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Ihm war bewusst, dass er für jeden Beobachter deutlich sichtbar war, doch er konnte nichts daran ändern. Wenn er schon eine Zielscheibe auf der Brust trug, änderte es auch nichts mehr, wenn er sie beleuchtete.

Rollo, der wachsam neben dem lodernden Feuer lag, hatte plötzlich den Kopf gehoben, ihn aber nur einem leisen Geräusch in der Dunkelheit zugewandt. Also war dort jemand, den er kannte, und Ian sorgte sich nicht. Er war deshalb nicht überrascht, als sein Onkel aus dem Wald trat, wo er seine Blase erleichtert hatte, und sich neben ihn setzte.

»Er will dich ja nicht töten«, hatte Onkel Jamie ohne Umschweife gesagt. »Vorerst bist du sicher.«

»Ich weiß gar nicht, ob ich das sein möchte«, war es ihm entfahren, und sein Onkel hatte ihn sorgenvoll angesehen – aber nicht überrascht. Doch dann hatte Onkel Jamie nur genickt.

Er wusste, was sein Onkel meinte; Arch Bug wollte nicht, dass er starb, denn das hätte ja seinen Schuldgefühlen und damit seinem Leiden ein Ende gesetzt. Ian hatte ihm in die alten Augen geblickt, deren Weiß vergilbt und mit roten Fäden durchzogen war und die vor Kälte und Schmerz tränten, und er hatte dort etwas gesehen, das sein Innerstes gefrieren ließ. Nein, Arch Bug würde ihn nicht töten – noch nicht.

Sein Onkel starrte ins Feuer, dessen Licht ihm die kräftigen Gesichtszüge wärmte, und dieser Anblick erfüllte Ian mit Trost und Panik zugleich.

Kommt dir dieser Gedanke denn gar nicht?, hatte er angsterfüllt gedacht, es aber nicht ausgesprochen. Er hat gesagt, er nimmt mir das, was ich liebe. Und da sitzt du nun ganz unbekümmert neben mir.

Als dieser Gedanke das erste Mal aufgetaucht war, hatte er ihn verdrängt; der alte Arch stand tief in Jamies Schuld, und er war ein Mensch, der eine solche Schuld nicht vergaß – obwohl er vielleicht noch lieber einforderte, was andere ihm schuldeten. Und er zweifelte nicht daran, dass Arch Bug seinen Onkel auch als Menschen respektierte. Für eine Weile schien die Angelegenheit damit erledigt gewesen zu sein.

Doch dann waren andere Gedanken auf ihn eingestürmt, bedrückende, vielbeinige Wesen, die seit dem Tag, an dem er Murdina Bug umgebracht hatte, aus den schlaflosen Nächten gekrochen kamen.

Arch war ein alter Mann. Zäh wie ein im Feuer gehärteter Speer und doppelt so gefährlich – aber alt. Er hatte in Sheriffmuir gekämpft; er musste auf die achtzig zugehen. Womöglich würde ihn der Rachedurst noch eine Weile am Leben halten, doch alles Leibliche ging einmal zu Ende. Vielleicht dachte er, dass er nicht mehr lange warten konnte, bis Ian etwas fand, das es »wert war, es ihm zu nehmen«. Wenn er seine Drohung wahr machen wollte, würde er bald handeln müssen.

Ian konnte das leise Rascheln der Bewegungen auf der anderen Seite des Feuers hören und schluckte, denn sein Mund wurde trocken. Würde der alte Arch versuchen, seine Tante auszulöschen, die Ian so liebte? Sie würde sehr viel leichter umzubringen sein als Onkel Jamie. Doch nein – Arch mochte ja vor Schmerz und Wut halb von Sinnen sein, doch er war nicht verrückt. Er wusste genau, dass es Selbstmord sein würde, Tante Claire anzurühren, wenn er nicht gleichzeitig Onkel Jamie umbrachte.

Vielleicht würde ihm das ja gleichgültig sein. Das war ein weiterer Gedanke, der ihm mit kleinen kalten Füßen über den Bauch krabbelte.

Er sollte sie verlassen, das wusste er. Er hatte das auch schon vorgehabt – hatte es immer noch vor. Zu warten, bis sie eingeschlafen waren, und dann aufzustehen und sich davonzustehlen. Auf diese Weise würden sie außer Gefahr sein.

Er hatte es jedoch nicht übers Herz gebracht in jener ersten Nacht. Er hatte versucht, dort am Feuer seinen Mut zusammenzunehmen und zu gehen – aber sein Onkel war ihm zuvorgekommen, als er aus dem Wald kam und sich neben ihn setzte, ihm schweigend Gesellschaft leistete, bis Ian so weit war, dass er sich wieder hinlegen konnte.

Morgen, hatte er gedacht. Schließlich hatten sie seit der Beerdigung seiner Frau keine Spur mehr von Arch Bug gesehen. Möglicherweise ist er ja tot. Er war ein alter Mann, noch dazu allein.

Außerdem durfte er nicht vergessen, dass ihm Onkel Jamie folgen würde, wenn er ohne ein Wort ging. Er hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass Ian nach Schottland zurückkehren würde, ob er es freiwillig tat oder in einem Sack verschnürt. Ian grinste all seinen Gedanken zum Trotz, und Rollo grunzte leise, als sich die Brust unter seinem Kopf lautlos lachend bewegte.

An Schottland und das, was ihn dort erwarten mochte, hatte er kaum einen Gedanken verschwendet.

Vielleicht waren es die Geräusche auf der anderen Seite des Feuers, die ihn darauf brachten – ein plötzliches japsendes Einatmen und die beiden tiefen Seufzer, die darauf folgten, während ihm eine lebhafte körperliche Erinnerung an den Vorgang kam, der diese Seufzer auslöste – jedenfalls fragte er sich plötzlich, ob er in Schottland wohl eine Frau finden würde?

Das konnte er doch nicht. Oder doch? Würde ihm Bug so weit folgen können? Möglicherweise ist er ja schon tot, dachte er erneut und rutschte ein wenig hin und her. Rollo brummte leise, doch da er die Zeichen sofort merkte, rappelte er sich auf und rollte sich ein kleines Stück weiter von ihm zusammen.

Seine Familie war dort. Im Kreis der Murrays musste er – und eine Frau – doch in Sicherheit sein. Es war einfach, hier im dichten Bergwald herumzuschleichen und jemandem aufzulauern – nicht annähernd so einfach war es in den Highlands, wo jedes Auge wachsam war und kein Fremder unbemerkt blieb.

Er hatte keine Ahnung, was seine Mutter tun würde, wenn sie ihn sah – doch wenn sie sich erst an ihn gewöhnt hatte, fiel ihr ja möglicherweise ein Mädchen ein, das nicht allzu viel Angst vor ihm haben würde.

Abruptes Einatmen und ein Geräusch, das nicht ganz ein Stöhnen war, von seinem Onkel – er tat das, wenn sie seine Brustwarze in den Mund nahm; Ian hatte ein- oder zweimal gesehen, wie sie das tat, im Schein der Glut der Feuerstelle in der Hütte, ihre Augen geschlossen, ein rasches feuchtes Aufglänzen ihrer Zähne, und ihr Haar fiel ihr in einer Wolke aus Licht und Schatten von den Schultern zurück.

In Versuchung geführt, legte er eine Hand auf seinen Schwanz. Er hatte eine Sammlung von Bildern im Kopf, die er für diesen Zweck wachhielt – und nicht wenige davon hatten seine Cousine zum Gegenstand, auch wenn ihn das ein wenig beschämte. Sie war schließlich Roger Macs Frau. Doch er hatte einmal gedacht, dass er sie selbst heiraten müsste, eine Vorstellung, die ihm zwar Angst einjagte – er war erst siebzehn gewesen und sie um einiges älter –, doch der Gedanke, mit ihr ins Bett zu gehen, hatte ihm Mut gemacht.

Ein paar Tage lang hatte er sie genau beobachtet, ihren runden festen Hintern gesehen, den dunklen Schatten ihres roten Schamhaars unter dem dünnen Musselin ihres Hemdes, wenn sie baden ging, und hatte sich vorgestellt, wie erregend es sein würde, es unverhüllt zu sehen in der Nacht, wenn sie sich niederlegte und für ihn die Beine öffnete.

Was machte er nur? Er konnte doch nicht so an Brianna denken, während er drei Meter neben ihrem Vater lag!

Er verzog das Gesicht und schloss fest die Augen. Seine Hand verlangsamte sich, während er ein anderes Bild aus seiner geheimen Bibliothek heraufbeschwor. Nicht die Hexe – nicht heute Abend. Die Erinnerung an sie erregte ihn heftig und oftmals schmerzhaft, doch sie war mit einem Gefühl der Hilflosigkeit vermischt. Malva … Nein, er hatte Angst, sie heraufzubeschwören; oft dachte er, dass ihr Geist noch nicht sehr weit entfernt weilte.

Die kleine Mary. Aye. Seine Hand fand sofort ihren Rhythmus, und er seufzte und flüchtete sich erleichtert zu den kleinen rosigen Brüsten und dem ermunternden Lächeln des ersten Mädchens, mit dem er je geschlafen hatte.