Dann habe ich ihnen erzählt, wie der Schamane sein Messer geradewegs durch meine Hand getrieben habe, woraufhin ich vor lauter Angst und Schmerz das Bewusstsein verlor. Als ich erwachte (fuhr ich fort), stellte ich fest, dass mir der Ringfinger vollständig abgetrennt worden war und mir das Blut aus der verletzten Hand lief.
Doch das Grauenerregendste war der Anblick des Irokesenhäuptlings, der auf dem behauenen Stamm eines gigantischen Baums saß und mit den Zähnen das Fleisch von dem abgetrennten Finger riss, so wie man vielleicht das Fleisch eines gebratenen Hühnerbeins verspeiste.
An diesem Punkt in der Erzählung ist La Comtesse erneut in Ohnmacht gefallen, und die ehrenwerte Ms Elliott, die nicht in ihrem Schatten stehen wollte, hat einen ausgewachsenen hysterischen Anfall bekommen, der mich zum Glück davor bewahrt hat, mir ausdenken zu müssen, auf welchem Weg mir die Flucht vor den Wilden gelang. Indem ich mich durch die Erinnerung an mein Leiden erschöpft gab, nahm ich ein Glas Wein entgegen (ich war jetzt auch ziemlich verschwitzt) und entfloh stattdessen der Gesellschaft, nicht ohne mit Einladungen überhäuft zu werden.
Ich bin sehr zufrieden mit der Wirkung meines ersten Anlaufs. Weiterhin ermutigt mich das Bewusstsein, dass ich mich jederzeit als Romanschriftsteller nützlich machen könnte, falls fortschreitendes Alter oder Verletzungen verhindern sollten, dass ich mir meinen Lebensunterhalt mit dem Schwert, dem Pflug oder der Druckerpresse verdiene.
Marsali wird gewiss genau hören wollen, was für Kleider die anwesenden Damen trugen, doch ich muss sie vorerst um Geduld bitten. Ich will nicht behaupten, dass mir diesbezüglich nichts aufgefallen sei (obwohl ich dies ja einwenden könnte, wenn ich glauben würde, ich könnte Dich damit von etwaigen Ängsten in Bezug auf meine Empfänglichkeit gegenüber den Reizen der Damenwelt befreien. Angesichts Deiner argwöhnischen und irrationalen Natur, Sassenach, versuche ich dies aber erst gar nicht), doch meine Hand ist der Anstrengung solcher Beschreibungen jetzt nicht mehr gewachsen. Daher soll es vorerst genügen zu sagen, dass die Kleider aus den herrlichsten Stoffen waren und die Reize der Damen durch ihren Schnitt ins beste Licht rückten.
Meine gestohlenen Kerzen brennen allmählich herunter, und sowohl meine Hand als auch meine Augen sind so erschöpft, dass es mir Schwierigkeiten bereitet, meine eigenen Worte zu entziffern, geschweige denn, sie zu formen – ich kann nur hoffen, dass Du in der Lage sein wirst, den letzten Teil dieser unleserlichen Epistel zu verstehen. Dennoch ziehe ich mich nun bei bester Laune in mein ungastliches Bett zurück, ermutigt durch die Ereignisse des heutigen Tages.
Daher wünsche ich Dir eine gute Nacht, versichere Dich meiner zärtlichsten Gedanken und vertraue auf Deine Geduld und Deine fortwährende Zuneigung zu
Deinem tintenbefleckten Krüppel und Dir ergebenen Ehemann,
James Fraser
Postskriptum: Tintenbefleckter Krüppel, buchstäblich, da ich sehe, dass ich sowohl das Papier als auch meine Person mit unansehnlichen Klecksen bedeckt habe. Ich schmeichele mir damit, dass das Papier schlimmer entstellt ist.
Postskriptum 2: Ich bin so in die Komposition dieses Briefes vertieft gewesen, dass ich meine ursprüngliche Absicht ganz vergessen habe: Dir zu sagen, dass ich die Überfahrt auf der Euterpe gebucht habe, welche in zwei Wochen von Brest aus in See sticht. Sollte dies irgendwie verhindert werden, schreibe ich Dir wieder.
Postskriptum 3: Ich sehne mich danach, wieder an Deiner Seite zu liegen und Deinen Körper mit dem meinen im Einklang zu wissen.
Kapitel 90
Gewappnet mit Diamanten und mit Stahl
Mit ruhiger Hand und einer Küchenschere schnitt Brianna die Brosche entzwei. Sie war zwar antik, aber nicht sehr wertvoll – ein hässliches viktorianisches Teil in Form einer ausladenden Silberblüte inmitten gewundener Ranken, dessen einziger Wert in der Handvoll kleiner Diamanten lag, die die Blätter wie Tautropfen verzierten.
»Ich hoffe, sie sind groß genug«, sagte sie und war überrascht über den gelassenen Klang ihrer Stimme. Seit sechsunddreißig Stunden brüllte sie im Inneren ihres Kopfes – so lange hatten sie gebraucht, um ihre Planungen und Vorbereitungen abzuschließen.
»Ich glaube, sie sind okay«, sagte Roger, und Brianna spürte die Anspannung unter der Ruhe seiner Worte. Er stand hinter ihr, eine Hand auf ihrer Schulter, und die Wärme seiner Finger war ihr Trost und Folterqual zugleich. Eine Stunde noch, und er würde fort sein. Vielleicht für immer.
Doch ihnen blieb keine andere Wahl, und sie befasste sich trockenen Auges und besonnen mit den Notwendigkeiten.
Amanda war höchst merkwürdigerweise ganz plötzlich eingeschlafen, nachdem Roger und William Buccleigh losgefahren waren, um Rob Cameron nachzusetzen. Brianna hatte sie in ihr Bett gelegt und ihr dann voll Sorge beim Schlafen zugesehen, bis die Männer im Morgengrauen mit den schrecklichen Neuigkeiten zurückgekehrt waren. Doch Amanda war aufgewacht wie immer, mit sonniger Laune und anscheinend ohne jede Erinnerung an ihren Traum von den schreienden Steinen. Auch Jems Abwesenheit schien sie nicht mehr zu beunruhigen; sie hatte einmal beiläufig gefragt, wann er denn nach Hause kommen würde, und sich dann mit einem unverbindlichen »bald« dem Aussehen nach zufrieden wieder ihrem Spiel gewidmet.
Jetzt war sie mit Annie unterwegs; sie waren nach Inverness gefahren, um groß einzukaufen, und sie hatten ihr ein Spielzeug versprochen. Die beiden würden erst heute Nachmittag nach Hause kommen, und bis dahin würden die Männer fort sein.
»Warum?«, hatte William Buccleigh gefragt. »Warum sollte er Ihren Jungen mitnehmen?«
Genau diese Frage stellten sie und Roger sich seit der Sekunde, in der sie Jems Verschwinden bemerkt hatten – nicht dass es wahrscheinlich war, dass ihnen die Antwort helfen würde.
»Es gibt nur zwei Möglichkeiten«, hatte Roger mit belegter, heiserer Stimme geantwortet. »Eine Zeitreise – oder Gold.«
»Gold?« Buccleighs dunkelgrüne Augen hatten sich verwundert auf Brianna gerichtet. »Was denn für Gold?«
»Der fehlende Brief«, hatte sie erklärt, zu müde, um sich Gedanken darum zu machen, ob es wohl gefährlich war, es ihm zu erzählen. Es gab ohnehin nichts mehr, was ungefährlich war, und nichts war mehr wichtig. »Das Postskriptum, das mein Vater geschrieben hat. Roger sagt, Sie haben die Briefe gelesen. Der Besitz des Herrn aus Italien – erinnern Sie sich?«
»Ich habe nicht sonderlich darauf geachtet«, gestand Buccleigh. »Das ist also Gold, ja? Wer ist denn der Herr aus Italien?«
»Charles Stuart.« Und so hatten sie ihm stockend von dem Gold erzählt, das in den letzten Tagen des Jakobitenaufstandes an Land gebracht worden war – Buccleigh musste damals in Mandys Alter gewesen sein, dachte Brianna verblüfft – und zur sicheren Aufbewahrung auf drei schottische Clanvertreter verteilt worden war: Dougal MacKenzie, Hector Cameron und Arch Bug im Namen der Grants. Sie beobachtete ihn genau, doch nichts ließ darauf schließen, dass ihm der Name Dougal MacKenzie irgendetwas sagte. Nein, dachte sie, er weiß es nicht. Doch das war jetzt auch nicht wichtig.
Niemand wusste, was aus den beiden Dritteln geworden war, die von den MacKenzies oder den Grants verwahrt wurden – doch Hector Cameron war in den letzten Tagen des Aufstandes aus Schottland geflohen, die Truhe mit dem Gold unter der Sitzbank seiner Kutsche versteckt, und er hatte sie in die Neue Welt mitgenommen, wo er einen Teil dazu verwendet hatte, seine Plantage zu kaufen, River Run. Der Rest …