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Trotzdem war es interessant. Mitzi hatte eine große Schwäche für ihren Daddy-San. Er war einer aus der Bande der selbstgerechten revolutionären Konservationisten des alten Mitchell Courtenay gewesen, die die Gehirnwäscherei und das Leutemanipulieren der merkantilen Gesellschaft so haßten, daß sie aus dem Fegefeuer der Erde in die flammende Hölle der Venus sprangen. Wenn sie mir von Daddy-Sans Geschichten aus der Anfangszeit erzählte, klang es wirklich wie ein Klon der Hölle selbst. Und ihr Vater war kein großes Rad im Getriebe gewesen. Nur ein junger Bursche. Seine Hauptarbeit schien darin zu bestehen, mit bloßen Händen Löcher auszuheben, in denen man leben konnte, und Schmutzwasser aus dem Schiff zu tragen, um es zwischen den Arbeitsschichten zu vergraben. Während die Bautrupps die ersten großen Hilsch-Röhren zusammenbauten, um den größten Aktivposten anzuzapfen, über den die Venus verfügte - die gewaltige Energie in ihren heißen, dichten, tobenden Winden -, wechselte Daddy-San Windeln für die erste Generation von Babys in den Kinderzimmern. »Daddy« sagte sie mit feuchten Augen, »war nicht nur ein unerfahrener junger Bursche, er war auch ein körperliches Wrack. Zu viel Junk-Food, als er klein war, und dann war etwas mit seinem Rückgrat nicht in Ordnung, das nie behoben wurde - aber er ließ sich dadurch niemals abhalten, sein Bestes zu tun!«

Irgendwann während der Zeit, als man damit anfing, Atombomben über tektonischen Verwerfungen zu zünden, um Vulkane zu erzeugen, nahm er sich genug Zeit zu heiraten und Mitzi in die Welt zu setzen. Das war auch, als er befördert wurde und in der Folge starb. Die ganze Idee bei den Vulkanen war natürlich, daß sie die beste Möglichkeit darstellten, die die Veenies hatten, um den unterirdischen Sauerstoff und Wasserdampf dort hinaufzuholen, wo sie sie gebrauchen konnten. Daher sind auch die ganzen Ozeane und die Luft der Erde gekommen, aber die Venus konnte sie nicht so verschwenden, wie die frühe Erde es getan hat, weil man es sich nicht leisten konnte, vier Milliarden Jahre auf die Ergebnisse zu warten. Also mußten die Vulkane mit Kappen abgedeckt werden, »Das war eine harte und gefährliche Arbeit«, sagte Mitzi, »und als etwas schiefging und eine der Kappen in die Luft flog, flog mein Daddy-San mit in die Luft. Ich war drei Jahre alt.«

Ausgepowert, erschöpft, übermüdet wie ich war, rührte sie an mein Herz. Ich streckte die Hand nach ihr aus.

Sie drehte sich weg, »Das ist es, was Liebe für mich bedeutet«, sagte sie in ihr Kopfkissen. »Man liebt jemanden, und man wird verletzt. Nachdem Daddy-San gestorben war, verwendete ich meine ganze Liebe auf die Venus - ich wollte nie wieder einen anderen Menschen lieben!«

Nach einem Augenblick stand ich unsicher schwankend auf. Sie rief mich nicht zurück.

Die Morgendämmerung brach an; genausogut konnte ich in diesen nächsten schlimmen Tagen eintreten. Ich setzte etwas von ihrem »Kaffee« auf und starrte aus dem Fenster auf die smogige, große Stadt mit ihren wimmelnden Werbefritzen und fragte mich, was ich mit meinen Leben machte. In körperlicher Hinsicht war die Antwort einfach; ich ruinierte es. Die schwache Reflexion im Glas zeigte, wie mit jedem Tag mein Gesicht dünner, meine Augen flackernder und hohler wurden. Hinter mir sagte sie: »Schau dich nur gut an, Tenny. Du siehst schrecklich aus.«

Langsam wurde ich es müde, das zu hören. Ich drehte mich um. Sie saß aufrecht im Bett, die Augen auf mich gerichtet. Sie hatte ihre Kontaktlinsen noch nicht eingesetzt. Ich sagte: »Mitz, Liebling, es tut mir leid...«

»Langsam werde ich es müde, das zu hören!« fuhr sie mich an, als hätte sie meine Gedanken gelesen. »Dir tut es leid, na schön! Du bist so ziemlich das selbstmitleidigste Exemplar Mensch, das ich je gesehen habe, Tenny! Du wirst mir noch unter den Händen wegsterben!«

Ich blickte aus dem Fenster, um festzustellen, ob irgend jemand in der schmutzigen, alten Stadt mir eine Antwort darauf liefern würde. Niemand tat es. Da das, was sie sagte, durchaus wie eine glaubhafte Möglichkeit erschien, schien es die beste Methode zu sein, ihre Bemerkung auf sich beruhen zu lassen.

Aber Mitzi wollte sie nicht auf sich beruhen lassen. »Du wirst an diesen verdammten Pillen sterben«, sagte sie wütend, »und dann werde ich auch noch gottverdammte Trauer zu meiner gottverdammten Sorge und meiner gottverdammten Angst haben.«

Ich ging zum Bett zurück, um besänftigend ihre nackte Schulter zu berühren. Sie war nicht besänftigt. Sie funkelte zu mir auf wie eine gefangene Wildkatze.

Langsam nutzte sich die Anästhesie ab.

Ich griff nach meiner Morgenpille und warf sie ein, während ich darum betete, daß sie mir dieses eine Mal Auftrieb statt einer Betäubung gäbe, daß sie mir die Weisheit und das Mitgefühl gäbe, ihr auf eine Art und Weise zu antworten, die ihren Schmerz linderte. Weisheit und Mitgefühl stellten sich nicht ein. Ich tat das beste, was ich konnte mit dem, was mir zur Verfügung stand; ich sagte beschwichtigend: »Mitz, vielleicht ziehen wir uns besser an und gehen an die Arbeit, bevor wir etwas sagen, das wir nicht sagen sollten. Wir sind beide ziemlich fertig, vielleicht kriegen wir heute nacht ein bißchen Schlaf...«

»Schlaf!« zischte sie. »Schlaf! Wie kann ich schlafen, wenn ich alle Viertelstunde aufwache, weil ich denke, die Gorillas vom Amt für fairere Handelspraktiken brechen die Tür auf!«

Ich zuckte zusammen. Ich hatte die gleichen Alpträume; ich dachte viel ans Gehirnausbrennen. Mit unsicherer Stimme sagte ich: »Ist es das nicht wert, Mitz? Wir lernen uns richtig kennen...«

»Ich weiß mehr über dich, als ich mir wünsche, Tenny! Du bist ein Süchtiger. Du bist ein körperliches Wrack. Du bist nicht mal gut im Bett...«

Und an dieser Stelle hielt sie inne, denn sie wußte genausogut wie ich, was das bedeutete. Das war das todbringende Wort. Danach gab es nichts mehr zu sagen als: »Es ist aus zwischen uns.« Und angesichts der besonderen Umstände unserer Beziehung gab es nur einen Weg, um sie zu beenden.

Ich wartete auf die nächsten Worte, die sein mußten: »Verschwinde von hier! Verschwinde aus meinem Leben!« Nachdem sie mich hinausgeworfen hatte, dachte ich geistesabwesend, würde es der beste Plan sein, direkt zum Raketenflughafen zu fahren, so weit zu fliegen, wie mein Geld reichte, und in den wimmelnden Verbrauchermassen in Los Angeles oder Dallas oder sogar noch weiter weg unterzutauchen. Möglicherweise würde Des Haseldyne mich nicht finden. Ich konnte vielleicht einfach die nächsten Monate abwarten, während der Coup entweder gelang oder nicht. Danach wurde es natürlich haarig - egal, welche Seite gewann, die Sieger würden bestimmt kommen und nach mir suchen...

Ich bemerkte, daß sie diese Worte nicht gesagt hatte. Sie saß aufrecht im Bett und horchte aufmerksam auf ein leises Geräusch von der Tür her. »O mein Gott«, sagte sie voller Verzweiflung, »sieh nur auf die Uhr, sie sind da!«

Tatsächlich war jemand an Tür von Mitzis Wohnung. Sie wurde nicht aufgebrochen. Sie wurde mit einem Schlüssel geöffnet, also waren es nicht die Sturmtruppen von den Fairen Handelspraktiken.

Es waren drei Personen. Eine davon war eine Frau, die ich vorher noch nie gesehen hatte. Die anderen beiden waren zwei Leute, die, darauf hätte ich alles verwettet, was ich besaß, die denkbar letzten Leute gewesen wären, um auf diese Weise in Mitzis Wohnung zu kommen: Val Dambois und der Alte.

Als ich sie sah, war ich nur verblüfft. Sie hingegen waren wie vom Donner gerührt und außerdem wütend. »Verdammt, Mitz!« schäumte Dambois. »Jetzt ist es also passiert! Was macht dieser Moke-Kopf hier?«

Ich hätte ihm erklären können, daß ich genaugenommen kein Moke-Kopf mehr war. Ich versuchte es erst gar nicht. Ich verwendete all meine erschütterten und entsetzten Gedanken darauf, was ihre Anwesenheit hier bedeutete. Ich hätte auch sowieso keine Chance gehabt, es ihm zu erklaren, denn der Alte hob eine Hand. Sein Gesicht war wie Granit. »Sie, Val«, befahl er. »Bleiben Sie hier und behalten Sie ihn im Auge. Ihr anderen kommt mit.«