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Fenstern wegdrehten. Als er es schließlich tat, stieß er mit

Helmut zusammen, der direkt hinter ihm stand.

»Ja, was gibt es?« fragte Thomas.

»Ich wollte dir nur etwas sagen«, erklärte der blonde

Junge. »Ich habe dich nicht gewählt. Für mich bist du

nicht der Vertreter von Tante Beate, damit du es nur

weißt!«

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Das vierte Kapitel

Ich erkenne die Wahl nicht an - Man beweist Mut nicht nur mit der Faust, man braucht auch den Kopf dazu - Der dicke Martin macht

einen Vorschlag zur Güte - Helmut schließt sich selbst aus - Man

muß an die Verpflegung denken - 61 Schinkensemmeln, 33 saure

Gurken und 67 harte Eier - Josef wird beinahe vergessen - Karli

hat einen schrecklichen Traum - Die Jungen stellen Wachen auf -

Tante Beate kann nicht mehr - Herr Wiedmann sieht ein Licht und

bekommt einen Kuß - »Hier Städtisches Krankenhaus!« - Helmut

setzt einen Plan in die Wirklichkeit um - Schinkenbrote und Äpfel

liegen im Schnee.

Die beiden Jungen standen einander gegenüber, und bei-

de schwiegen eine Weile. Dann fragte Thomas: »Was

willst du damit sagen?«

Die anderen Kinder kamen neugierig herbei. Der blonde

Helmut warf den Kopf zurück: »Ich will damit sagen, daß

du mir den Buckel herunterrutschen kannst! Ich werde

mich um nichts kümmern, was du anordnest. Für mich

bist du überhaupt Luft!«

Der dicke Martin lachte wütend. »Du bist ja nur böse,

weil wir dich nicht gewählt haben!« rief er.

»Es wäre besser, wenn ihr es getan hättet«, sagte Hel-

mut.

»Und warum?«

»Weil ich stärker und größer bin als der da«, erklärte

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Helmut und zeigte auf Thomas. »Und mutiger auch«,

fügte er hinzu.

»Mut beweist man nicht nur mit den Muskeln«, erwider-

te Thomas ruhig. »Man braucht auch den Kopf dazu!«

Helmut trat nahe an ihn heran und betrachtete ihn aus

schmalen Augen. »Also du bist auch mutig, ja?«

»Ich glaube schon«, sagte Thomas.

Helmut nickte. »Gut«, sagte er, »dann mache ich dir einen

Vorschlag. Wir ringen. Dabei kannst du zeigen, wie mu-

tig du bist. Und wenn du mich besiegst, dann will ich dich

als Vertreter von Tante Beate anerkennen. Wenn du mich

aber nicht besiegst, dann bin ich ihr Vertreter!« Er sah Thomas erwartungsvoll an, und auch die anderen Kinder

machten neugierige Gesichter. Aber Thomas schüttelte nur

still den Kopf.

»Nein«, sagte er.

»Was, nein?«

»Nein, ich werde nicht mit dir ringen.«

Helmut lachte. »Das habe ich mir so vorgestellt! Du bist

eben ein Feigling!«

»Das hat mit Feigheit nichts zu tun«, erwiderte Thomas.

»Doch hat es!« rief Helmut.

»Nein«, sagte Thomas. »Es hat nichts mit Feigheit zu tun.

Die anderen Kinder haben mich gewählt. Sie hätten auch

dich wählen können. Aber sie haben es nicht getan. Die

Wahl ist viel wichtiger als unsere Prügelei. Es ist ganz

leicht möglich, daß du mich besiegst, wenn wir ringen,

und daß du stärker bist als ich. Aber damit ist überhaupt

nichts bewiesen. Denn dann könnte zum Beispiel Martin

kommen und dich herausfordern und besiegen und

dann . . .«

»Das könnte er nie!« rief Helmut.

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»Ha, ha«, sagte Martin ironisch.

»Hört auf«, sagte Thomas. »Es ist ganz gleich, ob er es

kann oder nicht. Es war nicht der Sinn der Wahl, daß wir

uns nach ihr zu prügeln beginnen. Und weil es nicht ihr

Sinn war, will ich es auch nicht tun.« Er wandte sich an

die anderen. »Wenn ihr lieber Helmut als mich habt,

dann könnt ihr es noch immer sagen!«

»Nein!« riefen die Kinder. »Wir wollen dich, Thomas!«

»Da siehst du es«, meinte Thomas. »Du kannst dich nicht

selber wählen, wenn die anderen dich nicht wollen. Sel-

ber wählen, wenn die anderen dich nicht wollen, kannst

du dich nur, indem du alle zusammen verprügelst. Dazu

hätten wir aber wirklich keine Wahl gebraucht.«

»Außerdem möchte ich einmal sehen, wie er uns alle zu-

sammen verprügelt!« rief ein Junge.

Der dicke Martin schob sich nach vorne. »Thomas«, sagte

er, »ich habe eine Idee. Ich ringe mit Helmut als dein

Stellvertreter. Du brauchst dir nicht die Hände schmutzig

zu machen, und Angst zu haben brauchst du auch nicht.

Den erledige ich mit der linken Hand.«

Helmut lachte. »Das möchte ich erst einmal sehen!« rief

er.

»Nein«, sagte Thomas. »Hier wird sich niemand prü-

geln.«

»Und warum nicht, wenn ich fragen darf?«

»Weil mit Prügeln nichts bewiesen ist, mein Lieber«, sag-

te Thomas. »Damit mußt du dich einmal abfinden. Wenn

du das nicht kannst, dann tu eben, was du willst!«

Der blonde Helmut trat von Thomas zurück.

»Das brauchst du mir nicht zweimal zu sagen!« rief er.

»Und ob ich tu, was ich will!« Er drehte sich um und sah

die anderen an. »Ihr werdet ja sehen, wohin ihr kommt

mit eurem Thomas! Wenn es nach ihm geht, dann sitzt ihr

in einer Woche noch hier! Ich bin ja nicht verrückt, daß

ich mich von ihm herumkommandieren lasse!«

»Halt schon endlich den Mund«, sagte der dicke Martin.

»Du machst mich ganz nervös!«

»Du wirst noch viel nervöser werden«, sagte Helmut.

Dann drehte er sich um. »So«, sagte er, »ihr Wickelkin-

der, und jetzt möchte ich mein Essen und meine Decken

zurück, denn ich mache nicht mehr mit bei eurem Idioten-

verein.« Er sah Thomas an. »Na«, meinte er, »das ist dir

wahrscheinlich weniger angenehm, was?«

»Es ist mir ganz gleichgültig«, sagte Thomas. »Bitte,

nimm zurück, was dir gehört. Wir werden auch ohne dein

Essen auskommen.«

Thomas ging zu dem Autobussitz, auf dem die Kinder

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ihre Vorräte zusammengetragen hatten, schlug eine Decke

zurück und sagte: »Bitte, bediene dich!«

Helmut folgte ihm und suchte aus den vielen Butterbrot-

paketen und Schokoladetafeln aus, was ihm gehörte. Die

anderen paßten auf. Zuletzt nahm Helmut seine beiden

Decken, warf sie über die Schultern und ging, ohne auch

nur ein Wort zu sagen, nach hinten, dorthin, wo er an

diesem Tag schon einmal gesessen hatte - zu den Koffern

und Rucksäcken.

Dort setzte er sich nieder und begann in großer Ruhe zu

essen. Er aß Wurstsemmeln und Orangen. Er tat, als

wäre er allein im Autobus. Die anderen schienen nicht

mehr für ihn zu existieren. Thomas sah ihm eine Weile

zu.

»So«, sagte er dann, »und jetzt wollen auch wir endlich

zu Abend essen!« Diese Erklärung regte die anderen so

auf, daß sie Helmut vollkommen vergaßen. Er hockte im

Halbdunkel zwischen den Koffern, aß seine Semmeln und

sah verärgert, wie sich die Kinder um Thomas drängten.

Sie betrachteten den Haufen Lebensmittel auf dem Sitz.

»Paßt auf«, sagte Thomas, »wahrscheinlich kommen die

Erwachsenen schon morgen vormittag, um uns auszugra-

ben, und wir brauchen deshalb nur Essen für ein Nacht-

mahl und ein Frühstück.«

»Und vielleicht für ein Mittagessen«, sagte der vorsichti-

ge Martin.

»Stimmt«, sagte Thomas. »Aber ich glaube, wir sollten

einmal daran denken, daß es vielleicht noch länger

dauert, bis man zu uns kommt. Möglicherweise bis mor-