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Roger wandte den Kopf, als er hörte, was Jemmy sagte, und er sah Brianna halb lächelnd in die Augen.

»Böse Engwänder!«, wiederholte Mandy dienstbeflissen. »Sollen das wegmachen!«

Trotz ihrer Verärgerung musste auch Brianna lächeln, doch gleichzeitig spürte sie einen leisen Schauder, als sie daran dachte, wie ihr Onkel Ian – was für ein ruhiger, gütiger Mensch – ihr die Säbelspuren in der Holzvertäfelung des Flurs gezeigt und zu ihr gesagt hatte: »Wir lassen das so, um es den Kindern zu zeigen – und sagen ihnen, so sind die Engländer.« Seine Stimme hatte einen stählernen Unterton gehabt – und als sie jetzt ein schwaches, kindlich absurdes Echo dieses Untertons in Jemmys Stimme hörte, kamen ihr erstmals Zweifel in Bezug auf diese Familientradition.

»Hast du ihm das erzählt?«, fragte sie Roger, als sich die Stimmen der Kinder Richtung Küche entfernten. »Ich war es nicht.«

»Annie hatte es ihm schon zum Teil erzählt; ich dachte, es ist besser, ihm den Rest dazu zu erzählen.« Er zog die Augenbrauen hoch. »Hätte ich ihn lieber zu dir schicken sollen?«

»Oh. Nein. Nein«, wiederholte sie immer noch zweifelnd. »Aber – sollten wir ihm beibringen, Engländer zu hassen?«

Roger lächelte.

»Hass ist vielleicht ein etwas starkes Wort. Er hat schließlich böse Engländer gesagt. Und es waren böse Engländer, die das getan haben. Außerdem wird er, wenn er in den Highlands groß wird, zwangsweise den einen oder anderen Seitenhieb auf die Sassenachs hören – und sie mit den Erinnerungen an deine Mutter aufwiegen; dein Vater hat sie schließlich immer ›Sassenach‹ genannt.«

Er blickte den Brief auf dem Tisch an, dann fiel ihm die Wanduhr ins Auge, und er erhob sich abrupt.

»Himmel, ich komme zu spät. Ich gehe noch zur Bank, wenn ich in der Stadt bin – brauchst du irgendetwas vom Landmarkt?«

»Ja«, sagte sie trocken, »eine neue Pumpe für die Zentrifuge.«

»In Ordnung«, sagte er, küsste sie hastig und ging, mit einem Arm schon im Jackett.

Sie öffnete den Mund, um ihm zu sagen, dass es ein Scherz gewesen war, doch dann überlegte sie es sich anders und schloss ihn wieder. Es war gar nicht undenkbar, dass es im Landmarkt tatsächlich eine Pumpe für eine Zentrifuge gab. Der Landmarkt war ein großes, erstaunlich geschäftiges Gebäude am Stadtrand von Inverness und führte beinahe alles, was man auf einem Bauernhof brauchte, bis hin zu Mistgabeln, Löscheimern aus Gummi, Heukordeln und Waschmaschinen sowie Geschirr, Einmachgläsern und einer ganzen Reihe mysteriöser Gegenstände, über deren Verwendungszweck sie höchstens spekulieren konnte.

Sie steckte den Kopf in den Flur, doch die Kinder waren mit Annie MacDonald, ihrer Haushaltshilfe, in der Küche; Gelächter und das drahtige Klong! des antiken Toasters – sie hatten ihn gemeinsam mit dem Haus übernommen – schwebten an der abgenutzten grünen Tür vorüber und brachten den verlockenden Duft nach heißem Toast und Butter mit. Duft und Gelächter zogen sie an wie ein Magnet, und die Wärme ihres Zuhauses überströmte sie golden wie Honig.

Aber sie hielt inne, um den Brief zusammenzufalten, bevor sie zu ihnen ging, und bei der Erinnerung an Rogers letzte Bemerkung pressten sich ihre Lippen aufeinander.

»Ich habe es einmal gewusst.«

Sie prustete, steckte den Brief wieder in die Kiste und trat in den Flur hinaus – wo ihr ein großer Briefumschlag auffiel, der auf dem Tisch neben der Tür lag, wo täglich die Post – und Rogers und Jemmys Tascheninhalt – abgeladen wurden. Sie zerrte den Umschlag aus dem Häufchen der Prospekte, Kieselsteine, Bleistiftstummel, Fahrradkettenglieder und – war das eine tote Maus? So war es; sie war platt gedrückt und vertrocknet, aber mit einem steifen rosa Ringelschwänzchen verziert. Sie nahm das Tier mit spitzen Fingern in die Hand und drückte sich den Umschlag an die Brust, um auf Tee und Toast zuzusteuern.

Wenn sie ganz ehrlich war, dachte sie, war Roger nicht der Einzige, der Geheimnisse hatte. Der Unterschied war jedoch, dass sie vorhatte, ihm zu sagen, was in ihr vorging – sobald es feststand.

Kapitel 8

Tauwetter

Fraser’s Ridge, Kolonie North Carolina

März 1777

Einen Vorteil hatte so ein verheerendes Feuer ja, dachte ich. Es machte das Packen entschieden einfacher. Gegenwärtig besaß ich ein Kleid, ein Hemd, drei Unterröcke – einen aus Wolle, zwei aus Musselin –, zwei Paar Strümpfe (eines davon hatte ich angehabt, als das Haus abbrannte; das andere hatte zum Trocknen über einem Busch gehangen und war dort vergessen worden, um später mitgenommen, aber immer noch tragbar wiederentdeckt zu werden) und ein Paar Sandalen. Jamie hatte irgendwo einen fürchterlichen Umhang für mich aufgetrieben – ich wusste nicht, wo, und ich wollte auch nicht fragen. Er bestand aus dicker, leprafarbener Wolle und roch so, als wäre jemand darin gestorben und dann einige Tage unentdeckt liegen geblieben. Ich hatte ihn mit grober Seife ausgekocht, doch der Geist seines Vorbesitzers ließ sich nicht vertreiben.

Immerhin würde ich nicht frieren.

Meine medizinische Ausrüstung ließ sich fast genauso leicht zusammenpacken. Mit einem Seufzer des Bedauerns um die Asche meiner schönen Apothekertruhe mit ihrem eleganten Besteck und den vielen Fläschchen durchstöberte ich das Häufchen der Überreste, die wir aus meinem Sprechzimmer gerettet hatten. Der verbeulte Zylinder meines Mikroskops. Drei angekohlte Keramikgefäße, von denen eines keinen Deckel mehr hatte und das andere gesprungen war. Eine große Dose Gänseschmalz mit Kampfer – die nach den Katarrhen und Erkältungen des Winters jetzt fast leer war. Eine Handvoll angesengter Seiten aus dem Logbuch, das Daniel Rawlings begonnen und das ich fortgesetzt hatte – obwohl sich meine Stimmung gehoben hatte, als ich entdeckte, dass unter den geretteten Seiten ein Blatt war, auf dem das Rezept für Dr. Rawlings’ Durchfallmittel stand.

Es war das einzige seiner Rezepte, das ich wirksam gefunden hatte, und ich konnte es zwar längst auswendig, doch es in der Hand zu haben, hielt ihn in meiner Erinnerung lebendig. Ich war Daniel Rawlings nie begegnet, doch er war mein Freund gewesen seit dem Tag, an dem mir Jamie seine Truhe und sein Logbuch schenkte. Ich faltete das Blatt vorsichtig zusammen und steckte es in meine Tasche.

Meine Kräuter und vorgefertigten Arzneien waren zum Großteil in den Flammen vernichtet worden, zusammen mit den Steingutgefäßen, den Glasphiolen, den großen Schüsseln, in denen ich Penizillinbrühe ansetzte, und meinen chirurgischen Sägen. Mir waren ein Skalpell geblieben und das geschwärzte Blatt einer kleinen Amputationssäge; der Griff war zwar verkohlt, doch Jamie konnte mir einen neuen machen.

Die Bewohner von Fraser’s Ridge waren großzügig gewesen – so großzügig, wie es Menschen möglich war, die selbst so gut wie nichts besaßen und einen langen Winter hinter sich hatten. Wir waren mit Proviant für die Reise versorgt, und viele der Frauen hatten mir etwas von ihren Haushaltskräutern gebracht; ich besaß einige kleine Gefäße mit Lavendel, Rosmarin, Beinwell und Senfsamen, zwei kostbare Stahlnadeln, eine kleine Spule Seidengarn zum Nähen von Wunden und als Zahnseide (obwohl ich Letzteres den Damen gegenüber nicht erwähnte, denn sie wären zutiefst beleidigt gewesen) und einen kleinen Vorrat an Verbandsmaterial.

Eines jedoch besaß ich im Überfluss, und das war Alkohol. Der Maisspeicher war vor den Flammen verschont geblieben, und das Gleiche galt für die Destillerie. Da wir mehr als genug Getreide für die Tiere und den Haushalt hatten, hatte Jamie – der in jeder Lebenslage wirtschaftlich dachte – den Rest in einen ziemlich rohen – aber gehaltvollen – Schnaps verwandelt, den wir mitnehmen würden, um ihn unterwegs gegen das Notwendigste einzutauschen. Ein Fässchen war jedoch speziell für mich reserviert; ich hatte es sorgfältig mit dem Wort »Sauerkraut« beschriftet, um potenzielle Diebe abzuschrecken.