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»Nein, das kannst du nicht. Ich brauche es nicht zu hören. Hol mir eine Moke.«

Oberstleutnant Headley mochte die Absicht gehabt haben, mich im Augen zu behalten, aber er hatte nur zwei Augen. Die Truppenrückführung beanspruchte sie beide. Die gesamte schwere limbische Ausrüstung wurde zusammengepackt und auf Transporter verladen, und die Stoßtruppen marschierten hinter ihr her in die Rumpfzellen und waren verschwunden. Die zurückkehrenden Transporter waren jedoch nicht leer. Sie waren voll mit Versorgungsnachschubtruppen und vor allem Handelsgutern. Und die Handelsgüter schmolzen dahin wie Schnee. Jeden Morgen sah man die Winzlinge in einer Schlange an den Handelsposten darauf warten, daß sie geöffnet wurden, und mit Armen voller Schokoriegel und Snacks und Thomas Jefferson-Amuletten aus purem Simulatsilber für die Frauen und Kinder zu ihren Jurten davonstolpern. Die Operation war ein totaler Triumph gewesen. Sie haben noch nie eine so ergebene Gruppe von Verbrauchern gesehen wie die eifrigen kleinen Winzlinge, und ich wäre auf meine Beteiligung an dem großen Kreuzzeug stolz gewesen, wenn in meinem Herzen noch irgendwelcher Stolz übriggeblieben wäre. Aber diesen Artikel konnten die Versorgungsnachschubtruppen nicht liefern.

Wenn ich irgend etwas zu tun gehabt hätte, wäre es vielleicht leichter gewesen. Das Büro des Feldgeistlichen war der ruhigste Ort im Reservat. Die alten Truppen hatten nichts, weswegen sie hätten kommen und sich beklagen sollen, weil sie sowieso auf dem Weg nach Hause waren; die Nachschubeinheiten waren zu beschäftigt. Ohne uns jemals eigentlich darüber zu verständigen, arbeiteten Gert Martels und ich Ad-hoc-Arbeitsteilung aus. Jeden Morgen pflegte ich allein in dem leeren Büro zu sitzen, Mokes zu picheln und mir zu wünschen, ich sei - egal was - alles, nur nicht, was und wo ich war. Sogar tot. Und nachmittags löste sie mich ab, und ich verzog mich ins Offizierskasino nach Urumqi, balgte mich darum, welche Kanäle wir am Omni-V verfolgen sollten, und wartete vergebliche Stunden in meinen endlosen Versuchen, einen Anruf durchzubekommen zu Mitzi oder Haseldyne oder dem Alten... oder Gott. Ein paarmal wagte ich mich sogar an das Büro des Oberstleutnant heran und versuchte, meine Entlassung zu erwirken. Die rechte Zeit, um als Held nach Hause zurückzukehren, ist, bevor alle vergessen, bei welcher Gelegenheit man sich heldenhaft verhalten hat, und schon jetzt verschwand die Gobi-Operation aus den Omni-V-Nachrichtensendungen. Kein Glück. Und es war weiterhin heiß. Egal, wie viele Mokes ich soff, ich schien sie schneller auszuschwitzen, als ich sie runterkippen konnte. Ich wog mich nicht mehr, weil die Zahlen, die auf der Anzeige erschienen, langsam anfingen, mir Angst zu machen.

Die Freitage waren am schlimmsten, weil wir da nicht einmal versuchten, das Feldgeistlichen-Büro offenzuhalten. Ich kämpfte mich nach Urumqi durch die Massen von Winzlingen in ihren Wagen und Karren und Fahrrädern, in deren Augen der Verbraucherglanz schimmerte, während sie den Basaren der großen Stadt zustrebten, reservierte ein Zimmer, füllte meinen Moke-Vorrat auf, strebte dem Offizierskasino und meinen endlosen Kabbeleien wegen des Omni-V und der Telefonanrufe zu...

Aber diesmal wartete Gert Martels vor dem Kasino auf mich. »Tenny«, sagte sie, während sie sich rasch umsah, um sicherzugehen, daß niemand nahe genug war, um zuzuhören, »du siehst schrecklich aus. Du brauchst ein Wochenende in Shanghai. Und ich auch.«

»Außerhalb meiner Urlaubsscheinbefugnis«, sagte ich düster. »Geh und versuch es bei Oberstleutnant Headley, wenn du willst. Vielleicht läßt er dich ja gehen. Mich nicht. Da bin ich mir sicher.« Ich blieb stehen, weil sie mir zwei Passierscheinkarten unter die Augen hielt. Über dem Magnetstreifen war Headleys Unterschrift.

»Es hat keinen Sinn«, sagte sie, »mit dem Hauptfeldwebel befreundet zu sein, wenn er nicht ein paar Passierscheine in den Unterschriftsakten des Obersten schmuggeln kann, wenn er das will. Das Flugzeug geht in vierzig Minuten, Tenny. Möchtest du mit?«

Shanghai! Juwel des Orients! Um zehn Uhr an jenem Abend saßen wir in einer schwimmenden Bar an der Bund. Ich verdrückte gerade die zehnte - oder vielleicht war es auch die zwanzigste - tüchtig gespritzte Moke, musterte dabei die schwarzhaarigen kleinen Barmädchen mit den Flapperfrisuren und fragte mich, ob ich versuchen sollte, bei einer Anschluß zu finden, bevor ich zu benommen war, um etwas in dieser Richtung zu unternehmen. Gert trank ÄNA pur und wurde mit jedem Gläschen steifer und vorsichtiger in ihrer Redeweise. Und glasiger in den Augen. Das war eine komische Sache bei Gert Martels. Sie war keine schlechtaussehende Frau, wenn man die Narben nicht mitrechnete, die über ihrer linken Gesichtshälfte klafften, vom Ohr bis zur Kinnlade. Aber ich hatte mich nie an sie herangemacht oder sie sich an mich. Viel davon hatte wohl mit dem militärischen Ehrenkodex und den Schwierigkeiten zu tun, in die man geraten konnte, wenn man zwischen Offizieren und Mannschaftsdienstgraden fraternisierte, aber eine Menge anderer Os und MDs hatten es riskiert und waren damit durchgekommen. Und Mitzi lag lange, lange zurück. »Wie kommt's?« fragte ich, als ich der Bedienung winkte.

Sie rülpste damenhaft und richtete ihre Augen auf mich. Es dauerte ein oder zwei Sekunden; sie schien Schwierigkeiten zu haben, scharf zu sehen. »Wie kommt genau was, Tennison?« fragte sie mit sorgfältiger Betonung.

Ich hätte ihre Frage beantwortet, nur kam die Kellnerin vorbei, und ich mußte einen weiteren Moke- und Dschinn und einen Äthylneutralalkohol für die Dame bestellen. Es dauerte einen Augenblick, bis ich mich wieder erinnerte. »Ach ja«, sagte ich, »was ich fragen wollte, war, warum wir beide es eigentlich nie miteinander probiert haben.«

Sie bedachte mich mit einem würdevollen Lächeln. »Wenn du möchtest, Tennison...«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich meine nicht, wenn ich möchte, ich meine, wie kommt's, daß es nie, na, du weißt schon, zwischen uns gefunkt hat.« Sie antwortete nicht sofort. Die Drinks kamen, und als ich die Kellnerin bezahlt hatte und Gert den ÄNA gab, sah ich, daß sie weinte.

»Mensch, hör mal«, sagte ich, »ich hab' doch nicht meinen Rang oder irgendwas raushängen lassen, Oder hab' ich das?« fragte ich, indem ich mich bestätigungsheischend am Tisch umsah. Ich erinnerte mich nicht mehr so genau, wie es dazu gekommen war, aber es schienen da vier oder fünf Leute zu sein, die sich uns angeschlossen hatten. Sie alle lächelten und schüttelten die Köpfe - was vielleicht bedeutete Nein, hatte ich nicht und vielleicht Nein, wir verstehen kein Englisch. Aber einer von ihnen tat das doch. Der Zivilist. Er beugte sich herüber und rief über den Lärm der Bar:

»Ihl mich lassen nächste Lunde spendielen, okay?«

»Warum nicht?« Ich dankte ihm mit einem Lächeln und wandte mich wieder Gert zu. »Entschuldige, aber was hast du gesagt?« fragte ich.

Einen Augenblick lang dachte sie darüber nach, und der Zivilist beugte sich zurück zu mir:

»Ihl Jungs aus Uhlumuhtschih, lichtig?« Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, daß er Urumqi zu sagen versuchte, aber dann gab ich zu, daß er recht habe. »Kann immel elkennen! Ihl Jungs Spitze. Ich spendielen zwei Lunden!« Und die Matrosen von der Whangpu-Flußpatrouille grinsten und applaudierten alle; so viel Englisch konnten sie auch.

»Ich nehme an«, sgte Gert nachdenklich, »ich war wohl im Begriff, dir meine Lebensgeschichte zu erzählen.« Sie nahm den nächsten Drink entgegen, nickte höflich und kippte ihn zwischen zwei Sätzen herunter, ohne aus dem Takt zu kommen. »Als ich ein kleines Mädchen war«, sagte sie, »hatten wir eine glückliche Familie. Was Mutti alles aus Soja-tem und ZelloWeizen und ein paar Prisen MSG machen konnte! Und zu Weihnachten hatten wir dann immer TruThan - richtiges wiederaufbereitetes ÄchtFlaisch, und Dscheleh-Dessert mit Preiselbeeraroma und alles.«

»Weihnachten!« rief der Zivilist entzückt aus. »Das Chlistfest! Ach, ihl Jungs Spitze mit eulem Chlistfest!«