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»Was …?« Als ich aufblickte, sah ich Lord John an meiner Seite stehen. Seine Miene war ein wenig verlegen.

»Ein, ähm, Geschenk«, sagte er, ausnahmsweise um seine eleganten Manieren gebracht. »Ich dachte – ich meine, ich hatte das Gefühl, dass es Euch ein wenig an … Material mangelt. Ich wünsche ja nicht, dass Ihr Eure Profession aufgebt«, fügte er leise hinzu.

»Meine Profession.« Ein Schauder begann, sich über meinen Rücken zu breiten, bis er meinen Kiefer erreichte. Mit unsicheren Bewegungen versuchte ich, den Deckel der Kiste anzuheben, doch meine Finger schwitzten; sie rutschten ab und ließen eine glänzende Spur auf dem Holz zurück.

»Nein, nicht so.« Lord John bückte sich, um es mir zu zeigen, und drehte die Kiste zu sich um. Er öffnete den versenkten Verschluss, klappte den Deckel auf und zog an den Türchen, dann trat er mit der Aura eines Magiers zurück.

Auf meiner Kopfhaut prickelte der kalte Schweiß, und in meinen Augenwinkeln begannen schwarze Flecken zu tanzen.

Zwei Dutzend leere Flaschen mit Goldverschlüssen. Darunter zwei flache Schubladen. Und darüber glänzten die Einzelteile eines in Messing gefassten Mikroskops in ihrem Bett aus Samt.

Meine Knie gaben nach, und ich fiel in Ohnmacht. Ich begrüßte die Kühle des Holzbodens unter meiner Wange.

Kapitel 94

Die Pfade des Todes

In der Nacht lag ich in der zerwühlten Hölle meines Bettes und suchte nach dem Weg in den Tod. Mit jeder Faser meines Seins sehnte ich mich danach, aus der Gegenwart zu scheiden. Ob das, was auf der anderen Seite des Lebens lag, nun unerträumte Herrlichkeiten waren oder nur das gnadenvolle Nichts – auf jeden Fall war die Ungewissheit meinem gegenwärtigen, unausweichlichen Elend vorzuziehen.

Ich kann nicht sagen, was mich davon abhielt, schlicht und brutal die Flucht zu ergreifen. Die Mittel standen mir ja jederzeit zur Verfügung. Ich hatte die freie Wahl zwischen Pistolenkugel oder Messers Schneide, zwischen Giften, die einen Menschen sofort fällten, oder solchen, die ihn hinwegdämmern ließen.

Wie verrückt kramte ich zwischen den Fläschchen und Behältern meiner Arzneitruhe, ließ Schubladen und Türen offen stehen, durchwühlte mein Wissen und meine Erinnerungen genauso hastig wie die Truhe und schleuderte Fläschchen und Dosen und Bruchstücke der Vergangenheit zu einem Haufen auf den Boden.

Schließlich glaubte ich, alles zu haben, und stellte sie nacheinander vor mir auf der Tischplatte auf.

Aconit. Arsen …

So viele Todesarten, zwischen denen ich wählen konnte. Wie also?

Der Äther. Das würde die einfachste Methode sein, wenn auch nicht unbedingt die sicherste. Mich hinzulegen, einen dicken Stoffbausch mit der Flüssigkeit zu tränken, mir die Maske über Mund und Nase zu legen und schmerzlos davonzutreiben. Doch es war stets möglich, dass mich jemand fand. Oder dass mein Kopf in der Bewusstlosigkeit zur Seite fiel oder ich Krämpfe erlitt, die den Bausch wieder lösten, sodass ich doch wieder in der schmerzenden Leere erwachte, die mein Dasein war.

Einen Moment lang saß ich still. Wie im Traum streckte ich dann die Hand nach dem Messer aus, das noch auf dem Tisch lag, wo ich es vergessen hatte, nachdem ich Flachsstängel damit geschnitten hatte. Das Messer, das Jamie mir gegeben hatte. Es war scharf; seine Kante glänzte roh und silbern.

Es würde sicher sein, und es würde schnell gehen.

Jamie Fraser stand an Deck der Philomene und sah dem endlosen Dahinströmen des Wassers zu, während er über den Tod nachdachte. Immerhin hatten diese Gedanken jetzt keinen persönlichen Bezug mehr, nachdem die Seekrankheit – endlich, endlich – nachgelassen hatte. Jetzt waren seine Gedankengänge eher abstrakter Natur.

In Claires Augen, so dachte er, war der Tod stets der Feind. Etwas, das man unablässig bekämpfte, dem man sich nie ergab. Ihm war der Tod genauso vertraut wie ihr, doch er hatte gezwungenermaßen seinen Frieden damit geschlossen. Zumindest glaubte er das. Wie die Vergebung war dies keine Kunst, die man sich einmal aneignete und dann bequem beiseitelegte, sondern es bedurfte der ständigen Übung. Den Gedanken an die eigene Sterblichkeit zu akzeptieren und das Leben dennoch auszuschöpfen, war ein nahezu sokratisches Paradox. Und der weise Athener hatte genau jenes Paradox mit dem Hauch eines Lächelns gelebt.

Er hatte dem Tod schon oft genug von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden – und erinnerte sich noch lebhaft genug an all diese Begegnungen –, um zu begreifen, dass es in der Tat Schlimmeres gab. Wie viel besser zu sterben, als trauernd zurückzubleiben.

Er empfand immer noch etwas, das schlimmer war als Schmerz, wenn er seine Schwester ansah, zierlich und einsam, und dann im Kopf das Wort »Witwe« hörte. Es passte nicht zu ihr. Das konnte sie nicht sein, sie konnte nicht auf diese brutale Weise abgetrennt sein. Es war so, als sähe er zu, wie sie in Stücke geschnitten wurde, ohne dass er etwas tun konnte.

Nach diesem Gedanken wandte er sich seinen Erinnerungen an Claire zu, seiner Sehnsucht nach ihr, ihrer Flamme, die im Dunkeln seine Kerze war. Ihre Berührung Trost und Wärme, die über das rein Körperliche hinausgingen. Er erinnerte sich an den letzten Abend vor ihrem Aufbruch. Sie hatten sich auf der Bank vor dem Turm an den Händen gehalten; er hatte den Herzschlag in ihren Fingern gespürt, und der seine hatte sich ihrem warmen, eiligen Puls angepasst.

Seltsam, wie die Gegenwart des Todes so viele Begleiter mit sich zu bringen schien, längst vergessene Umrisse, die kurz im zunehmenden Schatten auftauchten. Der Gedanke an Claire und an seinen Schwur, sie für immer zu beschützen, brachte ihn wieder auf das namenlose Mädchen.

Sie war in Frankreich gestorben, auf der anderen Seite der Leere in seinem Kopf, die durch einen Axthieb entstanden war. Er hatte seit Jahren nicht mehr an sie gedacht, doch plötzlich war sie wieder da. Sie war es, an die er gedacht hatte, als er Claire in Leoch auf dem Schoß gehalten hatte, und er hatte gehofft, seine Ehe könnte eine kleine Wiedergutmachung sein. Er hatte – langsam – gelernt, sich ein Ereignis zu verzeihen, das nicht seine Schuld gewesen war, und er hoffte, dass seine Liebe zu Claire dem Schatten des Mädchens Frieden schenken würde.

Er hatte das obskure Gefühl gehabt, Gott ein Leben schuldig zu sein, und er hatte diese Schuld bezahlt, indem er Claire zur Frau nahm – obwohl er sie weiß Gott auch so genommen hätte, dachte er, und er lächelte ironisch. Doch er hatte sich an das Versprechen gehalten, sie zu beschützen. Den Schutz meines Namens, meines Clans – und den Schutz meines Körpers, hatte er gesagt.

Den Schutz meines Körpers. Es lag eine Ironie in diesen Worten, bei der er sich winden musste, und er erblickte noch ein Gesicht in der Schattenwelt. Schmal, spöttisch, mit langen Wimpern – so jung.

Geneva. Noch eine junge Frau, die durch seine Lust umgekommen war. Nicht nur seine Schuld – das hatte er durchgefochten an den langen Tagen und in den langen Nächten, die auf ihren Tod folgten, allein in seinem kalten Bett über dem Stall, wo er sich an der Gegenwart der Pferde getröstet hatte, die sich unter ihm in ihren Boxen bewegten. Doch hätte er ihr nicht beigewohnt, wäre sie nicht gestorben; daran führte kein Weg vorbei.

War er Gott jetzt noch ein Leben schuldig?, fragte er sich. Er hatte gedacht, es wäre Willie gewesen, das Leben, das ihm anvertraut worden war, damit er es mit dem seinen schützte, im Austausch für Genevas Leben. Doch dieses Gut war einem anderen anvertraut.

Nun, jetzt hatte er seine Schwester, und er versicherte Ian schweigend, dass er auf sie aufpassen würde. Solange ich lebe, dachte er. Und das würde hoffentlich noch eine Weile sein. Seiner Meinung nach hatte er erst fünf von den Toden verbraucht, die ihm die Wahrsagerin in Paris versprochen hatte.