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»Weiß nicht«, erwiderte William genauso beiläufig. »Natürlich würden mir meine Männer fehlen, aber …« Mrs Bell hatte ihn gedrängt, doch später in der Woche einmal zum Tee zu kommen.

»Im Militärleben gibt es wenig Beständigkeit«, sagte sein Vater mit einem kleinen Kopfschütteln. »Ich habe dich gewarnt.«

William grunzte zustimmend, ohne ihm jedoch richtig zuzuhören.

»Eine gute Gelegenheit, sich zu profilieren«, sagte sein Vater und fügte dann wie nebenbei hinzu, »obwohl der Vorschlag natürlich nicht ganz ungefährlich ist.«

»Was?«, spottete William. »Ein Ritt von Wilmington zum Hafen von New York? Es gibt eine Straße, fast die ganze Strecke entlang!«

»Auf der es von Kontinentaltruppen wimmelt«, mahnte ihn Lord John. »General Washingtons gesamte Armee liegt auf unserer Seite von Philadelphia, wenn die Neuigkeiten, die ich gehört habe, korrekt sind.«

William zuckte mit den Achseln.

»Richardson hat gesagt, er will mich, weil ich das Land kenne. Ich komme genauso gut ohne Straßen zurecht.«

»Bist du sicher? Du bist seit fast vier Jahren nicht mehr in Virginia gewesen.«

William ärgerte sich über den skeptischen Ton dieser Worte.

»Meinst du etwa, ich bin nicht in der Lage, den Weg zu finden?«

»Nein, ganz und gar nicht«, sagte sein Vater, nach wie vor mit diesem skeptischen Unterton. »Aber dieser Vorschlag birgt ein beträchtliches Risiko; ich möchte nicht, dass du darauf eingehst, ohne angemessen darüber nachgedacht zu haben.«

»Nun, ich habe darüber nachgedacht«, sagte William verletzt. »Ich werde es tun.«

Lord John ging einige Schritte schweigend weiter, dann nickte er widerstrebend.

»Es ist deine Entscheidung, Willie«, sagte er leise. »Ich persönlich wäre jedoch froh, wenn du vorsichtig wärst.«

Williams Ärger schmolz augenblicklich dahin.

»Natürlich bin ich das«, sagte er gespielt schroff. Dann schritten sie weiter unter dem dunklen Dach der Ulmen und Erlen dahin, ohne zu reden, so dicht beieinander, dass sich hin und wieder ihre Schultern berührten.

Vor dem Gasthaus wünschte William Lord John eine gute Nacht, kehrte jedoch selbst nicht sofort in sein Quartier zurück. Stattdessen wanderte er unruhig am Kai entlang; er war noch nicht bereit zu schlafen.

Inzwischen herrschte Ebbe, wie er sah; der Geruch nach totem Fisch und verfaulendem Seetang war stärker, obwohl die Schlammbänke immer noch von einer glatten Wasserfläche bedeckt waren, reglos im Licht des Viertelmondes.

Er brauchte einen Moment, um den Pfosten auszumachen. Eine Sekunde lang dachte er, er wäre verschwunden, doch nein – da war er, ein schmaler dunkler Strich vor dem schimmernden Wasser. Leer.

Der Pfosten stand nicht länger senkrecht da, sondern schräg, als sei er im Begriff umzufallen, und eine dünne Seilschlaufe baumelte daran und trieb auf dem sinkenden Wasserspiegel wie eine Henkersschlinge. William empfand eine Beklommenheit, die ihm durch Mark und Bein ging; es war unmöglich, dass die Flut allein die Leiche mitgenommen hatte. Man sagte, dass es hier Krokodile oder Alligatoren gab, obwohl er selbst noch kein derartiges Tier gesehen hatte. Er spähte unwillkürlich zu Boden, als könnte eines dieser Reptilien plötzlich zu seinen Füßen aus dem Wasser geschossen kommen. Die Luft war warm, doch ihn durchlief ein leiser Schauder.

Er schüttelte das Gefühl ab und wandte sich seinem Quartier zu. Ihm würden noch ein oder zwei Tage bleiben, bis er aufbrechen musste, dachte er, und er fragte sich, ob er die blauäugige Mrs MacKenzie wohl noch einmal wiedersehen würde, bevor er abreiste.

Lord John blieb noch einen Moment auf der Veranda des Gasthauses stehen und sah zu, wie sein Sohn unter den Bäumen im Schatten verschwand. Er hatte seine Bedenken; die ganze Angelegenheit war sehr viel hastiger arrangiert worden, als ihm lieb gewesen wäre – doch er vertraute auf Williams Fähigkeiten. Zwar hatte die Abmachung eindeutig ihre Risiken, doch das war nun einmal die Natur des Soldatenlebens. Es gab allerdings Situationen, die besonders gefährlich waren.

Er hörte das Summen der Gespräche aus dem Schankraum und zögerte, fand dann jedoch, dass er für heute Abend genug Gesellschaft gehabt hatte. Dann stellte er sich allerdings vor, wie er sich in der stickigen Hitze seines Zimmers unter der niedrigen Decke hin und her wälzen würde, und beschloss, spazieren zu gehen, bis ihm die schiere körperliche Erschöpfung den Schlaf garantierte.

Es war nicht nur die Hitze, dachte er, während er von der Veranda trat und in die entgegengesetzte Richtung aufbrach, in die William gegangen war. Er kannte sich gut genug, um zu begreifen, dass selbst der augenscheinliche Erfolg seines Plans nicht verhindern würde, dass er wach lag und sich sorgte wie ein Hund, der einen Knochen gefunden hat – dass er ihn auf Schwächen inspizierte und nach Verbesserungsmöglichkeiten suchte. William würde schließlich nicht sofort aufbrechen; es blieb noch ein wenig Zeit, zu überlegen und nötigenfalls Veränderungen vorzunehmen.

General Howe zum Beispiel. War das die beste Wahl gewesen? Vielleicht Clinton … nein, doch nicht. Clinton war ein kleinliches altes Waschweib, und es widerstrebte ihm, auch nur einen Fuß zu rühren, solange es keine schriftliche Order in dreifacher Ausfertigung gab.

Die Gebrüder Howe – der eine General, der andere Admiral – waren für ihre Grobheit berüchtigt, und beide hatten das Benehmen, das Aussehen und die allgemeine Ausstrahlung wilder Eber in der Brunst. Allerdings waren sie beide nicht dumm – und weiß Gott nicht zimperlich –, und Grey war der Auffassung, dass grobes Benehmen und harte Worte Willie gewiss nicht umbringen würden. Mit einem Kommandeur, der die Angewohnheit hatte, auf den Boden zu spucken – einmal hatte Richard Howe sogar Grey angespuckt, doch das war keine Absicht gewesen, da der Wind unerwartet gedreht hatte –, kam ein junger Subalterner wahrscheinlich eher zurecht als mit einigen der Launen, die Greys andere Militärbekanntschaften an den Tag legten.

Allerdings war selbst der verschrobenste Vertreter der Waffenbruderschaft jedem Diplomaten vorzuziehen. Er fragte sich, ob es wohl eine Kongregationsbezeichnung für Diplomaten gab. Wenn die schreibende Zunft die Bruderschaft des Federkiels war – vielleicht die Bruderschaft des Stiletts? Nein, beschloss er. Viel zu direkt. Wohl eher die Bruderschaft der Langweiler. Obwohl diejenigen, die nicht langweilig waren, gelegentlich sehr gefährlich sein konnten.

Sir George Germain gehörte der seltensten Sorte an: langweilig und gefährlich.

Eine Zeit lang wanderte er auf den Straßen des Städtchens auf und ab, um endlich müde zu werden, bevor er in sein kleines, stickiges Zimmer zurückkehren würde. Der Himmel hing tief; Wetterleuchten huschte durch die Wolken, und die Atmosphäre war so feucht wie ein Badeschwamm. Er hätte längst in Albany sein sollen – auch nicht weniger feucht und von Ungeziefer verseucht, aber ein wenig kühler, in der Nähe der herrlichen dunklen Wälder der Adirondacks.

Dennoch, er bedauerte seine überhastete Reise nach Wilmington nicht. Für Willie war gesorgt; das war das Wichtigste. Und Willies Schwester Brianna – einen Moment lang erstarrte er mit geschlossenen Augen und durchlebte diesen schmerzhaft erhabenen Augenblick am Nachmittag noch einmal, als er die beiden zusammen gesehen hatte – die einzige Begegnung, die es je geben würde. Er hatte kaum atmen können; sein Blick war fest auf die beiden hochgewachsenen Gestalten geheftet, diese schönen, kühnen Gesichter, die einander so ähnelten – und die beide dem Mann so ähnelten, der neben ihm gestanden hatte, reglos, der, anders als Grey, jedoch in heftigen Zügen Luft geholt hatte, als fürchte er, nie wieder atmen zu können.

Grey rieb sich geistesabwesend den linken Ringfinger; er hatte sich noch nicht daran gewöhnt, ihn nackt vorzufinden. Er und Jamie Fraser hatten getan, was sie konnten, um für die Sicherheit derer zu sorgen, die sie liebten. Und bei aller Traurigkeit tröstete ihn der Gedanke, dass sie durch diese Verwandtschaft der Verantwortung verbunden waren.