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»Das ist vielleicht ein wenig hart ausgedrückt«, begann ich.

»Nein, das ist es nicht«, fuhr er mich an. »Wie ist es gewesen?«

»Dein Va– Jamie. Er würde nie einen verheirateten Mann betrügen.« Außer Frank, dachte ich mit einem Stich im Herzen. Doch das hatte er natürlich anfangs nicht gewusst …

»Mein Vater«, sagte er abrupt. »Pa– Lord John, meine ich. Er wusste – weiß Bescheid?«

»Ja.« Noch mehr dünnes Eis. Ich glaubte nicht, dass er die geringste Ahnung davon hatte, dass Lord John Isobel vor allem um seinetwillen geheiratet hatte – und um Jamies willen –, doch ich wollte nicht, dass er irgendwie auf die Idee kam, Lord Johns Motive zu hinterfragen.

»Sie alle«, sagte ich entschlossen, »alle vier; sie wollten nur das, was für dich das Beste war.«

»Für mich das Beste«, wiederholte er trostlos. »Ah.« Seine Fingerknöchel waren wieder weiß geworden, und mit zusammengekniffenen Augen warf er mir einen Blick zu, den ich nur allzu gut kannte: ein Fraser kurz vor der Explosion. Genauso gut wusste ich, dass es nicht möglich war, die Detonation zu verhindern, doch ich versuchte es dennoch und hielt ihm die Hand entgegen.

»William«, fing ich an. »Glaube mir –«

»Das tue ich«, sagte er mühsam beherrscht. »Ich will kein einziges verdammtes Wort mehr hören. Gottverdammt!« Damit fuhr er auf dem Absatz herum, hieb mit der Faust durch die hölzerne Wandverkleidung, riss die Hand aus dem Loch, das er hinterlassen hatte, und stürmte hinaus. Ich hörte es knirschen und bersten, als er stehen blieb, um mehrere Pfosten aus dem Geländer des Treppenabsatzes zu treten und ein Stück des Handlaufs abzubrechen. Und ich schaffte es gerade rechtzeitig zur Tür, um zu sehen, wie er mit einem meterlangen Holzstück ausholte und den Kronleuchter zerschmetterte, der über der Treppe hing. Einen Moment blieb er an der offenen Kante des Treppenabsatzes stehen, und ich glaubte schon, er würde fallen oder sich hinunterstürzen, doch dann trat er von der Kante zurück, und mit einem heftigen Atemlaut, der genauso gut ein Grunzen wie ein Schluchzen hätte sein können, schleuderte er das Holzstück wie einen Speer auf die Überreste des Leuchters.

Dann rannte er Hals über Kopf die Treppe hinunter und hieb dabei in Abständen mit der verletzten Faust an die Wand, wo er blutige Flecken hinterließ. Er prallte mit der Schulter gegen die Haustür, fuhr zurück, riss sie auf und dampfte wie eine Lokomotive davon.

Erstarrt stand ich inmitten der Verwüstung auf dem Treppenabsatz und klammerte mich an den Rand der zerbrochenen Balustrade. Winzige Regenbogen tanzten über Decke und Wände – wie bunte Libellen, die den Kristallscherben entsprangen, mit denen der Fußboden übersät war.

Etwas bewegte sich; ein Schatten fiel unten im Flur auf den Boden. Eine zierliche dunkle Gestalt kam langsam zur offenen Tür herein. Während sie die Kapuze ihres Umhangs zurückschob, ließ Jenny Fraser den Blick über das Bild der Vernichtung hinwegwandern und hob ihn dann zu mir empor. Im blassen Oval ihres Gesichtes schimmerte der Humor.

»Wie der Vater, so der Sohn, stelle ich fest«, sagte sie. »Gott steh uns bei.«

Kapitel 103

Die Stunde des Wolfs

Die britische Armee war dabei, aus Philadelphia abzuziehen. Auf dem Delaware stauten sich die Schiffe, und die Fähren vom Ende der State Street zum Cooper’s Point waren unablässig unterwegs. Außerdem hatten dreitausend Tories beschlossen, Philadelphia zu verlassen, weil sie ohne den Schutz der Armee Angst davor hatten zu bleiben; General Clinton hatte ihnen versprochen, sie mitzunehmen, obwohl ihr Gepäck – das sich auf den Docks stapelte, mit auf die Fähren gestopft wurde und viel Platz an Bord der Schiffe einnahm – für fürchterliches Durcheinander sorgte. Ian und Rachel saßen im Schatten einer Platane am Ufer und sahen zu, wie in hundert Metern Entfernung eine Geschützstation in ihre Einzelteile zerlegt wurde.

Die Artilleriesoldaten hatten ihre blauen Röcke zusammengefaltet ins Gras gelegt und arbeiteten in Hemdsärmeln daran, die Kanonen, die die Stadt verteidigt hatten, für den Abtransport vorzubereiten. Sie hatten keine Eile und nahmen keine besondere Notiz von ihren Zuschauern; es spielte jetzt keine Rolle mehr.

»Weißt du, wohin sie gehen?«, fragte Rachel.

»Aye, das weiß ich. Fergus sagt, sie ziehen nach Norden als Verstärkung für New York.«

»Du hast ihn gesehen?« Sie wandte ihm neugierig den Kopf zu, und der Schatten der Blätter tanzte in ihrem Gesicht.

»Aye, er ist gestern Abend nach Hause gekommen; jetzt, da die Armee abzieht und die Tories mitnimmt, droht ihm keine Gefahr mehr.«

»Keine Gefahr«, sagte sie, und ihre Skepsis war nicht zu überhören. »Soweit das in Zeiten wie diesen möglich ist, meinst du.« Sie hatte ihre Haube abgesetzt, weil es so heiß war, und strich sich die feuchten dunklen Haare von den Wangen.

Er lächelte, sagte aber nichts. Sie wusste so gut wie er, dass die Sicherheit nur eine Illusion war.

»Fergus sagt, die Briten haben vor, die Kolonien in zwei Hälften aufzuteilen«, sagte er. »Den Norden vom Süden zu trennen und sich separat darum zu kümmern.«

»Sagt er das? Woher weiß er das denn?«, fragte sie überrascht.

»Von einem britischen Offizier namens Randall-Isaacs, der öfter mit Fergus spricht.«

»Du willst damit sagen, er ist ein Spion? Für welche Seite denn?« Sie presste die Lippen ein wenig aufeinander. Er war sich nicht sicher, was die Philosophie der Quäker von der Spionage hielt, doch danach wollte er jetzt lieber nicht fragen. Ein heikles Thema, die Philosophie der Quäker.

»Darüber möchte ich nicht spekulieren«, sagte er. »Er gibt sich als amerikanischer Agent aus, doch das kann alles nur Fassade sein. In Kriegszeiten kann man niemandem trauen, aye?«

Bei diesen Worten wandte sie sich ganz zu ihm um und betrachtete ihn, den Kopf leicht an den Baumstamm gelehnt.

»Nicht?«

»Ich traue dir«, verbesserte er. »Und deinem Bruder.«

»Und deinem Hund«, ergänzte sie mit einem Blick auf Rollo, der sich am Boden wand, um sich den Rücken zu kratzen. »Deiner Tante und deinem Onkel ebenfalls – und Fergus und seiner Frau? Das scheint mir eine ansehnliche Anzahl von Freunden zu sein.« Sie beugte sich zu ihm hinüber und blinzelte besorgt. »Schmerzt dich dein Arm?«

»Och, es geht schon.« Er zuckte mit der gesunden Schulter und lächelte. Sein Arm schmerzte ihn zwar, doch die Schlinge half. Um ein Haar hätte ihm der Axthieb den linken Arm abgetrennt; er war ihm durch die Haut gedrungen und hatte den Knochen zerschmettert. Seine Tante hatte gesagt, er hätte Glück gehabt, dass die Sehnen unversehrt geblieben waren. Der menschliche Körper ist flexibel, hatte sie gesagt. Die Muskeln würden heilen, genau wie die Knochen.

Rollos Knochen waren ebenfalls geheilt; die Schussverletzung hatte keine Steifheit hinterlassen, und obwohl seine Schnauze allmählich weiß wurde, glitt er wie ein Aal durch das Gebüsch und schnüffelte eifrig herum.

Rachel seufzte und sah ihn offen an.

»Ian, du denkst an etwas, das dich schmerzt, und es wäre mir lieber, wenn du mir sagst, was es ist. Ist etwas geschehen?«

Es war so viel geschehen; es geschah ringsum, es würde noch geschehen. Wie konnte er ihr sagen …? Und doch ging es nicht anders.

»Die Welt ist auf den Kopf gestellt«, entfuhr es ihm. »Und du bist das Einzige, das Bestand hat. Das Einzige, das ich – das mich auf der Erde festhält.«

Ihr Blick wurde sanft.

»Bin ich das?«

»Das weißt du ganz genau«, sagte er schroff. Er wandte den Blick ab, und sein Herz hämmerte. Zu spät, dachte er mit einer Mischung aus Bestürzung und Jubel. Jetzt hatte er angefangen zu reden; er konnte nicht aufhören, ganz gleich, wohin es führen würde.