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Überall schien Blut zu sein. Auf der Theke und an der Wand verspritzt, auf dem Boden verschmiert. Der Rücken von Ians Hemd war rot durchtränkt und klebte ihm so am Körper, dass sie darunter die Anstrengung seiner Muskeln sah. Er kniete halb über dem strampelnden Bug und versuchte, mit der rechten Hand die Axt zu erreichen, während ihm sein linker Arm leblos am Körper hing. Arch hieb mit steifen Fingern nach seinem Gesicht, um ihn zu blenden, während Rollo wie ein Aal zwischen der Masse der Gliedmaßen umherschoss und knurrend zubiss. Ganz auf dieses Spektakel konzentriert, war ihr nur dumpf bewusst, dass ein Mann hinter ihr stand. Sie blickte schließlich verständnislos auf, als sein Fuß sie nicht gerade zärtlich am Hintern berührte.

»Habt Ihr irgendetwas an Euch, das Männer mit Äxten anzieht?«, fragte William gereizt. Er zielte sorgfältig über den Lauf seiner Pistole hinweg und feuerte.

Kapitel 101

Redivivus

Ich war dabei, mir das Haar für den Nachmittagstee hochzustecken, als es an der Schlafzimmertür kratzte.

»Herein«, rief John, der sich gerade die Schuhe anzog. Die Tür wurde vorsichtig geöffnet und gab den merkwürdigen Jungen aus Cornwall preis, der William hin und wieder als Ordonnanz diente. Er sagte etwas zu John, in einer Sprache, die vermutlich Englisch war, und überreichte ihm eine Note. John nickte freundlich und entließ ihn.

»Konntest du verstehen, was er gesagt hat?«, erkundigte ich mich neugierig, während er mit dem Daumen das Siegel aufbrach.

»Wer? Oh. Colenso? Nein, kein Wort«, antwortete er geistesabwesend und spitzte die Lippen angesichts seiner Lektüre zu einem tonlosen Pfeifen.

»Was ist das?«, fragte ich.

»Eine Notiz von Oberst Graves«, erwiderte er und faltete das Blatt sorgfältig wieder zusammen. »Ich frage mich, ob –«

Es klopfte noch einmal an der Tür, und John runzelte die Stirn.

»Jetzt nicht«, sagte er. »Kommt später wieder.«

»Nun, das würde ich ja«, ertönte eine höfliche Stimme mit schottischem Akzent. »Aber es ist dringend, aye?«

Die Tür öffnete sich, und Jamie trat ein und schloss sie behutsam hinter sich. Dann sah er mich, blieb wie angewurzelt stehen – und dann lag ich in seinen Armen, und seine überwältigende Wärme ließ auf der Stelle alles andere verblassen.

Ich wusste nicht, wohin mein Blut verschwunden war. Es hatte meinen Kopf bis auf den letzten Tropfen verlassen, und flackernde Lichter tanzten mir vor den Augen – doch meine Beine trug es auch nicht, denn diese hatten abrupt unter mir nachgegeben.

Jamie hielt mich aufrecht. Er überschüttete mich mit Küssen, wohin auch immer sie trafen; er schmeckte nach Bier, und seine Bartstoppeln kratzten mir über das Gesicht. Seine Finger waren in meinem Haar vergraben, und meine Brüste pressten sich warm an seinen Körper.

»Oh, da ist es ja«, murmelte ich.

»Was denn?«, fragte er und hielt einen Moment inne.

»Mein Blut«, sagte ich. Ich berührte meine kribbelnden Lippen. »Mach das noch einmal.«

»Oh, das werde ich«, versicherte er mir. »Doch es sind englische Soldaten in der Nachbarschaft, und ich glaube –«

Unten hämmerte es an der Tür, und die Realität schnellte an ihren Platz zurück wie ein Gummiband. Ich starrte ihn an und plumpste auf den glücklicherweise hinter mir stehenden Polsterstuhl. Mein Herz hämmerte wie eine Trommel.

»Warum zum Teufel bist du denn nicht tot?«

Er zuckte mit einer Schulter, und sein Mundwinkel verzog sich nach oben. Sein Gesicht war braun, und er war sehr dünn – und schmutzig; ich konnte seinen Schweiß riechen und den strengen Geruch lange getragener Kleider. Und einen Hauch von Erbrochenem – er war erst vor Kurzem von Bord eines Schiffes gegangen.

»Wenn du noch ein paar Sekunden trödelst, Fraser, kann es gut sein, dass du gleich endgültig tot bist.« John war ans Fenster getreten und spähte auf die Straße hinunter. Er wandte sich um, und ich sah, dass sein Gesicht zwar blass war, aber leuchtete wie eine Kerze.

»Aye? Dann waren sie ein bisschen schneller, als ich dachte«, sagte Jamie reumütig und trat zu ihm ans Fenster, um einen Blick hinauszuwerfen. Er wandte sich wieder ab und lächelte. »Es ist schön, dich zu sehen, John – wenn auch nur kurz.«

In Johns Augen leuchtete ebenfalls ein Lächeln auf. Er streckte die Hand aus und berührte Jamie kurz am Arm, als wollte er sich vergewissern, dass er tatsächlich da war.

»Ja«, sagte er, und dann griff er nach dem Türknauf. »Doch komm. Die Hintertreppe hinunter. Oder … es gibt eine Treppe zum Speicher – Wenn du über das Dach gehen kannst –«

Jamie sah mich an, und er hatte das Herz in seinen Augen stehen.

»Ich komme zurück«, versprach er. »Sobald ich kann.« Er streckte die Hand nach mir aus, hielt jedoch mit einer Grimasse inne, wandte sich abrupt ab, um John zu folgen – und fort waren sie. Der Klang ihrer Schritte ging im Lärmen der Stimmen im Parterre unter. Ich hörte, wie sich die Haustür öffnete und eine raue Männerstimme Einlass begehrte. Mrs Figg, die gute sture Seele, wollte jedoch nichts davon wissen.

Ich hatte dagesessen wie Lots Gemahlin, viel zu erschrocken, um mich zu bewegen, doch Mrs Figgs reichhaltiger Schimpfwörterschatz setzte mich schlagartig in Bewegung.

Mein Verstand war über die Ereignisse der letzten fünf Minuten so erschüttert, dass er paradoxerweise völlig klar war. Es war einfach kein Platz darin für Gedanken, Spekulationen, Erleichterung, Freude oder sogar Sorge – die einzige geistige Fähigkeit, über die ich offenbar noch verfügte, war die Fähigkeit, auf einen Notfall zu reagieren. Ich packte meine Haube, rammte sie mir auf den Kopf und steuerte auf die Tür zu, während ich mir im Gehen die Haare hineinstopfte. Gewiss würde es mir gemeinsam mit Mrs Figg gelingen, die Soldaten so lange aufzuhalten …

Dieser Plan hätte möglicherweise sogar funktioniert, wäre ich nicht auf dem Treppenabsatz mit Willie zusammengestoßen – buchstäblich, da er gerade die Treppe hinaufgestürmt kam und heftig mit mir kollidierte.

»Mutter Claire! Wo ist Papa? Da unten sind –« Er hatte mich am Arm gepackt, als ich rückwärtsstolperte, doch seine Sorge um mich trat in den Hintergrund, als jetzt jenseits der Treppe ein Geräusch im Flur erklang. Er blickte in die Richtung, aus der es kam – und ließ mich los, während ihm die Augen aus dem Kopf traten.

Jamie stand am Ende des Flurs, vielleicht drei Meter von uns entfernt; John stand neben ihm, weiß wie ein Leintuch, und seine Augen taten es Willies nach. Diese Ähnlichkeit mit Willie war zwar auffallend, doch angesichts der Ähnlichkeit, die Jamie mit dem neunten Grafen von Ellesmere hatte, ging sie völlig unter. Williams Gesicht hatte sich verhärtet, während er heranreifte. Es hatte jeden Babyspeck verloren, und zu beiden Enden des Flurs starrten mir die tiefblauen Katzenaugen der Frasers aus den kühnen, stabilen Knochen der MacKenzies entgegen. Und Willie war alt genug, um sich täglich zu rasieren; er wusste, wie er aussah.

Willies Mund bewegte sich, doch der Schock verschlug ihm die Sprache. Sein wilder Blick richtete sich auf mich, auf Jamie, dann wieder auf mich – und er sah die Wahrheit in meinem Gesicht.

»Wer seid Ihr?«, sagte er heiser, als er dann ganz zu Jamie herumfuhr.

Ich sah, wie sich Jamie langsam aufrichtete, ohne den Lärm in der unteren Etage zu beachten.

»James Fraser«, sagte er. Sein Blick war mit brennender Intensität auf William gerichtet, als wollte er sich jede Kleinigkeit eines Anblicks einverleiben, der sich ihm nie wieder bieten würde. »Früher hast du mich Alex MacKenzie genannt. In Helwater.«

William blinzelte, blinzelte erneut, und sein Blick wanderte vorübergehend zu John hinüber.

»Und wer – wer zum Teufel bin ich?«, wollte er wissen, und das Ende der Frage erhob sich zu einem Quäken.