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Und weil ich sie verloren hatte, stand ich mit offenem Mund da und starrte sie an, als sie, nachdem sie von dem abwärts fahrenden Lift getreten war und auf mich wartete, hinaufrief: »Wenn du heute abend nichts vorhast, Tenny, wie wäre es mit einem Abendessen bei mir zu Hause?«

Ich weiß nicht, was für einen Ausdruck mein Gesicht hatte, aber was immer es war, sie mußte darüber lachen. »Ich hole dich nach der Arbeit ab«, sagte sie. »Nun aber, der Mann, dem ich dich vorstellen möchte, ist Desmond Haseldyne, und das da vorne ist sein Büro. Komm mit!«

Wenn Mitzi mich mit unerwarteter Wärme überrascht hatte, war Haseldyne ein Schock in die andere Richtung. Während Mitzi uns einander vorstellte, starrte er mich unverwandt an, und die einzige Deutung, die ich seinem Gesichtsausdruck beilegen konnte, war Widerwille.

Warum? Ich vermochte es nicht zu erraten. Natürlich hatte ich den Mann von Zeit zu Zeit in der Agentur gesehen. Aber mir wollte partout nichts einfallen, was ich getan hatte, um ihn zu beleidigen. Und Desmond Haseldyne war kein Mann, von dem man sich besonders gewünscht hätte, daß er einen nicht mochte. Er war riesig. Er war mindestens zwei Meter groß, mit Schultern wie ein Hengst und Fäusten, die meine Hand ohne eine Spur verschluckten, als er sich herabließ, sie zu schütteln. Haseldyne war eines dieser freakigen Talente, die die Werbung an sonderbaren Stellen in ihre große Maschinerie einpaßte - ein Mathematiker, hieß es; außerdem ein Dichter; außerdem hatte er kurioserweise eine sehr erfolgreiche Karriere im Import-Export-Geschäft hinter sich gebracht, bevor er sie aufgab, um sich der Werbung zu widmen. Ich erhielt einen ersten Einblick in den Grund für seinen Gesichtsausdruck, als er knurrte: »Zum Teufel, Mitzi! Das ist der Spinner, der die ganze Zeit auf seine Uhr starrt!«

»Er ist aber auch mein Freund«, sagte Mitzi bestimmt, »und ein Werbetexter der Starklasse, der für einen unglücklichen Zufall büßen muß, der nicht seine Schuld war. Ich möchte, daß du ihm eine Chance gibst. Du kannst doch nicht jemandem zum Vorwurf machen, ein Opfer unethischer Werbung geworden zu sein, oder?«

Er lenkte ein. »Vermutlich nicht«, gab er zu - und sicherte sich nicht einmal dadurch ab, daß er hinzufügte, und Gottseidank lassen wir in dieser Agentur uns nicht zu solchen Praktiken herab, wie jeder andere so klug gewesen wäre, es zu tun. Man weiß schließlich nie, wer mithört. Er stand auf und kam schwerfällig um den Schreibtisch herum, um mich besser betrachten zu können. »Ich nehme an«, räumte er ein, »wir können es mal mit ihm versuchen. Du kannst dich ruhig wieder trollen, Mitzi. Sehen wir uns heute abend?«

»Nein, ich habe eine Verabredung. Ein anderes Mal, Des«, sagte sie und blinzelte mir zu, als sie die Tür schloß.

Haseldyne seufzte und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Dann kehrte er zu seinem Stuhl zurück. »Setzen Sie sich, Tarb«, dröhnte er. »Sie wissen, warum Sie hier sind?«

»Ich glaube schon, Mr. Ha-... Des«, stellte ich fest.

Ich hatte beschlossen, daß ich als das behandelt werden würde, was ich war, nicht einfach bloß als ein weiterer Praktikant. Es bewirkte, daß er mich scharf ansah, aber alles, was er sagte, war:

»Dies ist die Abteilung Immaterielle Aktiva. Wir beschäftigen uns mit ungefähr dreißig Hauptwerbungsbereichen, aber es gibt zwei Tätigkeitsfelder, die alle anderen bei weitem überwiegen. Das eine ist die Politik. Das andere ist die Religion. Wissen Sie etwas über eines davon?«

Ich zuckte die Achseln. »Was ich auf dem College gelernt habe«, sagte ich. »Persönlich war ich immer ein Markenartikelmann. Ich habe Waren verkauft, keine Larifari-Ideen.«

Er sah mich auf eine Art an, die mich denken ließ, daß es eigentlich gar nicht so schlimm sein würde, wieder Pakete auszutragen, aber er hatte sich entschieden, mir den Job zu geben, und das würde er auch. »Wenn es Ihnen egal ist welches«, meinte er, »dann wäre wohl der Ort, wo wir im Augenblick am dringendsten Hilfe brauchen, Religion. Vielleicht haben Sie sich noch nie klargemacht, was für ein wertvoller Aktivposten die Religion ist?« Na ja, das hatte ich nicht, aber ich sagte nichts. »Sie reden von Markenartikeln. Waren. Schön, Tarb, jetzt spitzen Sie mal die Ohren. Wenn Sie jemandem ein Glas Coffiest verkaufen, bezahlt er Ihnen vielleicht einen Dollar dafür. Vierzig Cents davon gehen an den Einzel- und den Großhändler. Das Etikett und das Glas kosten einen Nickel, und für den Inhalt müssen Sie vielleicht drei Cents aufwenden.«

»Hübsche Gewinnspanne«, meinte ich beifällig.

»Genau da täuschen Sie sich! Rechnen Sie mal zusammen. Fast die Hälfte Ihres Geldes geht in das verdammte Produkt. Genauso ist es bei den Haushaltswaren, bei Kleidern, bei all diesen materiellen Dingen. Aber Religion! Ach, Religion«, sagte er weich, während sein Gesicht in einem ehrfürchtigen Glühen erstrahlte. »Bei der Religion kostet das Produkt keinen verdammten Cent. Vielleicht geben wir ein paar Dollar für Grundstücke und Baumaßnahmen aus - es sieht natürlich echt Spitze aus, wenn man irgendeine Kathedrale oder einen Tempel oder so etwas vorweisen kann, auch wenn wir in der Hauptsache einfach Modelle und Trickaufnahmen verwenden. Vielleicht drucken wir einige Broschüren. Manchmal ein paar Bücher. Aber werfen Sie nur einen Blick auf die Bilanzen, Tenny, und Sie werden sehen, daß unter dem Strich sechzig Prozent Gewinn übrigbleiben. Und der Rest ist zum Großteil Werbekosten, die, vergessen Sie das nicht, auch unser Geld sind.«

Ich schüttelte erstaunt den Kopf. »Ich hatte keine Ahnung«, sagte ich.

»Natürlich hatten Sie keine Ahnung! Ihr Produktleute seid alle gleich. Und das ist nur die Religion. Bei der Politik das gleiche - sie wirft sogar noch mehr Bargeld ab, weil wir keine Kirchen bauen müssen... obwohl«, fügte er hinzu, »es heutzutage schwer ist, Leute dazu zu bringen, sich für Politik zu interessieren. Früher einmal dachte ich, das könnte das größte von allem sein, aber...« Er schüttelte den Kopf. »Nun«, sagte er, »jetzt haben Sie eine erste Vorstellung von dem, was sie erwartet. Möchten Sie's mal versuchen?«

Na, und ob ich das wollte! Voll überschießenden Adrenalins stürmte ich in den Raum mit den Texterkonsolen, bereit, mich der Herausforderung zu stellen - nur hatte ich vergessen, daß ich immer noch ein Praktikant war. Das bedeutete, daß sie mich immer noch ziehen konnten, wenn sie ein Paket abzuliefern hatten und Mr. Dambois' Anzüge aus der Reinigung abgeholt werden mußten, und da war noch dieses Muster für eine neue Verpackung für Algomars, den Knuspersnack, das in die Produktion mußte... es war Geschäftsschluß, als ich zu meiner Konsole zurückkam. Und ich bekam Mitzi an diesem Abend schließlich doch nicht zu sehen. Statt meiner Verabredungspartnerin fand ich nur eine Nachricht auf meiner Maschine: Mir ist etwas dazwischengekommen. Bedauere. Neuer Termin morgen?

Das war ein schwerer Schlag. Ich hatte mich innerlich auf einen erfreulichen Abend vorbereitet, und jetzt wurde er mir weggenommen.

Auf dem Weg nach Hause soff ich mir mächtig die Hucke mit Mokes voll, und als ich schließlich meine Schicht in der Bettbox antrat und einschlief, waren meine Gedanken alles andere als fröhlich, trotz des neuen Jobs, Es hatte sich eine Menge geändert! Damals auf der Venus war Mitzi froh genug gewesen, sich mit einem Sektionsleiter verabreden zu können. Sogar geschmeichelt! jetzt hatte sich die Welt für uns zwei auf den Kopf gestellt. Ich konnte pfeifen, aber wenn ihr gerade nicht danach war, würde sie nicht kommen. Schlimmer noch, jemand anderes hatte vielleicht ein lauteres und unwiderstehlicheres Pfeifen. Das jedoch, womit ich mich am schwersten abfinden konnte, war, daß es noch zwei weitere Truthähne gab, die das Gefieder in ihre Richtung spreitzten. Offenbar erwartete sie von mir, daß ich eine Nummer zog und darauf wartete, aufgerufen zu werden. Und mir gefiel der ganze Wettstreit nicht. Konkurrenz von Val Dambois konnte ich noch verstehen - ich habe nicht gesagt mögen. Haseldyne war etwas anderes. Wer war dieser Sumo-Fettfleck mit all den Muskeln, der plötzlich in Mitzis Leben aufgetaucht war?