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»Du vergisst aber nicht, aus welchem du dir Nachschub zum Laden nimmst, aye?« Jamie ließ eine frische Musketenkugel, die wie ein winziger Sonnenaufgang glänzte, aus der Gussform in den Topf mit Schmalz und Ruß fallen.

»Solange du dich nicht aus Versehen an meinem Beutel vergreifst, nein«, sagte Ian sarkastisch. Er goss Bleikugeln, die er noch heiß in eine mit Laub ausgelegte Vertiefung fallen ließ, wo sie in der kühlen Abendluft qualmten und dampften.

Rollo, der dabeilag, nieste, als ein Rauchkringel an seiner Nase vorüberzog, und prustete heftig. Ian warf ihm einen Blick zu und lächelte.

»Ob es dir wohl gefallen wird, das Rotwild über die Heide zu jagen, a cù?«, fragte er. »Aber von den Schafen musst du dich fernhalten, sonst hält dich am Ende noch jemand für einen Wolf und erschießt dich.«

Rollo seufzte und kniff die Augen zu schläfrigen Schlitzen zusammen.

»Denkst du schon darüber nach, was du zu deiner Mutter sagen wirst, wenn du sie siehst?«, fragte Jamie und blinzelte, weil ihm der Rauch des Feuers in den Augen brannte, während er die kleine Kelle mit den Goldspänen über die Flammen hielt.

»Ich versuche, nicht allzu viel nachzudenken«, erwiderte Ian unverblümt. »Mir wird ganz anders, wenn ich an Lallybroch denke.«

»Gut oder schlecht anders?«, fragte ich, während ich die abgekühlten Goldkugeln vorsichtig mit einem Holzlöffel aus dem Schmalz fischte und sie in die Munitionsbeutel legte. Da wir im Verborgenen vorgehen mussten, stellten wir die Kugeln an einem kleinen Feuer auf der Lichtung für das neue Haus her, wo wir außer Sichtweite waren.

Ian runzelte die Stirn, ohne die Augen von seiner Schöpfkelle abzuwenden, wo sich die knittrigen Bleiklümpchen von einer Sekunde zur nächsten in eine bebende Pfütze verwandelten.

»Beides, glaube ich. Brianna hat mir einmal von einem Buch erzählt, das sie in der Schule gelesen hat und in dem steht, dass es kein Zurück nach Hause gibt. Das stimmt wahrscheinlich – aber ich möchte so gern zurück«, fügte er leise hinzu, die Augen nach wie vor fest auf seine Arbeit gerichtet. Das geschmolzene Blei floss zischend in die Gussform.

Ich wandte den Blick von seinem sehnsüchtigen Gesichtsausdruck ab und stellte fest, dass mich Jamie fragend, aber zugleich zärtlich ansah. Ich stand auf und ächzte leise, weil mein Kniegelenk knackte.

»Nun ja«, sagte ich kurz angebunden. »Das kommt doch ganz darauf an, was man unter einem Zuhause versteht, oder? Es ist schließlich nicht immer ein Ort.«

»Aye, das stimmt.« Ian hielt die Kugelform kurz hoch, um sie abkühlen zu lassen. »Aber selbst wenn es ein Mensch ist, gibt es nicht immer ein Zurück, aye?«, und sein Mund zuckte, als er erst zu Jamie sah, dann zu mir.

»Ich denke, du wirst deine Eltern in etwa so antreffen, wie du sie verlassen hast«, sagte Jamie trocken, ohne auf Ians Anspielung einzugehen. »Sie werden wahrscheinlich viel eher von dir schockiert sein.«

Ian blickte an sich hinunter und lächelte.

»Bin ein bisschen gewachsen«, sagte er.

Ich prustete belustigt auf. Er war fünfzehn gewesen, als er Schottland verließ – ein hageres Gestell von einem Jungen. Er war um einiges gewachsen. Außerdem war er sehnig und zäh wie trockenes Leder. Normalerweise hatte er auch in etwa dieselbe Hautfarbe, obwohl er jetzt vom Winter gebleicht war, sodass die tätowierten Pünktchen, die sich im Halbkreis über seine Wangenknochen zogen, noch deutlicher auffielen.

»Erinnerst du dich an den anderen Spruch, den ich dir gesagt habe?«, fragte ich ihn. »Als wir aus Edinburgh nach Lallybroch gekommen sind, nachdem ich … Jamie wiedergefunden hatte. Zuhause ist der Ort, wo sie nicht anders können, als dich aufzunehmen.«

Ian zog eine Augenbraue hoch, ließ den Blick von mir zu Jamie wandern und schüttelte den Kopf.

»Kein Wunder, dass du sie so gernhast, Onkel Jamie. Sie muss dir wahrhaftig ein großer Trost sein.«

»Nun ja«, bekannte Jamie, ohne den Kopf von seiner Arbeit zu heben, »sie nimmt mich immer wieder auf – also muss sie wohl mein Zuhause sein.«

Als wir fertig waren, brachten Ian und Rollo die vollen Munitionsbeutel zur Hütte zurück, während Jamie das Feuer austrat und ich die Utensilien zusammenpackte. Es wurde dunkel, und die Luft – die ohnehin schon so frisch war, dass sie in der Lunge kitzelte – nahm jetzt eine lebendige Kühle an, die auch die Haut liebkoste: der Atemhauch des Frühlings, der unablässig über die Erde weht.

Einen Moment lang stand ich einfach da und genoss. Obwohl wir im Freien gearbeitet hatten, war es heiß und stickig gewesen, und der kalte Lufthauch, der mir die Haare aus dem Nacken strich, war herrlich.

»Hast du einen Penny, a nighean?«, sagte Jamie neben mir.

»Einen was?«

»Nun ja, irgendein anderes Geldstück reicht auch.«

»Ich glaube nicht, aber …« Ich kramte in der Tasche, die ich mir an die Taille gebunden hatte und die im jetzigen Stadium unserer Vorbereitungen fast genauso viele unmögliche Dinge enthielt wie Jamies Sporran. Unter den Garnsträhnchen, den zusammengefalteten Papierstückchen, die Samenkörner oder getrocknete Kräuter enthielten, den Lederstückchen, in denen Nadeln steckten, dem kleinen Gefäß mit chirurgischem Nähmaterial, einer schwarz-weiß gemusterten Spechtfeder, einem Stückchen weißer Kreide und einem halben Brötchen, bei dessen Verzehr ich offensichtlich unterbrochen worden war, entdeckte ich tatsächlich einen schmierigen, mit Flusen und Krümeln verklebten halben Shilling.

»Kannst du den nehmen?«, fragte ich. Ich wischte die Münze ab und reichte sie ihm.

»Ja«, sagte er und hielt mir etwas entgegen. Meine Hand schloss sich automatisch um den Gegenstand, der sich als Griff eines Messers entpuppte, das ich vor lauter Überraschung beinahe fallen gelassen hätte.

»Ein neues Messer musst du immer mit Geld bezahlen«, erklärte er mir halb lächelnd. »Damit es weiß, dass du sein Besitzer bist, und sich nicht gegen dich wendet.«

»Sein Besitzer?« Die Sonne berührte jetzt den Grat des Berges, doch es war noch hell genug, um meine neue Errungenschaft zu betrachten. Es war eine schmale, aber stabile Klinge, die an einer Kante sorgfältig geschärft war; die Schneide schimmerte silbern im ersterbenden Sonnenlicht. Der Griff war aus Hirschhorn geschnitzt, glatt und warm in meiner Hand – und er hatte zwei kleine Einkerbungen, die genau zu meiner Hand passten. Dies war eindeutig mein Messer.

»Danke«, sagte ich, während ich es bewunderte. »Aber –«

»Du wirst dich sicherer fühlen, wenn du es dabeihast«, sagte er nüchtern. »Oh – eines noch. Gib es mir.«

Ich reichte es ihm verwundert zurück und beobachtete verblüfft, wie er die Klinge leicht über seinen Daumenballen zog. Aus dem flachen Schnitt quoll Blut auf, und er wischte es an seiner Hose ab und steckte den Daumen in den Mund, während er mir das Messer zurückreichte.

»Man tauft eine Klinge mit Blut, damit sie weiß, wozu sie da ist«, erklärte er mir und nahm den verletzten Finger aus dem Mund.

Der Griff des Messers lag zwar warm in meiner Hand, doch mich durchlief ein kalter Schauder. Bis auf seltene Ausnahmen neigte Jamie eigentlich nicht zu romantischen Gesten. Wenn er mir ein Messer gab, so glaubte er, dass ich es möglicherweise brauchen würde. Und zwar nicht, um Wurzeln auszugraben oder Baumrinde zu schaben. Zu wissen, wozu es da war – in der Tat.

»Es passt genau in meine Hand«, sagte ich. Ich streichelte die kleine Mulde, die für meinen Daumen gedacht war. »Wie hast du das so exakt hinbekommen?«

Er lachte.

»Ich habe deine Hand schon oft genug an meinem Schwanz gehabt, um zu wissen, wie groß sie ist, Sassenach«, versicherte er mir.

Ich prustete los, drehte jedoch das Messer um und stach mir mit der Spitze in den Daumen. Es war erstaunlich scharf; ich spürte kaum etwas, doch sofort quoll eine Perle aus dunkelrotem Blut auf. Ich steckte mir das Messer in den Gürtel, nahm seine Hand und drückte meinen Daumen gegen den seinen.