Starrsinnig sagte er: »Aber Sie könnten Techniker befehligen?«
»Natürlich. Das könnte jeder. Für welchen Zweck?«
Wenn ich noch irgendwelche Zweifel gehabt hätte, daß er improvisierte, und das nicht sehr gut, so zerstreute er sie jetzt.
»Um die venusische Sache voranzubringen!« röhrte er. »Um die verdammten Werbefritzen dazu zu bringen, uns in Ruhe zu lassen.«
Ich schaute ihn mit echter Verwunderung an. »Meinen Sie das ernst? Vergessen Sie's!«
Grollen tiefer und gefährlicher: »Warum?«
»Ah, Des, jetzt kann ich sehen, daß Sie ein Veenie-Agent sind, aber ganz bestimmt kein Werbefachmann. Limbische Stimulation ist keine eigenständige Technik. Sie ist nur ein Verstärker. Ein Beförderer.«
»Also?«
»Also muß sie den grundlegenden Gesetzen jeder Werbung folgen. Sie können Menschen nur dazu bringen, Dinge zu wollen, Des. Sie können ihnen Kniesehnenreflex-Kaufmuster antrainieren oder ein Verlangen nach etwas erzeugen, aber Sie können die Werbung nicht dazu benutzten, die Menschen nett und freundlich zu machen, um Gottes willen!« Ich hatte den Finger auf die Wahrheit gelegt. Werbemäßig gesehen war der Mann ein Ignorant. Wie er sein Nichtwissen so lange in einer großen Agentur geheimgehalten hatte, war ein Wunder - auch wenn das, was ich gerade gesagt hatte, stimmte: Man mußte das, wozu man seine Leute hatte, nicht lernen. Er blickte finster, während ich zu erklären fortfuhr: »Für so etwas brauchen Sie B-Mod, wenn Sie es wirklich eilig haben, und das kommt nicht in Frage außer bei kleinen, unfreiwilligen Zuhörerschaften. Eigentlich wollen Sie überhaupt keine Werbung, Des.«
»Nein?«
»Publicity«, erklärte ich. »Mundpropaganda. Sie wollen ein Image schaffen. Zur Eröffnung setzen Sie Geschichten über die "gute Veenies" in Umlauf. Führen Sie ein Dutzend Veenie-Charaktere in Situationskommödien ein und verwandeln Sie sie langsam von schurkischen Clowns in liebenswerte Exzentriker. Machen Sie ein paar dazu passende Werbeeinblendungen mit venusischem Hintergrund - Sachen in der Art von "Die Venus liebt Cari-Os".«
»Die Venus, zur Hölle damit, tut das nicht«, explodierte er.
»Die genauen Einzelheiten könnten natürlich anders sein. Natürlich würden Sie supervorsichtig sein müssen hinsichtlich dessen, wie Sie es machen. Schließlich spielen Sie mit tiefsitzenden Vorurteilen, das wissen Sie, ganz davon zu schweigen, daß Sie vielleicht sogar das Gesetz beugen. Aber es läßt sich machen, genügend Geld und Zeit vorausgesetzt. Ich würde sagen, fünf oder sechs Jahre.«
»Wir haben keine fünf oder sechs Jahre!«
»Das hatte ich auch nicht geglaubt«, grinste ich. Es war spaßig, aber ich stellte fest, daß ich seinen Ärger genauso genoß, als wäre der Stachel in seinem Fleisch nicht ich - und als stünde ihm nicht die einfache und naheliegende Möglichkeit zur Verfü-. gung, ihn zu entfernen, die meine "Selbstmordankündigung" ihm gegeben hatte. Es lief auf die Tatsache hinaus, daß es mich einfach nicht mehr kümmerte, was mit mir geschah. Die ganze Angelegenheit lag nicht länger in meinen Händen. Mitzi war der einzige Freund, den ich auf der Welt hatte. Entweder würde sie mich retten... oder sie würde es nicht.
Ich verließ den finster dreinblickenden Des Haseldyne mit einem so ruhigen und gelösten Gefühl wie seit vielen Monaten nicht mehr, und an diesem Abend ging ich los und gab einen großen Happen meines Kreditguthabens für neue Kleider aus. Ich suchte sie so glücklich und sorgfältig aus, als sei ich zuversichtlich, am Leben zu sein, um sie zu tragen.
Als am nächsten Morgen der Ruf in Mitzis Kommandozentrale erfolgte, war Mitzi selbst darin - rotäugig, die Stirnrunzelfalten zwischen den Augen tiefer als je. Es sah aus, als hätte sie nicht gut geschlafen. Sie deutete schweigend auf einen Sessel, knipste die Abschirmung an und saß da, die Ellbogen auf dem Schreibtisch und das Kinn in den Handflächen, während sie mich anstarrte. Endlich sagte sie: »Wie bin ich nur in das mit dir hineingeraten, Tenny?«
Ich zwinkerte ihr vertraulich zu. »Ich habe eben einfach Glück, nehme ich an.«
»Mach keine Witze!« fuhr sie mich an. »Ich habe nicht um dich gebeten. Ich wollte mich nicht in dich ver... in dich ver-...« Sie holte tief Luft und preßte es heraus: »In dich verlieben, verdammt nochmal! Weißt du, wie gefährlich dies alles ist?«
Ich stand auf, um sie auf den Scheitel zu küssen, bevor ich ernsthaft sagte: »Ich weiß es ganz genau, Mitz. Was nützt es, sich darüber Sorgen zu machen?«
»Setz dich hin, wo du hingehörst!« Dann, einlenkend, während ich mich in meinen Sessel zurückzog: »Es ist nicht dein Fehler, daß meine Drüsen mich durcheinanderbringen, nehme ich an. Ich will nicht, daß dir etwas zustößt. Aber, Tenn, wenn es jemals zu dem Punkt kommt, wo ich zwischen dir und der Sache wählen muß...«
Ich hob die Hand, um sie zu stoppen. »Ich weiß das. Mitz. Das wirst du nie müssen. Ihr werdet froh sein, mich an Bord zu haben, denn ehrlich gesagt, Mitz, wißt ihr Clowns nicht, was ihr tut.«
Harter Blick. Dann verdrossen: »Es stimmt, dieses ganze Zeug erfüllt uns zu sehr mit Abscheu, um gut darin zu sein. Wenn du uns ein bißchen Sachkenntnis liefern könntest...«
»Ich kann. Du weißt, daß ich kann.«
»Ja«, gab sie widerstrebend zu, »ich glaube, das tue ich wohl. Ich habe Des erklärt, das limbische Zeug wäre hoffnungslos, aber er wollte dich nicht in den wirklichen Plan einweihen. Na gut. Ich trage die Verantwortung. Was wir vorhaben, ist politischer Natur, Tenny, und du wirst es für uns ausführen. Du wirst die gesamte Kampagne leiten - unter meiner Aufsicht und der von Des.«
»Fein«, sagte ich aufrichtig. »Hier? Oder...«
Sie senkte den Blick. »Für den Anfang jedenfalls hier. Noch irgendwelche Fragen?«
Nun, zunächst war da einmal die Frage, warum es hier statt auf dem Dachboden über der Ösenfabrik sein würde, aber das schien keine von denen zu sein, die sie beantworten wollte. Langsam sagte ich: »Wenn du mich einfach bloß über das informieren könntest, was eigentlich vor sich geht...«
»Ja, natürlich.« Sie sagte es, als hätte ich nach dem Weg zum Herrenklo gefragt. »Das große Bild sieht wie folgt aus: Wir wollen die irdische Wirtschaft ruinieren, und das werden wir bewerkstelligen, indem wir die Regierungen übernehmen.«
Ich nickte und wartete auf den nächsten Satz, der das alles klar machen würde. Als kein nächster Satz folgte, fragte ich: »Die was?«
»Die Regierungen«, sagte sie fest. »Überrascht dich, wie? Es ist so offensichtlich, und trotzdem hat keiner von euch Werbefritzen je den Verstand gehabt, es zu sehen, nicht einmal die Konservationisten.«
»Aber Mitz! Wozu würdet ihr die Regierung übernehmen wollen? Niemand schenkt diesen Marionetten irgendwelche Beachtung. Die wirkliche Macht liegt hier in den Agenturen.«
Sie nickte. »De facto ist das so. Aber de jure hat die Regierung immer noch Enteignungsrecht. Die Gesetze sind nie geändert worden. Es ist nur so, daß die Leute, die die Gesetze schreiben, den Agenturen gehören. Sie erhalten ihre Instruktionen. Niemand zieht sie je in Zweifel. Der einzige Unterschied liegt darin, daß sie uns gehören werden. Die Marionetten werden einfach weitermachen, nur werden sie jetzt unsere Befehle entgegennehmen, und was wir befehlen, wird diesen Planeten in die verdammteste, schlimmste Wirtschaftskrise stürzen, die die menschliche Rasse je erlebt hat - dann wollen wir mal sehen, ob sie immer noch mit der Venus herumspielen können!«
Ich glotzte sie an. Es war so ungefähr die wahnsinnigste Idee, die ich je gehört hatte. Selbst wenn sie funktionierte, und alle hergebrachte Klugheit beschwor mich, daß sie nicht funktionieren konnte, war es das, was ich wollte? Eine Wirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit? Die Zerstörung all dessen, das zu verehren ich gelehrt worden war...?
Und doch - sagte die Bescheidenheit -, wer war ich, ein Versager und Süchtiger, um Kritik zu üben? Der Himmel wußte, daß meine Prinzipien in den letzten paar Achterbahnmonaten so viele Male ins Wanken gebracht und erschüttert worden waren, daß ich nicht vorgeben konnte, irgend etwas zu wissen. Ich war ins Schwimmen gekommen - und Mitzi wirkte so selbstsicher.