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Und dann dachte ich eine Weile nicht mehr an Nelson Rockwell, denn die Tür, die einmal auf einen dreckigen Dachboden geführt hatte, führte jetzt in eine Diebesschleuse. Hinter mir fiel die Treppentür zu. Vor mir war eine verriegelte Tür; rings um mich waren Stahlwände. Licht flutete über mich. Ich konnte nichts hören, aber ich wußte, daß ich beobachtet wurde.

Ein Lautsprecher über meinem Kopf grollte mit Des Haseldynes Stimme: »Sie haben hoffentlich einen verdammt guten Grund für das hier, Tarb.« Die Tür vor mir glitt auf. Die hinter mir schleuderte mich mit einer Schubstange aus der kleinen Kammer, und ich war in einem Raum voller Menschen. Sie starrten mich alle an.

Auf dem alten Dachboden hatte sich einiges verändert. Erstklassige Technik und Luxus hatten Einzug gehalten. An einer Wand spie ein Teleschirm-Monitor Lageberichte aus, und die anderen Wände waren großzügiger drapiert als das Büro des Alten bei T., G. & S. Das Zentrum des riesigen Raumes wurde von einem gewaltigen ovalen Tisch ausgefüllt - er sah nach echtem Holzfurnier aus -, und in Sesseln rings um den Tisch, jeder mit seiner eigenen Karaffe und Glas und Sekretärschirm und Phon, saßen mehr als ein Dutzend Menschen. Und was für Menschen das waren! Nicht einfach nur Mitzi und Haseldyne und der Alte. Es waren Leute hier, die ich außer auf dem Nachrichtenschirm nie zuvor gesehen hatte, Agenturleiter von RussCorp und Indiastries und Südamerika s. a. - Deutsche, Engländer, Afrikaner - die halbe Creme de la creme der Weltwerbung war abgeschöpft und in diesen Raum gegossen worden. Bei jedem Schritt war ich geblendet gewesen von den fortwährenden Enthüllungen noch gewaltigerer Ausmaße, noch größerer Macht der Veenie-Maulwurfsorganisation. Jetzt hatte ich den letzten Schritt getan und war in ihr Herz eingedrungen. Es machte sehr den Eindruck wie ein Schritt zu viel.

Mitzi mußte ebenso gedacht haben. Sie sprang auf, während sich ihr Gesicht vor Schreck verzerrte. »Tenny! Verdammt, Tenny, warum bist du hierher gekommen?«

Ich sagte fest: »Ich habe dir doch gesagt, daß ich etwas habe, das du wissen solltest. Es betrifft Sie alle, also schadet es gar nichts, daß ich Sie überrascht habe. Ihr Plan ist gescheitert. Sie haben keine Zeit mehr. Jeden Augenblick wird eine Werbefritzenflotte zur Venus unterwegs sein - mit voller Campbellscher Artillerie.«

In Mitzis Nähe am Kopfende des Tisches war ein leerer Sessel. Ich ließ mich hineinplumpsen und wartete darauf, daß der Sturm losbrach.

Er kam, und ob. Die Hälfte von ihnen glaubte mir nicht. Die andere Hälfte mochte darin der einen oder anderen Meinung sein, aber das, woran sie jetzt hauptsächlich dachten, war, daß ich in ihre geheimste Stätte eingedrungen war. Wut im Megatonnenbereich brodelte auf dem Dachboden, und sie war nicht nur gegen mich gerichtet. Auch Mitzi bekam ihren Anteil ab - mehr als ihren Anteil sogar, besonders von Des Haseldynes: »Ich hatte dir geraten, ihn loszuwerden«, brüllte er. »Jetzt bleibt uns keine Wahl mehr!« Die Dame von SA-Quadrat: »Isch denk, Sie haben groß Problem hier!« Der Mann von RussCorp, mit der Faust auf den Tisch hämmernd: »Ist keinä Fraggä, Probläm!

Ist einzigä Fraggä, wie wirr lösen? Ihrr Probläm, Ku!« Der Mann von Indiastries, Handflächen zusammen und Finger spitz nach oben: »Sicher wünscht man nicht, Leben zu nehmen, aber bei gewissen Arten von mißlichen Lagen kann man keine Alternativen finden, die...«

Mir reichte es. Ich stand auf und beugte mich über den Tisch. »Hören Sie mir jetzt zu?« fragte ich. »Ich weiß, daß es der einfachste Ausweg für Sie ist, mich loszuwerden und zu vergessen, was ich gesagt habe. Das bedeutet, daß die Venus verloren ist.«

»Schweigen Sie!« murrte die Frau aus Deutschland, aber sie stand allein. Sie sah sich in der Runde um, ein Dutzend in zornigen Posen erstarrte Menschen, und sagte dann verdrießlich: »Also sagen Sie schon, was Sie wollen. Wir hören zu. Aber nicht lange.«

Ich schenkte ihnen ein breites Lächeln. »Danke«, sagte ich. Ich fühlte mich nicht besonders tapfer. Ich wußte, daß es bei dieser Verhandlung unter anderem um mein Leben ging. Aber mein Leben schien nicht länger gar so wertvoll zu sein. Es reichte zum Beispiel nicht an die Prozedur in der Entgiftungsfarm heran; wenn ich mich je wieder der Notwendigkeit dazu gegenübergesehen hätte, jetzt, da ich wußte, wie es war, hätte ich mich bestimmt vorher ausge-x-t. Aber ich hatte die Schnauze voll. Ich sagte: »Sie haben während der letzten Jahre in den Nachrichten verfolgt, wie man die Ureinwohner-Gebiete gesäubert hat, um sie der Zivilisation einzuverleiben. Haben Sie bemerkt, wo die letzten sich befanden? Der Sudan. Arabien. Die Wüste Gobi. Ist Ihnen an diesen Orten irgend etwas aufgefallen?« Ich blickte mich am Tisch um. Das war es nicht; aber ich konnte erkennen, daß es ihnen langsam anfing zu dämmern. »Wüsten«, sagte ich. »Heiße, trockene Wüsten. Nicht so heiß wie die Venus und auch nicht so trocken - aber das Venus ähnlichste, das es auf der Erdoberfläche gibt, und darum der beste Ort zum Üben. Das ist Punkt eins.«

Ich setzte mich hin und sprach im Konversationston weiter. »Als ich vors Kriegsgericht gestellt wurde«, sagte ich, »hielt man mich ein paar Wochen in Arizona gefangen. Wieder ein Wüstengebiet. Sie hatten dort zehntausend Soldaten im Manöver; so weit ich es erkennen konnte, waren es dieselben Truppen, die in Urumqi eingesetzt gewesen waren. Und draußen in der Wildnis hatten sie eine Raketenflotte. Direkt neben den Raketen lagerten riesige Gütermengen. Campbellsche Artillerie. Jetzt wollen wir mal sehen, ob wir rauskriegen können, was das bedeutet. Sie haben unter simulierten Venusbedingungen trainiert. Sie haben ausgebildete Kampftruppen, die in diesem Augenblick Invasionstaktiken einüben; sie haben schwere Campbell-Waffen, die zum Einladen in Shuttles bereitstehen. Zählen Sie zusammen. Was kommt unter dem Strich dabei heraus?«

Totale Stille im Raum. Dann, zögernd, die Frau von SA-Quadrat: »Es iest wahr, man hat uns von sehr vielen früher ien Venezuela stationierten Shuttles beriechtet, die jetzt aus irgendeinem Grund verlegt worden siend. Wir haben angenommen, daß vielleicht Hyperion das Ziel sei.«

»Hyperion«, höhnte RussCorp. »Ein Shuttle allein - reicht fürr Hyperion!«

Haseldyne bellte: »Lassen Sie sich von diesem Pillenkopf nicht in Panik versetzen! Ich bin sicher, er übertreibt. Die Werbefritzen sind ein Papiertiger. Wenn wir unsere Arbeit tun, werden sie keine Zeit haben, sich um die Venus Gedanken zu machen - sie werden viel zu sehr damit beschäftigt sein, Daumen zu lutschen und sich zu fragen, was mit der Erde schiefgelaufen ist.«

»Ich frreue mich«, sagte RussCorp düster, »daß Sie so sichärr sind. Ich fürr mein Teil habbä Zweifel. Hat vielä Gerüchtä gegäben, sind allä berichtät diesem Ratt - allä abgetan. Warr Fehlär, denkä ich jätzt.«

»Ich persönlich würde vorschlagen...«, begann die Deutsche, aber Haseldyne unterbrach sie.

»Wir werden das besprechen - allein«, sagte er gefährlich. »Sie! Raus mit Ihnen! Wir rufen Sie wieder herein, wenn wir Sie brauchen!«

Ich bedachte sie mit einem Achselzucken und einem Lächeln und marschierte aus der Tür, die der Mann von Indiastries für mich offenhielt. Es überraschte mich nicht, festzustellen, daß sie nur zu einer kurzen Treppe und einer Außentür führte - die abgeschlossen war. Ich setzte mich auf die Stufen und wartete. Als die innere Tür endlich wieder aufging und Haseldyne meinen Namen rief, versuchte ich nicht, den Ausdruck auf seinem Gesicht zu lesen. Ich schob mich nur höflich an ihm vorbei und nahm den leeren Sitz am Tisch ein. Das gefiel ihm nicht besonders; sein Gesicht rötete sich, und seine Miene war todbringend, aber er sagte nichts. Er hatte kein Recht dazu. Er führte nicht mehr den Vorsitz.

Derjenige, der jetzt den Vorsitz, führte, war der Alte höchstpersönlich. Er blickte auf, um mich zu mustern, und sein Gesicht sah so aus wie immer, rosig und rundlich und von wolligem Haar eingerahmt, nur daß es alles andere als jovial war. Der Gesichtsausdruck war düster und abweisend. Und, was ganz und gar nicht zu dem Alten paßte, den ich so lange kannte, er machte keinerlei Anstalten zu oberflächlicher Konversation. Einen endlosen Augenblick lang sagte er überhaupt nichts, schaute nur zu mir auf, dann wieder auf seinen Tischplattenbildschirm, und seine Finger waren geschäftig dabei, neue Anfragen einzutippen und ungünstige Antworten zu bekommen. Von der Treppe aus hatte ich eine Menge Lärm gehört - erregtes Poltern und gebieterisches, schrilles Zetern -, aber jetzt waren sie alle still. Der erstickende Geruch echten Tabaks zog von dem Platz herüber, wo die RussCorp-Frau stumm ihre Pfeife rauchte. Die SA-Quadrat-Frau streichelte geistesabwesend etwas auf ihrem. Schoß - ein Tier, konnte ich sehen; vielleicht ein Kätzchen.