Dann hieb der Alte auf seine Tastatur, um seinen Schirm freizumachen, und sagte schleppend: »Tarb, das sind keine guten Nachrichten, die Sie uns da gebracht haben. Aber wir müssen annehmen, daß es stimmt.«
»Jawohl, Sir«, rief ich aus altem Reflex heraus.
»Wir müssen rasch handeln, um uns dieser Herausforderung zu stellen«, erklärte er. Seine Schwülstigkeit war nicht den Weg seiner guten Laune gegangen. »Sie werden natürlich verstehen, daß wir Ihnen nicht unsere Pläne mitteilen können...«
»Natürlich nicht, Sir!«
»...und Sie werden auch verstehen, daß Sie Ihre Zuverlässigkeit in unseren Augen bisher noch nicht unter Beweis gestellt haben. Mitzi Ku bürgt für Sie«, fuhr er fort, und sein kalter Blick schweifte über die Runde, um schließlich an ihr hängenzubleiben. Sie starrte ihre Fingerspitzen an und sah nicht auf, um sich ihm zu stellen. »Einstweilen begnügen wir uns mit ihrer Garantie.« Bei diesen Worten zuckte sie zusammen, und mich durchfuhr die blitzartige Erkenntnis, welches die Alternativen, die sie diskutiert hatten, gewesen sein mochten - einstweilig.
»Ich verstehe«, sagte ich und schaffte es, das "Sir" wegzulassen. »Was möchten Sie, daß ich tue?«
»Sie sind angewiesen, mit Ihrer Arbeit fortzufahren. Das ist unser wichtigstes Projekt, und es kann nicht gestoppt werden. Mitzi und wir anderen müssen jetzt - andere Dinge tun, also sind Sie in gewissem Maße auf sich allein gestellt. Lassen Sie sich dadurch nicht nachlässig machen.«
Ich nickte und wartete darauf, ob noch mehr kam. Das war nicht der Fall. Des Haseldyne führte mich zur Tür und geleitete mich hindurch. Mitzi hatte gar nicht gesprochen. Am Fuß der Treppe schob Haseldyne mich in eine weitere Diebesschleuse. Bevor er die Tür schloß, bellte er: »Sie hatten wohl Dank erwartet, was? Vergessen Sie's! Wir haben Ihnen gedankt, indem wir Sie am Leben ließen.«
Während ich darauf wartete, daß die äußere Tür sich öffnete, hörte ich, wie das heftige Poltern und Zetern wieder einsetzte, als sie sich erneut in die Diskussion stürzten. Was Haseldyne gesagt hatte, traf zu: sie hatten mich am Leben gelassen. Ebenfalls wahr war, daß sie ihre Entscheidung jederzeit revidieren konnten. Konnte ich das verhindern? Ja, entschied ich, aber nur auf eine Weise: indem ich so gute Arbeit für sie leistete, daß ich unentbehrlich wurde... oder, genauer gesagt, indem ich dafür sorgte, daß sie glaubten, ich wäre es.
Dann öffnete sich die Außentür.
Des Haseldyne mußte die Kontrollen bedient haben. Auch diese Schleuse verfügte über eine Schubstangeneinrichtung; die Tür hinter mir schleuderte mich hinaus auf die Straße. Ich stolperte, fiel und rutschte über den Bürgersteig unter die Füße dahinhastender Verbraucher. »Alles in Ordnung mit Ihnen, Mister?« fragte ein alter Verbraucher mit zittriger Stimme und starrte mich mit offenem Mund berunruhigt an.
»Mir geht es ausgezeichnet«, schnappte ich, während ich mich aufrappelte. Ich glaube nicht, daß ich je zuvor eine größere Lüge erzählt habe.
II
Es ist eine ungesunde und quälende Angelegenheit, sich als Komplize für Verbrechen, auf denen Gehirnausbrennen steht, mit einem Haufen von Schwerverbrechern zusammengetan zu haben. Erheblich schlimmer ist es, erkennen zu müssen, daß sie unfähig sind. Jener Zirkel von venusischen Meisterspionen und Saboteuren hätte mit vereinten Kräften vielleicht genug Geschick und Niedertracht aufbringen können, einen Stapel gefälschter Discount-Coupons an einem Supermarktprüfer vorbeizuschmuggeln. Was die Aufgabe betraf, ihre Welt vor der Macht der Erde zu schützen, so waren sie ganz einfach nicht fähig dazu.
Dixmeister verbrachte deswegen an diesem Nachmittag eine gemütliche Zeit. Als ich in mein Büro zurückgehumpelt kam, knurrte ich ihn an, sich um seinen eigenen Kram zu kümmern und mich in Ruhe zu lassen, bis ihm Gegenteiliges befohlen wurde. Dann schloß ich meine Tür ab und dachte nach.
Ohne Mokes oder kleine grüne Pillen, hinter denen ich mich hätte verstecken können, war das, was ich sah, wenn ich die Augen öffnete, die nackte Realität. Sie bot keinen reizvollen Anblick, denn sie war voller Probleme - drei im besonderen:
Erstens, wenn ich die Veenies nicht davon überzeugte, daß sie mich brauchten und mir vertrauen konnten, würde der gute alte Haseidyne wissen, was zu tun war. Danach würde ich keinerlei Sorgen mehr haben.
Zweitens, wenn ich tat, wie mir geheißen worden war, sah die Zukunft trostlos aus. Ich war nicht bei der Planung ihrer großen strategischen Kampagne hinzugezogen worden; je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger sicher war ich mir, daß sie funktionieren würde.
Drittens und schlimmstens, wenn sie nicht funktionierte, dann waren wir alle erledigt. Wir würden den Rest unseres Lebens damit zubringen, in Laufställchen zu hausen. Windeln zu tragen, von Wärtern, die uns nicht besonders mochten, mit dem Löffel gefüttert zu werden und unsere hauptsächliche intellektuelle Stimulation dadurch zu erhalten, daß wir zusahen, wie die hübschen Lichter vorbeizogen. Wir alle. Nicht bloß ich. Auch die Frau, die ich liebte.
Ich wollte nicht, daß Mitzi Ku das Gehirn ausgebrannt wurde.
Ich wollte auch nicht, daß Tennison Tarb das Gehirn ausgebrannt wurde. Meine erst kürzlich erworbene Klarheit des Denkens wies nüchtern darauf hin, daß es immerhin einen Weg aus diesem Teil der Klemme gab. Alles, was ich tun mußte, war, zum Phon zu greifen, die Kommission für faire Handelspraktiken anzurufen und die Veenies anzuzeigen; womöglich würde ich dann mit der Polaren Strafkolonie davonkommen, vielleicht sogar mit der bloßen Rückstufung auf Verbraucherstatus. Aber das würde Mitzi nicht retten...
Unmittelbar vor Geschäftsschluß beriefen Mitzi und Des eine Mitarbeiterbesprechung für die höchsten Chargen in den Sitzungssaal ein. Mitzi sprach nicht und schaute mich auch nicht an. Des Haseldyne führte das große Wort. Er sagte, es hätten sich einige, äh, unerwartete Expansionsmöglichkeiten ergeben, und er und Mitzi würden geschäftlich unterwegs sein müssen, um sie zu prüfen. In der Zwischenzeit hätten sie Val Dambois' Kontrakt von T., G. & S. gekauft, und er werde als Interimsmanager das Ruder übernehmen; die Abteilung Immaterielle Aktiva (Politik) würde selbständig von Tennison Tarb, das war ich, geleitet werden, und er sei sicher, daß wir die Geschäfte mit voller Leistungskraft weiterführen würden.
Es war keine überzeugende Vorstellung. Sie wurde auch nicht gut aufgenommen. Es gab Seitenblicke und besorgte Mienen in der Zuhörerschaft. Als wir uns alle erhoben, schaffte ich es, lange genug so dicht an Mitzi heranzukommen, daß ich ihr ins Ohr flüstern konnte: »Ich bleibe weiter im Condo, okay?« Sie antwortete auch darauf nicht. Sie blickte mich nur an und zuckte die Achseln.
Ich hatte keine Gelegenheit gehabt, nachzuhaken, weil in diesem Augenblick Val Dambois hinter uns auftauchte und meine Schulter ergriff. »Ich möchte kurz mit Ihnen sprechen, Tenny«, knirschte er und führte mich in Mitzis Büro - jetzt sein Büro. Er knallte die Tür zu, schaltete mit einem Ruck den Anti-Abhörschirm ein uns sagte: »Werden Sie nur nicht zu selbständig, Tarb. Denken Sie immer daran, daß ich hier bin und Sie beobachte.« Daran brauchte ich nicht erinnert zu werden. Als ich nicht antwortete, sah er mich scharf an. »Können Sie damit fertigwerden?« fragte er. »Fühlen Sie sich in Ordnung?«