»Verdammt, ja - ich meine, ja, Mr. Tarb. Ich habe Anrufe von den Sendern erhalten. Sie haben Ihre neuen Promo-Themen geprüft, die für die Kandidaten, Sie wissen schon...«
»Ich weiß«, sagte ich mit meinem bedrohlichsten Gesichtsausdruck. »Was zum Teufel bedeutet das, Dixmeister? Lassen Sie sie etwa mit den Versuch durchkommen, Werbung zu zensieren?«
Er wirkte schockiert.
»O Gott, Mr. Tarb, nein! Nichts dergleichen. Es ist nur, daß ein paar der Inhaltsprüfer meinten, sie hätten das eine, na ja, eine Art Spur von, äh, Ko-, äh, Kon-...«
»Konservationimus, meinen Sie, Dixmeister?« fragte ich freundlich. »Sehen Sie mich an, Dixmeister. Sehe ich für Sie etwa wie ein Konservationist aus?«
»O Gott, nein, Mr. Tarb!«
»Oder glauben Sie, diese Agentur würde politische Werbespots für Konsies herausbringen?«
»Nicht in einer Million Jahre! Es sind aber nicht nur die Spots für die Kandidaten. Es ist diese neue Wohlfahrtsoffensive, wissen Sie? Der Marsch der Dollars?« Ich wußte - sie war meine eigene Erfindung, eine Sammelaktion zugunsten der Ausbreitung von Entgiftungszentren wie dem, in dem ich gewesen war.
»Das ziehen sie auch in Zweifel?« fragte ich und lächelte mein Jetzt-haben-sie-also-wieder-diese-alten-Tricks-drauf-Lächeln.
»Nun, ehrlich gesagt, ja, aber das ist es nicht, weswegen ich Sie fragen wollte. Die Sache ist nur, ich bin, die Akten durchgegangen, und ich kann keine Anweisung von höchster Stelle für diese ganze Kampagne finden.«
»Nun, natürlich nicht«, sagte ich, während ich vor Überraschung die Augen weit öffnete. »Ich nehme nicht an, daß Val genug Zeit hatte, sie fertigzumachen, oder? Ich meine, bevor er einfach so zum Mond abdüste. Lassen Sie's gut sein, Dixmeister«, befahl ich. »Sobald er zurückkommt, werde ich mich mit ihm in Verbindung setzen. Gute Arbeit, daß Sie es bemerkt haben, Dixmeister!«
»Danke, Mr. Tarb«, rief er aus - grinsend, beinahe mit den Füßen scharrend. »Ich werde aber sicherheitshalber noch einmal nach der Order suchen.«
»Sicher.« Natürlich würde er das. Und natürlich würde er sie nicht finden, weil keine da war. »Und lassen Sie sich kein Geschwätz von diesen Leuten vom Sender bieten. Erinnern Sie sie daran, daß wir hier nicht um Murmeln spielen. Wir wollen keine Anklage wegen Vertragsbruch einbringen müssen.«
Er zuckte zusammen und verschwand, wenngleich er sich einen letzten fragenden Blick auf Marie und Gert Martels nicht verkneifen konnte, die sich um Maries Tischbildschirm drängten. »Langsam wird es heiß, nicht wahr?« fragte Gert.
»Heiß ja«, pflichtete ich bei. »Ist das einer von unseren, den ihr euch anschaut? Führt ihr ihn mir auch mal vor, ja?«
Marie bewegte einen Regler an ihrem Kontrollpult, und auf dem ersten der Wandschirme leuchtete ein Senderbild auf. Es war der Nelson-Rockwell-Spot; die Augen leuchteten aus dem mit Verbänden umwickelten Kopf, während er seine Platte abspulte: »...durchtrennte Patella, das ist die Kniescheibe, zwei gebrochene Rippen, innere Blutungen und eine Gehirnerschütterung. Das alles haben sie mir angetan, als ich die Sachen nicht bezahlen konnte, die ich eigentlich nie gewollt hatte...«
Gert kicherte: »Sieht er nicht süß aus?«
»Ein richtiger Ladykiller«, sagte ich warm. »Habt ihr alle eure Schockpistolen dort, wo ihr sie schnell erreichen könnt?« Gert nickte, und das Lächeln gefror plötzlich auf ihrem Gesicht. Es war kein Lächeln mehr. Es war schaurig. Ich schloß, daß die Anstrengungen, die es gekostet hatte, sie aus dem Militärgefängnis herauszuholen, sehr wohl die Mühe wert gewesen waren.
Rockwell löste die Augen von seinem eigenen Abbild auf dem Schirm und richtete sie auf mich. »Glaubst du, daß es Ärger geben wird, Tenny?« fragte er. Seine Stimme zitterte nicht, aber ich bemerkte, daß seine linke Hand, diejenige, die nicht in seinem Ganzkörpergips steckte, dicht über der Schreibtischschublade schwebte. Was mochte darin sein? Keine Pistole; ich hoffte, keine Granate - ich hatte diese Entscheidung noch nicht so ganz getroffen.
»Tja, man weiß nie, nicht war?« fragte ich, während ich wie zufällig zu seinem Schreibtisch hinüberschlenderte. »Es ist halt am besten, bereit dafür zu sein, wenn es kommt, richtig?« Sie alle nickten, und ich verdrehte den Hals, um zu sehen, was sich in der Schublade befand. Es dauerte einen Augenblick, bis ich begriff, daß es keine Granate war; es war eine seiner verdammten Authentischen Kupfersimulat-Miniaturtodesmasken führender Modelle für Herrenunterwäsche. Ich erstickte beinahe an einer plötzlichen Anwandlung von Mitgefühl. Armer Kerl. »Nels«, sagte ich weich, »wenn wir das hier überstehen, dann verspreche ich dir, daß du nächste Woche in der Entgiftung bist.«
So weit ich es unter den Bandagen erkennen konnte, war sein Gesichtsausdruck ängstlich, aber entschlossen, und ich glaube, er nickte. Laut sagte ich zu ihnen allen: »Es wird eine lange Nacht werden. Wir schlafen besser alle ein wenig - in Schichten,«
Sie bekundeten im Chor ihre Zustimmung, und während ich mich meinem eigenen Büro zuwandte, gingen sie wieder dazu über, sich das Ende des Nelson-Rockwell-Spots anzuschauen: »...das ist meine Geschichte, und wenn Sie mir helfen möchten, gewählt zu werden, schicken Sie Ihre Spenden bitte an...«
Ich schloß die Tür hinter mir und ging geradewegs zu meinem eigenen Schreibtisch. Ich wählte die neueste Werbezeit an und starrte auf den Schirm hinunter. Sie hatten nicht auf die stündliche Ausgabe gewartet. Sie brachten eine rot blitzende Sondernummer. Die Schlagzeilen lauteten:
Schockierende neue Fernsehspots von H & K
KFH ordnet Untersuchung an.
Langsam wurde es heiß, und ob.
Ich war nicht ganz ehrlich mit ihnen gewesen. Manchmal wußte man doch, wann es Ärger geben würde. Ich wußte es. Und ich wußte, daß er nicht mehr sehr fern war.
Ich befolgte meine eigenen Anweisungen, aber nicht sehr erfolgreich. Der Schlaf stellte sich nicht leicht ein. Wenn er sich einstellte, endete er in großer Eile - durch ein beunruhigendes Geräusch aus dem Nebenraum, einen schlechten Traum, am häufigsten aber durch einen zunehmend gereizten Anruf von Dixmeister droben in der Welt. Er hatte die Hoffnung aufgegeben, in dieser Nacht nach Hause zu kommen, und jede Stunde rief er mit irgendeiner neuen und dringenderen Beschwerde der Kommision für faire Handelspraktiken oder Senderschelte an. Ich hatte keinen Ärger damit. »Nehmen Sie das in die Hand«, befahl ich jedesmal, und das tat er auch. Dreimal in dieser Nacht trommelte er die Rechtsanwälte von Haseldyne & Ku aus dem Bett, um einen gefügigen Richter zu mieten, der eine Freiheit-der-Werbung-Verfügung erließ. Aber die Rechtslage würde nicht so bleiben. Die Anhörungen würden alle in einer Woche oder weniger fällig werden, aber auf die eine oder andere Art würde es in erheblich weniger als einer Woche nichts mehr ausmachen.
Wenn ich dann und wann hinausspähte, konnte ich sehen, daß meine tapferen Getreuen nicht besser schliefen als ich. Sie erwachten aufgeschreckt bei jedem kleinen Geräusch - wachten schnell auf und schliefen langsam und unruhig wieder ein, weil auch sie ihre schlimmen Träume hatten. Nicht alle meine Träume waren Alpträume. Aber keiner von ihnen war wirklich gut. Der letzte, an den ich mich erinnerte, handelte von Weihnachten, irgendeinem unwahrscheinlichen Weihnachtsfest, das ich mit Mitzi verbrachte. Es war genau wie Erinnerungen an die Kindheit, mit dem rußigen Schnee, der die Fenster verschmutzte, und dem Weihnachtsbaum, der seine frohen Botschaften von anzahlungsfreien Geschenken zwitscherte... nur wollte Mitzi nicht aufhören, die Werbungen vom Baum zu reißen und die Kiddy-Drug-Süßigkeiten ins Klo zu schütten, und ich konnte ein Hämmern an der Tür hören, von dem ich wußte, daß es die Helfer des Weihnachtsmannes mit gezogenen Pistolen waren, fertig zum Sturmangriff...
Ein Teil davon stimmte. Es war tatsächlich jemand an der äußeren Tür.