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Das war auch der beste Kurs, an dem ich teilnahm. Kreatives Schreiben ist wirklich - nun ja - eben kreativ. Zu Beginn des Kurses erklärte uns die Professorin, daß dieser Gegenstand erst in unseren Tagen sinnvoll unterrichtet würde. Früher, so sagte sie, erfanden die Studenten einfach selbst irgendwelche Sachen, und die Dozenten mußten dann entscheiden, wie viel von dem, was an einer Hausarbeit gut - oder schlecht - war, die Idee war oder die Art und Weise, wie die Idee ausgedrückt wurde. Dabei, sagte sie, hatten sie doch seit Jahrhunderten das Vorbild der Kunstkurse, die ihnen hätten zeigen können, wie man es richtig machte. Aufstrebende Künstler waren immer darangesetzt worden, die Werke von Cezanne und Rembrandt und Warhol zu kopieren, um ihr Handwerk zu lernen, während alles, was aufstrebende Schriftsteller zu erschaffen gedrängt wurden, ihr eigenes dummes Geschwätz war. Leicht zu handhabende Wortprozessoren hatten das alles geändert, und so war die erste Aufgabe, die sie uns stellte, den Sommernachtstraum in zeitgemäßem Englisch neu zu schreiben. Und ich bekam eine 1.

Nun, von da an war ich Lehrerins Liebling, und sie ließ mich alle möglichen Themen bearbeiten, die Extrapunkte brachten. Es bestand eine gute Chance, sagte sie, daß ich ihren Kurs mit der höchsten je erreichten Punktzahl absolvieren würde, und wie Sie wissen, kann einem das nur guttun, wenn die Zeit kommt, seine Anrechnungspunkte zusammenzuzählen. Also wagte ich mich an einige ziemlich ambitionierte Projekte. Das schwierigste war vermutlich, das ganze Auf der Suche nach der verlorenen Zeit im Stile Ernest Hemingways neu zu schreiben, dabei den Schauplatz ins Deutschland der Hitlerzeit zu verlegen und es als Einakter zu bringen.

So etwas überstieg bei weitem die Kapazität aller Geräte, die ich in meinem kleinen Teilzeit-Condo hatte, ganz davon abgesehen, daß meine Zimmerkameraden mich wahrscheinlich gestört hätten, also ging ich dazu über, nach der Arbeit dazubleiben und dann die großen Maschinen in den Texterkonsolen zu benutzen. Ich hatte die Satzlänge auf nicht mehr als sechs Worte festgelegt, die Introspektion auf fünf Prozent heruntergeregelt und Bühnenmanuskriptformat programmiert, und ich machte mich gerade bereit, das Programm laufen zu lassen, als mir die Mokes ausgingen. Der Automat für alkoholfreie Getränke führte natürlich nichts als unsere eigenen Agenturmarken. Ich hatte sie schon früher ausprobiert; sie stillten meine Begierde nicht. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, einmal eine Mokie-Koke-Flasche im Papierkorb in Desmond Haseldynes Büro gesehen zu haben - ich vermute, es war nur meine Einbildung -, also schlenderte ich in diese Richtung.

Irgend jemand war in seinem Büro. Ich konnte Stimmen hören; die Lampen waren an; die Abdeckungen der Datenverarbeitungsanlagen standen offen, und es lief eine Art Finanzprogramm. Ich hätte mich leise abgewandt und wäre zu meiner Texterkonsole zurückgekehrt, wäre nicht eine der Stimmen die Mitzis gewesen.

Neugier war mein Untergang.

Ich hielt inne, um mir die auf den Maschinen laufenden Programme anzusehen. Zuerst hielt ich sie für eine Fortschreibung irgendeines Investitionsplanes, denn sie drehten sich alle um Aktienbesitze und Prozentsätze von ausgegebenen Gesamtanteilen. Aber es schien ein Muster zu ergeben. Ich stand auf und beschloß, von hier zu verschwinden...

Und beging den Fehler, mich unauffällig durch die verdunkelten Büros auf der anderen Seite der Computer davonstehlen zu wollen. Sie waren für die Nacht gesperrt. Nichts hinderte mich daran, einzutreten, aber die Einbrecherfalle war eingeschaltet. Ich hörte ein mordsmäßig hohles Zischen wie den Klang der Hilsch-Röhren rund um Port Kathy, und eine riesige Wolke von Weiß explodierte rund um mich. Ich war eingeschäumt worden! Ich konnte nichts mehr sehen. Der Schaum gestattete mir zu atmen, aber er gestattete mir nicht, etwas zu sehen, nicht das mindeste. Ich stolperte einen Augenblick lang umher, knallte gegen Stühle, rannte Tische um.

Dann kapitulierte ich vor dem Schaum und blieb einfach wartend stehen. Und während ich wartete, dachte ich nach.

Bis ich jemand kommen hörte, hatte ich es ausgeknobelt.

Es waren Mitzi und Haseldyne, die den Schaum mit einer auflockernden Chemikalie einsprühten, als sie kamen - ich konnte das Zischen hören. »Tenn!« rief Mitzi aus. »Was zum Teufel machst du hier?«

Ich antwortete nicht, jedenfalls nicht sofort. Ich wischte mir den letzten Rest des Schaumes von Gesicht und Schultern und grinste sie an.

»Ich bin euch auf die Schliche gekommen«, behauptete ich.

Was ich sagte, hatte eine seltsame Wirkung auf sie. Natürlich waren sie verblüfft, mich dort zu sehen. Mitzi hielt das Auflockerungsspray wie eine Waffe, und Haseldyne spielte mit einem schweren Bandspender, als hätte er ihn zu dem Zweck mitgebracht, jemandem damit den Kopf einzuschlagen - was wohl nicht so überraschend war, nehme ich an, weil ich ja den Einbrecheralarm und den Schaum ausgelöst hatte. Aber beide wurden sie völlig ausdruckslos. Es war, als seien ihre Gesichter plötzlich abgestorben, und diese sonderbare Unbeweglichkeit behielten sie mehrere Sekunden lang bei.

Dann sagte Mitzi: »Ich weiß nicht, was du meinst, Tennison.«

Ich lachte stillvergnügt. »Es liegt doch ganz klar auf der Hand. Ich habe die Programme gesehen, die ihr laufen laßt. Ihr plant einen Übemahmeversuch, richtig?«

Immer noch kein Ausdruck. »Ich meine«, erläuterte ich, »ihr beide, vielleicht Dambois auch, plant, mit euren Beteiligungen die Kontrolle über die Agentur zu übernehmen. Stimmt das etwa nicht?«

Langsam, gletscherartig, kehrte der Ausdruck auf Haseldynes Gesicht zurück und dann auf Mitzis. »Ich will verdammt sein«, grollte Haseldyne, »Er hat uns mit runtergelassenen Hosen erwischt, Mitzi.«

Sie schluckte und lächelte dann. Es war kein sehr gelungenes Lächeln - zu viel Spannung in den Kinnmuskeln, zu viel Zusammenpressen der Lippen. »Es sieht ganz danach aus«, meinte sie. »Nun, Tenn, was wirst du jetzt unternehmen?«

Ich hatte mich lange nicht mehr so gut gefühlt. Sogar Haseldyne sah für mich wie ein harmloser und freundlicher dicker Mann aus, nicht wie ein raubgieriges Ungeheuer. Ich sagte liebenswürdig: »Wieso, nichts, was ihr nicht wollt, daß ich tue, Mitz. Ich bin euer Freund. Alles, was ich mir wünsche, ist ein bißchen Wohlwollen von euch beiden.«

Haseldyne blickte Mitzi an. Mitzi sah Haseldyne an. Dann wandten sich beide mir zu. »Ich vermute«, sagte Haseldyne, wobei er seine Worte vorsichtig wählte, »was wir jetzt tun sollten, ist, uns darüber zu unterhalten, wie wohlwollend Sie uns denn gerne hätten, Tarb.«

»Mit Freuden«, sagte ich. »Aber zuerst - habt ihr zufällig eine Moke dabei?«

IV

Am nächsten Tag in der Agentur war das Klima aufgetaut. Bis um die Mitte des Nachmittags war es regelrecht tropisch, denn Mitzi Ku hatte mich angelächelt. Was Mitzi Ku plötzlich zu einer so bedeutenden Macht machte, wußte keiner genau, aber der Tratsch am Trinkwasserkühler hatte offensichtlich gemacht, daß sie es war. Niemand sprach mehr davon, mich zurück auf die Pedicab-Tour zu schicken.

Sogar Val Dambois fand mich der Liebe wert. »Tenny, mein Junge«, dröhnte er, nachdem er den langen Weg bis hinunter zu meinem kleinen Kabäuschen bei Immaterielle Aktiva zurückgelegt hatte, »warum haben Sie nur zugelassen, daß man Sie in so ein Loch steckt? Warum zum Teufel haben Sie nicht irgend etwas gesagtl« Ich hatte nichts gesagt, weil ich nicht an seiner Sek³ vorbeikommen konnte, lautete die Antwort, aber es hatte keinen Sinn, ihm etwas zu erzählen, was er längst wußte. Wir konnten das Vergangene ruhen lassen, für jetzt jedenfalls. Vergebung, kein fortlebender Groll, ein wahrhaft handelsfürchtiger Geist, das war Tennison Tarb in diesen Tagen. Ich erwiderte Dambois' Lächeln und ließ zu, daß er den Arm um mich legte, als er mich zurück in die Chefetagen geleitete, die Zeit würde kommen, das wußte ich, wenn seine Kehle meinen Fängen ausgeliefert sein würde - bis dahin hieß es vergeben und vergessen.