Er lachte lauthals und wischte sich die Augen. »Haben sich kein bißchen geändert, scheint mir«, meinte er.
»Nein, Sir. Nun, ich bin oft durch den Laden gegangen und dann zur Botschaft zurückgekommen und habe richtige Werbesprüche für sie geschrieben. Wissen Sie? Zum Beispiel für die Tomaten "Saftig, reif, geschmackvoll - auf dem Gipfel der Vollendung" oder »Sparen! Sparen Sie kostbare Zeit mit diesen vom Küchenchef vorbereiteten, kochfertigen Meisterwerken!" In dieser Art. Und dann habe ich alle neuen Werbespots von der Erde für die Belegschaft besprochen - wenigstens zwei Stunden lange Anfeuerungstreffen jede Woche -, und wir haben Wettbewerbe veranstaltet, um festzustellen, wer mit besseren Varianten der grundlegenden Verkaufsthemen aufwarten könnte...«
Er sah mich mit aufrichtiger Zuneigung an. »Wissen Sie, Tarb«, sagte er mit einer Freundlichkeit, die an Sentimentalität grenzte, »Sie erinnern mich an mich selbst, als ich in Ihrem Alter war. Ein wenig. Ach, hören Sie, machen wir es uns doch gemütlich, während wir entscheiden, was Sie gerne für uns tun möchten, nun, da Sie wieder da sind. Was wollen Sie trinken?«
»Oh, ich denke, eine Mokie-Koke, Sir«, sagte ich zerstreut.
Die Atmosphäre im Raum durchlief eine rasche Veränderung zum schlechteren. Der Finger des Alten verhielt über dem Rufknopf, der seine Sek² herbeibeordert hätte, die dafür zuständig war, Kaffee und Erfrischungen hereinzubringen. »Was haben Sie gesagt. Tarb?« knirschte er.
Ich öffnete den Mund, aber es war zu spät. Er ließ mich nicht zu Wort kommen. »Eine Moke? Hier in meinem Büro?« der Tonfall durchlief einmal die ganze Skala von Wohlwollen über Schock bis hin zu Zorn. Blaß geworden, hieb er auf einen ganz anderen Knopf. »Notdienst!« röhrte er. »Schicken Sie auf der Stelle einen Arzt hier herein - ich habe einen Moke-Kopf in meinem Büro!«
Sie schafften mich so schnell aus dem Büro des Alten wie einen Leprakranken, der aus den Augen Ludwigs XIV. entfernt wurde. Und so behandelten sie mich auch. Während ich auf die Ergebnisse meiner Tests wartete, saß ich im Wartezimmer der Gemeinschaftsklinik in Untergeschoß Drei, aber obwohl es brechend voll war, waren rechts und links von mir Plätze frei.
Endlich prasselte die Stimme aus dem Lautsprecher über Kopf: »Mr. Tennison Tarb.« Ich erhob mich und stolperte durch das Unterholz hastig bewegter Beine und zur Seite gezogener Knöchel zum Sprechzimmer. Es war wie der Weg zum Schafott in diesen alten Cefängnisfilmen, nur daß es keine gemurmelten Worte von meinen Mitganoven gab. Auf jedem Gesicht stand der gleiche Ausdruck, und der besagte: Gott sei Dank, daß du es bist, nicht ich!
Ich rechnete damit, daß hinter der Schiebetür der Doktor warten würde, der mir mein weiteres Schicksal verschrieb. Zu meiner Überraschung hielten sich dort zwei Personen auf; die eine die Ärztin - man konnte es an ihrem rituellen Stethoskop um den Hals erkennen - und die andere, ausgerechnet, der kleine Dan Dixmeister, der ganz lang und dürr und düster geworden war. »Hey, Danny«, begrüßte ich ihn, indem ich ihm um der alten Zeiten willen die Hand entgegenstreckte.
Und um derselben alten Zeiten willen, nehme ich an - seine Version davon -, musterte er meine Hand einen Augenblick lang, bevor er zögernd seine eigene hinhielt. Es war kein Händeschütteln. Es war mehr, als böte er mir seine Hand zum Kuß - kein Zupacken, nur ein schlaffes Berühren und Zurückziehen.
Nun war Danny Dixmeister vor einem halben Dutzend Jahren als Werbetexterwölfling mein Praktikant gewesen. Ich war zur Venus gegangen. Er war hiergeblieben. Ganz offensichtlich hatte er seine Zeit nicht vergeudet. Er trug die Epauletten eines stellvertretenden Abteilungsleiters und auf dem Ärmel Fünfzigtausend-pro-Jahr-Streifen, und er sah mich an, als wäre ich der neue Lehrling und er der leitende Angestellte. »Sie haben wirklich Mist gebaut, Tarb«, schnarrte er freudlos. »Dr. Mosskristal wird Ihnen einen Überblick über ihr medizinisches Problem geben.« Und der Tonfall verhieß schlechte Nachrichten.
Und schlechte Nachrichten waren es. »Was Sie haben«, sagte die Ärztin, »ist eine Campbellsche Sucht.« Ihr Tonfall war weder freundlich noch unfreundlich. Es war ein Tonfall, in dem ein Doktor das Ergebnis einer Weiße-Blutkörperchen-Zählung bei einem Labortier verkündet, und der Blick, mit dem sie mich bedachte, war exakt der gleiche, wie ihn Mitzi einem Möchtegern-Heimkehrer zuzuwerfen pflegte, der sich vielleicht für ihren Spionagering rekrutieren lassen mochte. »Vermutlich können Sie reprogrammiert werden«, sagte sie, während sie die Ergebnisse auf der Anzeige vor sich studierte. »Kaum der Anstrengung wert, würde ich sagen. Eine sehr uninteressante Kurve.«
Ich schluckte. Es fiel mir schwer, zu begreifen, daß es mein Leben war, über das sie sprach. »Sagen Sie mir, was mit mir los ist«, flehte ich. »Wenn ich wüßte, was nicht in Ordnung ist, könnte ich es vielleicht wieder richten.«
»Es richten? Es richten? Sie meinen, eine Programmierung von alleine überwinden? A-ha-ha-ha«, lachte sie, wobei sie Dixmeister einen flüchtigen Blick zuwarf und heiter den Kopf schüttelte. »Was für seltsame Vorstellungen Sie Laien haben.«
»Aber sie sagten, es gäbe eine Kur...«
»Sie meinen Reprogrammieren und Entgiften«, korrigierte sie. »Ich glaube nicht, daß Sie das durchmachen möchten. In vielleicht zehn Jahren mag es einen Versuch wert sein, obwohl die Sterblichkeitsrate ungefähr vierzig Prozent beträgt. Aber in den frühen Stadien, direkt nach der Bestrahlung - n-n.« Sie lehnte sich zurück, die Fingerspitzen zusammenpressend, und ich machte mich für die Vorlesung bereit. »Was Sie haben«, erläuterte sie, »ist ein Campbellscher Reflex. Benannt nach Dr. H. J. Campbell. Ein berühmter bahnbrechender Psychologe in den alten Tagen, Erfinder der limbischen Lusttherapie.«
»Ich habe noch nie etwas von der limbischen Lusttherapie gehört«, sagte ich.
»Nein«, gestand sie ein, »das Geheimnis war viele Jahre lang verloren.« Sie beugte sich vor, drückte einen Gegensprechknopf und rief: »Maggie, bringen Sie den Campbell herein. - Nach Dr. Campbell«, fuhr sie wieder zu mir gewandt fort, »ist Lust der Name, den wir jener Empfindung geben, die wir verspüren, wenn die limbischen Regionen unseres Gehirns elektrisch aktiv sind. Was ihn zuerst zu diesen Forschungen veranlaßte, war, glaube ich, die Entdeckung, daß viele seiner Studenten großen Lustgewinn aus etwas zogen, das Rockmusik genannt wurde. Die Sinne auf diese Weise zu sättigen, stimulierte die limbischen Regionen - somit Lustgefühle -, und somit entdeckte er eine billige und einfache Methode, um Versuchspersonen auf wünschenswerte Arten zu konditionieren. Ah, da haben wir es ja.« Die Sek² hatte ein transparentes Plastikkästchen hereingebracht, das - ausgerechnet! - ein Buch enthielt. Verblichen, zerfetzt, im Inneren seiner Plastikumhüllung verborgen, war es immer noch so ungefähr das beste Exemplar, das ich jemals von dieser kuriosen alten Kunstform zu Gesicht bekommen hatte. Unwillkürlich griff ich danach, und Dr. Mosskristal riß es weg. »Seien Sie nicht kindisch«, rügte sie.
Aber ich vermochte den Titel zu lesen: Die Lustregionen, von Dr. H. J. Campbell. »Wenn ich es mir nur ausborgen könnte«, flehte ich. »Ich würde es binnen einer Woche zurückbringen...«
»Klar würden Sie das. Sie werden es hier lesen, wenn Sie es überhaupt lesen, während meine Sek³ Sie im Auge behält und darauf achtet, daß sie den Stickstoff wieder hineinpumpen, wenn Sie es in den Behälter zurücklegen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute Idee ist. Laien sollten nicht versuchen, medizinische Probleme zu verstehen, dafür sind sie einfach nicht ausgerüstet. Lassen Sie uns einfach sagen, daß Ihre limbischen Regionen stimuliert worden sind; unter dem Einfluß dieses großen Aufwallens von Lust sind Sie darauf konditioniert worden, Mokie-Koke mit Freude gleichzusetzen, und es gibt nichts, was man dagegen unternehmen könnte.« Sie warf einen Blick auf ihre Uhr und erhob sich. »Dixmeister, Sie können diesen Raum für das Gespräch mit dem Patienten benutzen, wenn Sie möchten - nur daß Sie in zwanzig Minuten wieder draußen sind.« Und sie stürzte davon, ihr Buch umklammernd.