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Neunundachtzig Hippopotamus, neunzig Hippopotamus …

Das Kind hing aus Lizzies Körper, blutig blau und glänzend im Feuerschein, und es schwankte im Schatten ihrer Oberschenkel wie der Schlegel einer Glocke – oder ein Mensch am Galgen. Hastig schob ich diesen Gedanken von mir …

»Sollten wir sie nicht nehmen …?«, flüsterte mir Tante Monika zu, Rodney an ihre Brust gedrückt.

Einhundert.

»Nein«, sagte ich. »Nicht berühren. Noch nicht.« Die Schwerkraft half langsam bei der Geburt. Jeder Zug würde das Genick verletzen, und wenn der Kopf stecken blieb …

Einhundertzehn Hippo… das war eine ziemliche Menge Hippopotami, dachte ich und malte mir geistesabwesend aus, wie eine ganze Herde von Flusspferden zum Wasserloch marschierte, um sich dort genüsslich im Schlamm zu suhlen …

»Jetzt«, sagte ich und hielt mich bereit, um Mund und Nase zu säubern, sobald sie zum Vorschein kamen – doch Lizzie hatte nicht auf mein Kommando gewartet, und mit einem lang gezogenen, tiefen Seufzer und einem hörbaren Plop! trat der ganze Kopf auf einmal aus, und das Baby fiel mir in die Hände wie eine reife Frucht.

Ich schöpfte noch etwas Wasser aus dem dampfenden Kessel in die Waschschüssel und goss kaltes Wasser aus dem Eimer dazu. Die Wärme des Wassers brannte mir auf den Händen; nach dem langen Winter und durch den permanenten Kontakt mit Alkohol zur Sterilisation war die Haut auf meinen Fingerknöcheln rissig geworden. Ich hatte Lizzies Dammschnitt vernäht und sie gewaschen, und das Blut floss mir nun von den Händen und zog sich in dunklen Wirbeln durch das Wasser.

Hinter mir lag Lizzie glücklich und entspannt im Bett. Sie hatte ein Hemd eines der Zwillinge angezogen, weil ihr eigenes noch nicht wieder trocken war. Sie lachte, euphorisch durch die Geburt – und die Tatsache, dass sie überlebt hatte. Die Zwillinge umsorgten sie von beiden Seiten, murmelten ihr bewundernde und erleichternde Liebkosungen zu, der eine steckte ihr das lose, feuchte blonde Haar zurück, der andere küsste ihr sanft den Hals.

»Hast du Fieber, Liebste?«, fragte einer von ihnen mit einem Hauch von Sorge in der Stimme. Sofort drehte ich mich um und sah sie an, denn Lizzie litt an der Malaria. Sie hatte zwar schon lange keinen Anfall mehr gehabt, aber vielleicht hatte ja die Anstrengung der Geburt …

»Nein«, sagte sie und küsste Jo oder Kezzie auf die Stirn. »Ich bin nur rot, weil ich so glücklich bin.« Kezzie oder Jo strahlte sie anbetungsvoll an, während sein Bruder die Halsküssdienste auf der anderen Seite übernahm.

Tante Monika hüstelte. Sie hatte das Baby mit einem feuchten Tuch und einigen meiner Wollbäusche – sie waren weich und ölig vom Lanolin – abgewischt, und jetzt war es in eine Decke gewickelt. Rodney war das Ganze längst langweilig geworden, und er war mit dem Daumen im Mund auf dem Boden neben dem Brennholzkorb eingeschlafen.

»Dein Vater, Lizzie«, sagte sie mit einem winzigen Hauch des Tadels in der Stimme. »Er erkältet sich noch. Und er will bestimmt die Kleine sehen, mit dir, aber nicht unbedingt mit den …« Sie brachte es fertig, mit dem Kopf zum Bett zu zeigen und gleichzeitig den Blick sittsam von dem munteren Trio darauf abgewendet zu halten.

Ihre Worte machten den Zwillingen Beine, und sie hüpften vom Bett, der eine, um sich zu bücken und Rodney aufzuheben, mit dem er ebenso selbstverständlich wie liebevoll umging, der andere, um zur Tür zu hasten und Mr Wemyss zu holen, den man in der Aufregung auf der Veranda vergessen hatte.

Er war zwar ein wenig blau angelaufen, doch die Erleichterung ließ sein schmales Gesicht glühen, als wäre es von innen beleuchtet. Von Herzen froh, lächelte er Monika an, spendete dem kleinen Bündel einen kurzen Blick und eine vorsichtige Berührung – doch seine Aufmerksamkeit galt allein Lizzie, und ihm die ihre.

»Deine Hände sind ja eingefroren, Pa«, sagte sie mit einem leisen Kichern, doch sie hielt ihn fest, als er seine Hände fortziehen wollte. »Nein, bleib hier; mir ist schön warm. Komm, setz dich zu mir, und sag deiner kleinen Enkeltochter Guten Abend.« Eine Art schüchterner Stolz klang in ihrer Stimme mit, als sie Tante Monika die Hand entgegenstreckte.

Sanft legte Monika Lizzie das Baby in die Arme und blieb dann neben dem Bett stehen, eine Hand auf Mr Wemyss’ Schulter gelegt, und auch aus ihrem wettergegerbten Gesicht leuchtete etwas, das mehr war als bloße Zuneigung. Nicht zum ersten Mal überraschte mich ihre tiefe Liebe zu diesem zerbrechlichen, stillen Mann – und nicht zum ersten Mal beschämte mich diese Überraschung ein wenig.

»Oh«, sagte Mr Wemyss leise. Sein Finger berührte die Wange des Babys; ich konnte hören, wie es leise Schmatzgeräusche machte. Anfangs war es noch zu sehr von der Geburt schockiert gewesen, um sich für die Brust zu interessieren, doch jetzt begann die Kleine offensichtlich, ihre Meinung zu ändern.

»Sie hat bestimmt Hunger.« Die Bettwäsche raschelte, und Lizzie legte das Baby mit geübter Hand an ihre Brust.

»Wie willst du sie denn nennen, a leannan?«, fragte Mr Wemyss.

»Ich habe gar nicht über einen Mädchennamen nachgedacht«, antwortete Lizzie. »Sie ist so groß gewesen, dass ich mir sicher war, dass sie ein – au!« Sie lachte leise und verzückt auf. »Ich hatte ganz vergessen, wie gierig so ein Neugeborenes ist. Oo! Hier, a chuisle, aye, so ist es besser …«

Ich langte nach dem Wollbeutel, um mir die wunden Hände ebenfalls mit einem der weichen, öligen Bäusche abzuwischen, und dabei fiel mein Blick auf die Zwillinge, die im Hintergrund standen, die Augen unverwandt auf Lizzie und ihre Tochter geheftet, die gleiche Miene in den Gesichtern wie Tante Monika. Ohne den Blick abzuwenden, senkte der Zwilling, der den kleinen Rodney auf dem Arm hatte, den Kopf und küsste den Kleinen auf den Scheitel.

So viel Liebe auf so kleinem Raum. Ich wandte mich ab, denn auch mir wurden die Augen feucht. Spielte es wirklich eine Rolle, wie unorthodox die Ehe im Mittelpunkt dieser merkwürdigen Familie war? Nun, für Hiram Crombie möglicherweise, dachte ich. Der Anführer der standhaften Presbyterianeremigranten aus Thurso würde für Lizzie, Jo und Kezzie mit Sicherheit die Steinigung fordern – und für die sündige Frucht ihrer Lenden.

So etwas war ausgeschlossen, solange Jamie in Fraser’s Ridge war – doch wenn er fort war? Ich säuberte mir langsam die blutigen Fingernägel und hoffte, dass Ian recht hatte, was die Beardsleys und ihr Talent zur Diskretion – und zur List – betraf.

Von diesen Gedanken abgelenkt, hatte ich gar nicht bemerkt, dass Tante Monika lautlos neben mich getreten war.

»Danke«, sagte sie leise und legte mir ihre Gichthand auf den Arm.

»Gern geschehen.« Ich legte meine Hand auf die ihre und drückte sanft zu. »Ihr wart mir eine große Hilfe – danke.«

Sie lächelte immer noch, doch ihre Stirn war von einer Sorgenfalte zerteilt.

»Kaum. Aber ich habe solche Angst.« Sie sah sich nach dem Bett um, dann richtete sie ihre Augen wieder auf mich. »Was passiert nächstes Mal, wenn Ihr nicht hier seid? Sie werden ja nicht aufhören«, fügte sie hinzu. Ganz diskret legte sie Daumen und Zeigefinger zu einem Kreis zusammen und stieß mit dem Mittelfinger der anderen Hand hinein – eine ganz und gar nicht diskrete Illustration dessen, was sie meinte.

Ich münzte mein Lachen rasch zu einem Hustenanfall um, der glücklicherweise von den Beteiligten ignoriert wurde, obwohl sich Mr Wemyss etwas besorgt umsah.

»Ihr werdet ja hier sein«, sagte ich zu ihr, als ich mich erholt hatte. Ihre Miene drückte pures Entsetzen aus.

»Ich? Nein«, wehrte sie ab und schüttelte den Kopf. »Das reicht nicht. Ich … ich … bin nicht genug.«

Ich holte tief Luft, denn ich wusste, dass sie recht hatte. Und doch …

»Das müsst Ihr aber«, sagte ich ganz leise.

Sie kniff ihre großen, weisen braunen Augen zusammen und richtete sie erneut auf mich. Dann nickte sie langsam und nahm ihr Schicksal an.