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Würde er Brianna Fraser MacKenzie je wiedersehen?, fragte er sich. Sie hatte Nein gesagt – und diese Tatsache schien sie genauso traurig zu stimmen wie ihn.

»Gott segne dich, Kind«, murmelte er und schüttelte den Kopf, als er sich zum Hafen zurückwandte. Sie würde ihm sehr fehlen – doch genau wie bei Willie war seine Erleichterung darüber, dass sie Wilmington und die Gefahr bald hinter sich lassen würde, größer als sein persönlicher Verlust.

Er spähte unwillkürlich zum Wasser hinüber, als er auf den Kai trat, und stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus, als er den leeren Pfahl sah, der schräg im abebbenden Wasser stand. Er hatte nicht verstanden, warum sie getan hatte, was sie getan hatte, doch er kannte ihren Vater – und natürlich ihren Bruder – schon viel zu lange, um die hartnäckige Überzeugung in ihren blauen Katzenaugen nicht zu sehen. Also hatte er ihr das kleine Boot besorgt, um das sie gebeten hatte, und hatte am Kai gestanden, das Herz in der Kehle, nötigenfalls zu einem Ablenkungsmanöver bereit, während ihr Mann sie zu dem gefesselten Piraten hinausgerudert hatte.

Er hatte schon viele Männer sterben sehen, normalerweise unfreiwillig, hin und wieder resigniert. Noch nie hatte er einen mit solch leidenschaftlicher Dankbarkeit in den Augen gehen sehen. Grey hatte Roger MacKenzie nur sehr flüchtig kennengelernt, vermutete jedoch, dass er ein bemerkenswerter Mann war, da er nicht nur die Heirat mit diesem fabelhaften, gefährlichen Geschöpf überlebt, sondern sogar Kinder mit ihm gezeugt hatte.

Er schüttelte den Kopf und machte kehrt, um das Gasthaus anzusteuern. Er konnte getrost noch zwei Wochen warten, dachte er, bevor er Germains Brief beantwortete – den er mit geschickten Fingern aus der Diplomatenschatulle entwendet hatte, als er Williams Namen darauf sah. Zu diesem Zeitpunkt konnte er dann wahrheitsgemäß berichten, dass Lord Ellesmere bei der Ankunft des Briefes leider irgendwo zwischen North Carolina und New York in der Wildnis unterwegs war und es daher nicht möglich war, ihn von seiner Rückberufung nach England zu unterrichten, obwohl er (Grey) der festen Überzeugung sei, dass Ellesmere es sehr bedauern würde, dass ihm die Gelegenheit entgangen war, sich Sir Georges Stab anzuschließen, wenn er davon erfuhr – Monate später. Zu schade.

Er begann, »Lillibuleero« zu pfeifen, und schritt bester Laune zum Gasthaus zurück.

Er machte im Schankraum halt und bat darum, ihm eine Flasche Wein auf sein Zimmer zu bringen – um jedoch von der Kellnerin zu erfahren, »der Herr« hätte bereits eine Flasche mit nach oben genommen.

»Und zwei Gläser«, fügte sie mit einem vertraulichen Lächeln hinzu. »Also wollte er ihn wohl nicht ganz allein trinken.«

Grey hatte das Gefühl, dass ihm etwas wie ein Tausendfüßler über den Rücken kroch.

»Ich bitte um Verzeihung«, sagte er. »Habt Ihr gesagt, in meinem Zimmer befindet sich ein Herr?«

»Ja, Sir«, versicherte sie ihm. »Er sagt, er ist ein alter Freund von Euch … hmm … Er hat mir seinen Namen gesagt …« Ihre Stirn legte sich kurz in Falten, dann glättete sie sich wieder. »Bou-schah hat er gesagt, oder so ähnlich. Französischer Name«, erläuterte sie. »Sieht auch wie ein Franzose aus. Möchtet Ihr etwas essen, Sir?«

»Nein, ich danke Euch.« Er winkte ab und stieg die Treppe hinauf. Dabei überlegte er hastig, ob er irgendetwas in seinem Zimmer gelassen hatte, das dort besser nicht wäre.

Ein Franzose namens Bou-schah … Beauchamp. Der Name blitzte in seinem Kopf auf wie Wetterleuchten. Einen Moment blieb er mitten auf der Treppe stehen, dann ging er weiter, langsamer jetzt.

Es konnte doch nicht … doch wer sollte es sonst sein? Nachdem er vor einigen Jahren aus dem aktiven Dienst ausgeschieden war, hatte er das Diplomatendasein als Mitglied des Schwarzen Kabinetts von England begonnen – jener schattenhaften Organisation von Personen, die mit dem Abfangen und der Decodierung offizieller diplomatischer Post (und auch sehr viel weniger offizieller Dokumente) zwischen den europäischen Regierungen beauftragt war. Jede dieser Regierungen unterhielt ihr eigenes Cabinet noir, und es war nicht ungewöhnlich für die Mitglieder einer solchen Organisation, mit ihren Gegenspielern vertraut zu sein – denen sie zwar nie begegneten, die sie aber von ihren Signaturen, ihren Initialen oder ihren unsignierten Randnotizen her kannten.

Beauchamp war einer der aktivsten französischen Agenten gewesen; Grey war in den letzten Jahren noch mehrfach auf seine Spur gestoßen, auch wenn seine eigenen Tage im Schwarzen Kabinett längst hinter ihm lagen. Wenn er Beauchamp beim Namen kannte, war es absolut denkbar, dass der Mann ihn ebenfalls kannte – aber ihre unsichtbare Verbindung lag doch schon Jahre zurück. Sie waren sich nie persönlich begegnet, und dass eine solche Begegnung hier stattfinden sollte … Er berührte die geheime Tasche in seinem Rock und war beruhigt, als er gedämpftes Papierknistern hörte.

Am Kopf der Treppe zögerte er, doch es gab keinen Grund zur Verstohlenheit; er wurde ja eindeutig erwartet. Festen Schrittes ging er den Flur entlang und drehte den weißen Porzellanknauf seiner Tür, der glatt und kühl unter seinen Fingern lag.

Ihn überkam eine Hitzewelle, und er schnappte unwillkürlich nach Luft. Sehr gut, denn dies verhinderte, dass er den Fluch ausstieß, der ihm auf den Lippen lag.

Der Herr, der auf dem einzigen Stuhl des Zimmers saß, mutete in der Tat französisch an – Kaskaden schneeweißer Spitze an Hals und Manschetten hoben sich von einem exzellent geschnittenen Anzug ab, und die Silberschnallen seiner Schuhe passten perfekt zum Haar an seinen Schläfen.

»Mr Beauchamp«, sagte Grey und schloss langsam die Tür hinter sich. Das feuchte Leinen klebte ihm am Körper, und er konnte spüren, wie ihm der Puls in den Schläfen schlug. »Ich fürchte, Eure Ankunft überrumpelt mich.«

Perseverance Wainwright lächelte kaum merklich.

»Freut mich, dich zu sehen, John«, sagte er.

Grey biss sich auf die Zunge, um nichts Unüberlegtes zu sagen – eine Beschreibung, die auf so gut wie alles zutraf, was er hätte sagen können, dachte er, mit Ausnahme von »Guten Abend«.

»Guten Abend«, sagte er. Er zog fragend die Augenbraue hoch. »Monsieur Beauchamp?«

»Oh, ja.«

Percy machte Anstalten, sich zu erheben, doch Grey winkte ab. Er machte kehrt, um sich einen Hocker zu holen, und hoffte, dass ihm die Sekunden, die er für diesen Weg brauchte, helfen würden, die Fassung zurückzuerlangen. Da dies nicht so war, verbrachte er einen weiteren Moment damit, das Fenster zu öffnen, und saugte sich die dicke, feuchte Luft in die Lunge, bevor er sich wieder umdrehte und sich ebenfalls hinsetzte.

»Wie ist denn das gekommen?«, fragte er und stellte sich uninteressiert. »Beauchamp, meine ich. Oder ist das nur ein Nom de Guerre?«

»Oh, nein.« Percy ergriff sein spitzengesäumtes Taschentuch und tupfte sich geziert den Schweiß vom Haaransatz – der zurückzuweichen begann, wie Grey bemerkte. »Ich habe eine der Schwestern des Barons Amandine geheiratet. Der Name der Familie ist Beauchamp; ich habe ihn angenommen. Diese Verwandtschaft hat mir einen gewissen Zugang zu politischen Kreisen verschafft, sodass ich –« Er zuckte entwaffnend mit den Schultern und vollzog eine anmutige Geste, die seine Laufbahn im Schwarzen Kabinett umriss – und gewiss auch anderswo, dachte Grey grimmig.

»Meinen Glückwunsch zur Vermählung«, sagte Grey und versuchte erst gar nicht, die Ironie in seiner Stimme zu unterdrücken. »Mit wem schläfst du denn, mit dem Baron oder seiner Schwester?«

Percys Miene war belustigt.

»Gelegentlich mit beiden.«

»Gleichzeitig?«

Das Lächeln wurde breiter. Seine Zähne waren immer noch gut, bemerkte Grey, selbst wenn sie vom Wein verfärbt waren.

»Hin und wieder. Obwohl Cecile – meine Frau – in Wirklichkeit die Zuwendung ihrer Cousine Lucianne bevorzugt und ich selbst die des Hilfsgärtners. Ein Prachtkerl namens Emile – er erinnert mich an dich, als du jünger warst. Schlank, blond, muskulös und brutal.«