserem Ian zur Seite zu stehen, falls er der Hilfe bedarf (oder zumindest zu wissen, wie es ihm geht, wenn er ihrer nicht bedarf).

(Zudem begreife ich gerade – ebenso wie gewiss auch sie –, dass Jamies Frau jetzt die Herrin auf Lallybroch ist und dass kein Platz ist für zwei davon. Sie ist klug genug zu wissen, welche Schwierigkeiten aus einer solchen Situation erwachsen können, und gütig genug, um sie vermeiden zu wollen, um ihres Sohnes und seiner Frau willen.)

So oder so gedenke ich, Ende des Monats nach Amerika aufzubrechen, oder so schnell, wie ich dann die Überfahrt arrangieren kann. Die Aussicht, wieder mit Dir vereint zu sein, erhellt mir das Herz, und ich bleibe für immer

Dein Dir ergebener Ehemann

Jamie

Paris

1. April

Meine liebste Frau,

ich bin heute Abend sehr spät in meine neue Pariser Unterkunft zurückgekehrt. So spät, dass ich bei meiner Rückkehr die Tür verriegelt vorgefunden habe und daher gezwungen war, nach der Wirtsfrau zu rufen, die es sehr übel gelaunt aufgenommen hat, dass sie aus dem Bett geholt wurde. Noch übler gelaunt war ich jedoch, als ich feststellen musste, dass man kein Feuer gemacht, kein Essen warm gehalten und mir nichts auf das Bett gelegt hatte als eine tote Zecke und eine zerschlissene Decke, die dem ärmsten Bettler keinen Schutz mehr gewährt hätte.

Weitere Rufe haben mir nichts weiter eingebracht als Beschimpfungen (hinter sicher verschlossener Tür), und mein Stolz hat es nicht zugelassen, dass ich versuchte, sie zu bestechen, selbst wenn mein Geldbeutel es zugelassen hätte. So verharre ich also frierend und hungrig in meiner kahlen Dachkammer (dieses mitleiderregende Bild zeichne ich hier allein zu dem durchtriebenen Zweck, Dein Bedauern zu erregen und Dich davon zu überzeugen, wie erbärmlich es mir ohne Dich geht).

Ich bin fest entschlossen, dieses Haus zu verlassen, sobald es hell wird, und zuzusehen, ob ich eine bessere Bleibe finden kann, ohne dass mein Geldbeutel übertriebenen Schaden nimmt. Unterdessen werde ich versuchen, Kälte und Hunger im vergnüglichen Zwiegespräch mit Dir zu vergessen in der Hoffnung, dass mir die Mühe des Schreibens Dein Bild vor Augen rufen und mir zu der Illusion verhelfen wird, dass Du bei mir bist.

(Ich habe mir übrigens das nötige Licht verschafft, indem ich mich auf Strümpfen nach unten gestohlen und dort zwei silberne Kerzenleuchter aus dem vorderen Salon entführt habe, dessen trügerischer Luxus mich dazu verleitet hat, hier Quartier zu beziehen. Ich werde die Kerzenständer morgen zurückgeben – wenn mir Madame den Wucherpreis für dieses elende Quartier zurückbezahlt.)

Gehen wir zu angenehmeren Themen über: Ich habe Joan besucht, die nun im Kloster ist und sehr zufrieden zu sein scheint (nein, da Du fragst, ich war nicht bei der Hochzeit ihrer Mutter mit Joseph Murray, der, wie sich herausstellt, Ians Vetter zweiten Grades ist. Ich habe ihnen ein schönes Geschenk geschickt und meine besten Wünsche, welche aufrichtig sind). Morgen besuche ich Michael; ich freue mich darauf, Jared wiederzusehen, und werde ihn herzlich von Dir grüßen.