»Richtig, Chef«, sagte ich, weil keine andere Antwort gestattet ist, wenn die Macht spricht, »aber ich habe da eine kleine Idee, die ich Ihnen vortragen möchte. Sie kennen ConsumAnon?«
Er bedachte mich mit einem Stirnrunzeln wie Gewitterwolken. Seine senkrechten Falten waren so tief wie die Mitzis, und er hatte eine Menge mehr davon. »Wenn ich Leute von ConsumAnon sehe«, erklärte er, »denke ich immer, ich hätte Marionetten der Venusier vor mir. Bestenfalls sind sie Spinner!«
»Natürlich sind sie Spinner, aber es gibt dort ein Marktpotential, das wir, glaube ich, noch nicht angezapft haben. Sehen Sie, diese ConsurnAnon-Leute sind außer Kontrolle geraten. Coffiest fünfzigmal am Tag, eine Erinnerungsstückesucht, die einen Werbezeitaufkäufer der Starklasse in den Ruin treiben würde, jede nur mögliche Megahypertrophie normalen, anständigen Konsumierens. Also gehen sie zu CA. Was passiert dann? Nun, die meisten von ihnen bleiben ungefähr zwei Tage lang sauber. Wenn überhaupt. Dann rutschen sie wieder ab. Nach einer Woche sind sie schlimmer dran als je zuvor. Sehr wahrscheinlich werden sie zu Anstaltsfällen, die dem Konsum für immer verlorengehen. Und die Erfolge sind noch schlimmer. Sie werden einer Gehirnwäsche dahingehend unterzogen, daß sie haushalten. Oder sogar sparen.«
»Ich habe immer gesagt«, verkündete der Alte feierlich, »daß CA gleich nach dem Konservationismus kommt.«
»Richtig! Aber wir müssen diese Leute nicht verlieren. Alles, was wir tun müssen, ist, sie umzustellen. Nicht Abstinenz. Substitution.«
Der Alte schürzte die Lippen. Natürlich machten es ihm sämtliche Hof schranzen auf der Stelle nach. Keiner von ihnen hatte die Idee begriffen, aber nicht einer hätte das zugegeben.
Ich ließ sie jetzt nicht mehr länger zappeln. »Wir richten eine Selbsthilfegruppe für jede Art von Überkonsum ein«, erläuterte ich, »und drillen sie darauf, auf einen Ersatz umzusteigen. Sind sie coffiestsüchtig, polen wir sie auf Nic-O-Chews um. Von Nic-O-Chews auf die San Jacinto-Münze...«
Räuspern vor der Tür. »Die San Jacinto-Münze gehört nicht zu unseren Klienten«, sagte Hofschranze No. 2.
Eisig sagte ich: »Dann auf jemanden, der unser Klient ist, natürlich - wir sind eine Agentur mit breitestmöglichem Spektrum, wir haben etwas für jede Konsuinnische, nicht wahr? Ich würde schätzen, daß ein Konsument, der seit fünf Jahren von, sagen wir, Coffiest abhängig ist und mit dem es so langsam abwärts geht, immer noch Jahre nützlichen Lebens vor sich hart mit, sagen wir, Starrzelius-Diäthilfen.« Der Alte sah seinen Hofschranzen einmal scharf an, und dieser verstummte augenblicklich. Ich drängte weiter. »Meiner Auffassung nach«, sagte ich, »ist es aber der nächste Teil, wo das richtige Geld steckt. Was ist mit diesen Selbsthilfegruppen? Warum sollten sie nicht richtige Clubs sein? Wie Logen. Sie könnten Beiträge verlangen. Sie könnten Insignien und alles mögliche Drum and Dran kaufen müssen - Uhren, Ringe, T-Shirts. Zeremoniengewänder. Verschiedene Ausführungen für jeden Grad, während sie sich nach oben arbeiten, und so ausgelegt, daß sie sich nicht als Second-Hand-Artikel weitergeben lassen...«
»Produkte«, flüsterte der Alte, und seine Augen glänzten.
Es war das Zauberwort; ich hatte ihn überzeugt. Das Gefolge wußte es natürlich noch vor mir, und die Luft war voller Glückwünsche und Pläne. Eine ganz neue Abteilung innerhalb von Immaterielle Aktiva. Zuerst ein zweiwöchiger Crash-Eignungstest, nur um sicherzustellen, daß es keine Hindernisse gab, und die Hauptprofitbereiche festzustellen. Das würde vor den Planungsrat gehen müssen, aber dann... »Wenn es dazu kommt, Tenny«, strahlte der Alte, »ist das alles Ihrs!« Und dann vollzog er den rituellen Akt, den Generationen von leitenden Angestellten vollzogen haben, um ihre rückhaltlose Bewunderung kundzutun. Er nahm seinen Hut ab und legte ihn auf den Tisch.
Es war der Glanzpunkt meiner Laufbahn. Das Herz ging mir über. Und ich konnte kaum erwarten, daß sie das Büro wieder verließen, denn es war ein großartiger Plan, der seinem Erfinder herzlich wenig einbringen würde. Geld, ja. Beförderung und Prestige, ja. Aber kein Ersatz auf der Welt konnte einen Campbellschen limbischen Zwang kurieren... und, mein Gott, was sehnte ich mich nach einer Moke!
Jetzt bekam ich sogar meine Messinglady dann und wann zu sehen, aber nicht sehr oft. Sie erschien allerdings als Antwort auf die Notiz in meinem Büro, die ich ihr über mein neues Projekt hatte zukommen lassen, und schaute sich zerstreut um, während ich mich dafür entschuldigte, damit zum Alten gegangen zu sein, statt bis, äh, nachher, zu warten. »Kein Problem, Tenny«, sagte sie munter - und geistesabwesend. »Das wird unsere, äh, Pläne nicht beeinflussen. Uns mal wieder sehen? Ja, natürlich - bald - wir hören voneinander - tschüß!« Von wegen bald. Sie besuchte mich nicht zu Hause und lud mich auch nicht zu sich ein, und wenn ich versuchte, sie ans Telefon zu bekommen, war sie entweder nicht da oder zu sehr in Eile, um zu reden. Na ja, das war nicht unbillig, Jetzt, da ich wußte, was sie vorhatte, vermochte ich zu begreifen, daß im Augenblick in ihrem Leben keine Zeit für etwas anderes war.
Aber ich wollte sie trotzdem sehen, und als ich einen Überraschungsanruf in meinem Büro erhielt, unmittelbar vor Dienstschluß, stürzte ich geradewegs hinauf in ihr Büro, erwies mich beim Warten hartnäckiger als die Sek³, huschte an der Sek² vorbei und erhielt die Erlaubnis, Mitzi persönlich vom Schreibtisch der Sek¹ anzurufen. »Ich habe gerade mit Honolulu telefoniert«, sagte ich. »Deine Mutter. Ich habe eine Nachricht von ihr.«
Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann: »Gib mir eine Stunde, ja, Tenny? Dann können wir zusammen im Kasino der leitenden Angestellten einen Drink nehmen.«
Nun, es dauerte nicht eine Stunde, sondern erheblich eher zwei, aber das Warten machte mir nichts aus. Obwohl ich auf dem besten Wege war, zu jedermanns Liebling zu werden, hatte sich mein offizieller Status noch nicht bis zu dem Punkt verbessert, daß ich volle Leitende-Angestellten-Privilegien genoß. Ich war froh, dank Mitzis Einladung eingelassen zu werden und mit meinem Drambuie dazusitzen, während ich in Gesellschaft von mir Gleichgestellten - na ja, beinahe Gleichgestellten - über die wolkenverhangene, smogige Stadt mit ihrem ganzen Reichtum und ihrer ganzen Verheißung hinausblickte. Sie behandelten mich auch nicht gerade verächtlich. Als Mitzi endlich erschien und sich finsteren Blicks nach mir umsah, hatte ich tatsächlich Schwierigkeiten, mich loszumachen, um einen ruhigen Tisch für zwei zu suchen.
Sie hatte die Stirn gerunzelt - das hatte sie in diesen Tagen immer -, und sie wirkte nervös. Aber sie wartete, bis ich etwas zu trinken bestellt hatte, ihre Lieblingsdrinks, Mimosas, mit beinahe echtem Champagner und aufgelöstem Orangensaftkonzentrat, bevor sie fragte: »Nun, was ist mit meiner Mutter?«
»Sie hat mich angerufen, Mitz. Sie sagte, sie hätte versucht, dich zu erreichen, seit du zurückgekommen bist, aber vergeblich.«
»Ich habe doch mit ihr gesprochen!«
»Einmal, richtig«, nickte ich, »am Tag nach deiner Landung. Sie sagt, für drei Minuten...«
»Ich war beschäftigt!«
»...und danach hast du nie mehr ihre Anrufe beantwortet.«
Wenigstens ein halbes Dutzend der Stirnfalten warnten mich, und ihre Stimme war eisig. »Tarb«, schnappte sie, »komm zu dir. Ich bin ein großes Mädchen. Was zwischen meiner Mutter und mir ist, geht dich nichts an. Sie ist eine alte Wichtigtuerin, die sich in alles einmischt, und zur Hälfte Schuld daran, daß ich überhaupt zur Venus gegangen bin. Ich will nicht mit ihr reden, wenn ich es nicht unbedingt muß. Kapiert?« Die Drinks kamen, und sie griff hastig nach ihrem. Auf halbem Weg zu den Lippen fügte sie hinzu: »Ich rufe sie nächste Woche an.« Und goß sich den halben Mimosa die Kehle hinunter.